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"Ich sah meinen Vater erstmals neunzehn Jahre nach seinem Tod"
Ein Mann sucht den verlorenen Vater. Und findet, was er nie verloren glaubte. Frank Goosen erweist sich mehr denn je als brillanter Erzähler männlicher Abgründe.

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Produktbeschreibung
"Ich sah meinen Vater erstmals neunzehn Jahre nach seinem Tod"

Ein Mann sucht den verlorenen Vater. Und findet, was er nie verloren glaubte. Frank Goosen erweist sich mehr denn je als brillanter Erzähler männlicher Abgründe.

Autorenporträt
Frank Goosen, geboren 1966 in Bochum, hat sich Ruhm und Ehre als eine Hälfte des Kabarett-Duos "Tresenlesen" erworben. 2003 erhielt Frank Goosen den Literaturpreis" Ruhrgebiet". Mit seinen Kabarettprogrammen tourt er regelmäßig durch Deutschland. Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern wohnt er in Bochum.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2005

Das seichte Herz der Revolution
Beruf Sohn: Frank Goosens neuer Roman macht Schluß mit lustig

Frank Goosen, gelernter Kabarettist, Bochumer Tresenleser und für manche auch ein deutscher Nick Hornby, will endlich ein erwachsener, seriöser Autor werden. Sein Debüt "Liegen lernen" war noch ein komischer Bildungsroman in absteigender Linie; aber schon in "Pokorny lacht" entdeckte ein notorischer Klassenclown, daß es ernstere Dinge im Leben gibt als Blödeln, etwa Männerfreundschaft, Familie und Vaterschaft. Nach einem autobiographischen Rückfall in popkulturelle Distinktionen und pubertäre Nostalgie ("Mein Ich und sein Leben") macht Goosen jetzt endgültig Ernst: kein Witzchen mehr, kein Effekthascherei, keine Trebe- und Tresengänger, die bei einem Bierchen alte Hits und kleinere Probleme durchhecheln.

Eigentlich ist "Pink Moon" (nach einem Song von Nick Drake) auch nur ein Kneipenroman. Felix Nowak verbringt einen Großteil seiner reichlich bemessenen Freizeit am Tresen seines gleichnamigen Lokals, obwohl sein alter Freund und Geschäftsführer Walter den Laden ganz gut alleine schmeißt. Aber der neue Frank Goosen beißt sich eher die Zunge ab, als seine Fangemeinde noch länger mit kabarettreifen Pointen und Späßchen zu bewirten. Felix macht seinem Namen keine Ehre. Er ist nicht der Typ des Ruhrpott-Kneipiers, der aufgeräumt und abgeklärt das schale Freibier von Ironie und Nostalgie ausschenkt. Wortkarg, geheimniskrämerisch, unberechenbar und meist schlecht gelaunt, ist er ein stiller Teilhaber der Welt: ein unglücklicher Mann auf der Suche nach sich und seinem Vater.

Als er 1968 - Goosen wählt das Datum mit Bedacht, auch wenn er nicht gerade mit dem "Bleichen Herz der Revolution" abrechnen will - zur Welt kam, ließ Otto, der exiltschechische Gigolo, Sohn und Mutter im Stich. "Ich hatte keinen Papa", klagt Felix, "und sie sah nicht aus wie eine Mama." Eher schon wie eine Achtundsechzigerin, die sich in WG-Küchen mit häufig wechselnden Liebhabern und wohl gar auf einen Flirt mit dem Terrorismus einließ. Felix versumpfte als Taxifahrer und Trinker in Berlin, ehe er sich, "von Beruf Sohn" und Trauerarbeiter, auf die Suche nach dem Vater macht.

Allerdings nicht gerade auf direktem Weg und explizite Weise. Nur widerwillig und beiläufig rückt der Halbwaisenknabe in Rückblenden mit seiner Lebensgeschichte heraus: wie Mutter verwahrloste und schließlich dem Werben ihres Arbeitgebers nachgab, wie Felix sich den Umarmungen des Ersatzvaters entzog, aus dem goldenen Käfig der "Villa Bludau" floh und mit Mamas Geld "Pink Moon" kaufte. Jetzt privatisiert er, mutterseelenallein und vaterlos, und je mehr er von sich erzählt, desto weniger erfährt man über ihn. "Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich nie einen bestimmten Berufswunsch gehabt. Eigentlich hatte ich mir immer nur gewünscht, daß mein Vater auftauchte. Als ich etwas älter wurde, hatte ich angefangen, mich zu fragen, warum ich mir das wünschte. Trotz langen Nachdenkens war mir keine Antwort eingefallen." Unter dieser Reflexions- und Antriebsschwäche leidet auch der Roman. "So konnte das alles nicht weitergehen", heißt es mehr als einmal; aber es hört nicht auf.

Goosen streut Erinnerungssplitter und Alltagsstreusel auf einen formlosen Mürbeteig von Apathie und Depression. Felix streunt ziellos durch Wettbüros, Billardhallen und Notaufnahmen und treibt sich in Sozialwohnungen, Szenekneipen und den Villen seiner Freunde herum. Versonnen betrachtet er die Schachspieler im Park, alte Männer mit Hüten, ausführlich beschreibt er Wohnzimmer und Bücherregale, Eß- und Erziehungsrituale der Neuen Mitte, auch alltäglichere Verrichtungen wie Tanken und Kaffeetrinken. Aber er ist nie recht bei der Sache. Er vergißt Namen und Erinnerungen, verbeißt sich im Kleinen und Nebensächlichen und interessiert sich, obwohl bisexuell, weder für Männer noch für Frauen. Es geht um sein Leben; aber man erfährt nichts davon; lieber plaudert der Wirt mit seinen Bedienungen und stopft die Lücken seiner Biographie mit vagen Andeutungen, Abschweifungen und einer Chronik der laufenden Nichtereignisse.

"Erst wunderte ich mich, dann nicht mehr"; dem Leser geht es ähnlich. Was treibt Felix um? Warum läßt er sich von ungetreuen Buchhaltern und Freundinnen widerstandslos betrügen? Wie kommt es überhaupt, daß sich alte Kumpel und Luxusfrauen, selbst Nachbarn und flüchtige Bekannte ausgerechnet an diesem kalten, mürrischen Autisten wärmen wollen? Und warum sucht er seinen Vater so hartnäckig, wenn er ihm doch nichts zu sagen hat? Schon im ersten Satz begegnet Felix ihm wieder, aber nur, um ihn gleich wieder aus den Augen zu verlieren. Als er Otto am Ende in einem Autohaus endlich ein zweites Mal aufspürt, bricht der Roman jäh ab: kein Wiedererkennen, kein Wort der Erklärung, keine Zukunft. Pokorny fuhr einst, ausgesöhnt mit seinem Sohn Kai, in einen kitschigen Sonnenuntergang; diesmal verweigert Goosen trotzig jedes melodramatische Happy-End.

Das ist mutig. Aber der Verzicht auf Spannungsbögen, Handlung und kohärente Charaktere zugunsten eines unterkühlten, lakonischen Detailrealismus wirkt bald langweilig. Felix, der "wunderbar nichtssagende Mensch", streift verschlossen, wort- und emotionslos durch namenlose Städte, und so verliert man mit seiner Obsession auch die Figur selbst aus den Augen. Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche ist auf ihre eigene Weise unglücklich. Bei Goosen gibt es nur kaputte Familien, die sich merkwürdig gleichen. Alle Männer suchen die Mutter in der Frau, den Vater im Fremden und umgekehrt: Felix' Tennispartner Wöhler etwa teilt mit seinem Alten die junge Geliebte; Renz, sein kauziger Nachbar, leidet unter seinen Eltern und zieht doch zu ihnen zurück. "Die eigenen Eltern im Lichte ihrer geplatzten Träume zu betrachten macht es einem schwer, sie zu hassen." So sieht Felix sein Trauma im Spiegel der andern verdoppelt und verzerrt und kommt am Grab seiner Mutter endlich mählich mit sich ins reine.

Der Roman nimmt am Ende etwas Fahrt auf; aber über weite Strecken gleicht er jenen vermischten Zeitungsmeldungen, die der Held seitenlang zitiert. Einst charakterisierte Goosen seine Figuren durch ihre Platten- und Witzsammlung, jetzt durch das lapidare Inventar ihrer Bücherregale und ödipalen Konflikte. Man kann das als Zeichen der Reife deuten; der Stilwechsel war überfällig und folgerichtig. Aber mit seiner witzlosen Sprödigkeit ist der geläuterte Ex-Komiker vielleicht doch übers Ziel hinausgeschossen.

MARTIN HALTER

Frank Goosen: "Pink Moon". Roman. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2005. 301 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Martin Halter hat sich beim Lesen dieses Romans gelangweilt, wie er mit einiger Enttäuschung über das jüngste Werk des "deutschen Nick Hornby" Frank Goosen schreibt. Hauptprotagonist ist ein vaterloser Mann mit dem magischen Geburtsjahr 1968. Der Kritiker ahnt, dass Goosen mit Hilfe seines Helden Felix eigentlich ins "bleiche Herz der Revolution"