Produktdetails
  • Verlag: Mondadori (Oscar), Mailand
  • Seitenzahl: 304
  • Italienisch
  • Gewicht: 496g
  • ISBN-13: 9788804538028
  • ISBN-10: 8804538023
  • Artikelnr.: 20802353
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Alessandro Piperno, 1972 in Rom geboren, stammt aus einer jüdisch-katholischen Familie. Als leidenschaftlicher Leser von Marcel Proust lehrt Alessandro Piperno französische Literatur an der Universität Tor Vergata in Rom. Für sein Debüt 'Mit bösen Absichten' erhielt Alessandro Piperno bereits zwei bedeutende Auszeichnungen, den Premio Viareggio und den Premio Campielli.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2006

Die Zeit der fetten Kühe
Selbstporträt eines Strumpfsammlers: Alessandro Pipernos Roman

Arglose Leser wird es womöglich schon früh aus der Kurve tragen, wenn der "Seiltänzer des ehebrecherischen Sex" gleich auf der ersten Seite die Hosen runterläßt, um zu demonstrieren, daß da einer mindestens so penisfixiert ist wie Portnoy, daß er zudem noch weiß, daß Eros sich auf Thanatos reimt, und sich aufs Zotige und Ziselierte zugleich versteht. "Sein reifer, durch und durch konkurrenzfähiger Schwanz war bereit, zum letzten Mal im Schein einer alten Flamme zu erstrahlen: Giorgia Di Porto, Modistin, nicht ganz heimliche Geliebte aus der Zeit der fetten Kühe, war im Begriff, die Finsternis von Bepy Sonninos letzten Lebensjahren zu zerreißen." So gespreizt geht es weiter, zwischen Modistinnen und Manierismen, und das mag ja auf dem italienischen Buchmarkt als Gegengift zum Spröden, Kunstvollen und meist leicht Verklemmten blendend funktioniert haben - ein römischer Philip Roth wird trotzdem nicht daraus.

Dieser Bepy, den Alessandro Piperno in seinem ersten Roman erfunden hat, ist ein toller Bursche, ein Womanizer, Lebemann und erfolgreicher Tuchhändler aus einer jüdischen Familie in Rom, die durch Heiraten über die Generationen auch ein bißchen katholisch wurde, weshalb sein Enkel Daniel an Bepys Grab kein Kaddisch sprechen darf. Der dreiunddreißigjährige Römer Piperno, der selbst aus einer jüdisch-katholischen Familie stammt, hat diesen Daniel als Ich-Erzähler eingesetzt, doch der Schatten, den Bepy wirft, ist mindestens so lang wie auf einem Gemälde von De Chirico. Er fällt auf den Albino-Sohn Luca, der sich zu Erfolg und Dauerlächeln gezwungen hat, auf Sohn Theo, der nach Israel ausgewandert ist, und eben auch auf den Enkel, einen mäßig erfolgreichen Akademiker von Anfang Dreißig, der sich deshalb auch als "der größte Dieb von Damenstrümpfen der nördlichen Hemisphäre" vorstellen und mit einer Melange aus elaboriertem Code und Umgangssprache, die sich für wahnsinnig lässig hält, erklären muß, "daß ich der scheinheilige Moralist war, diese Mischung aus Cromwell, Savonarola und Tartuffe, wenn ich allen in dieser schlimmen Weise auf die Eier ging".

Der Roman porträtiert mehr oder minder drei Generationen der Sonninos: Innenansichten einer jüdischen Familie, deren Angehörige der Deportation entgingen und denen das Schicksal der Juden eher peinlich ist, auch wenn sie sich natürlich ein feines Sensorium für die Heucheleien der Philosemiten bewahrt haben. Doch im Grunde ist "Mit bösen Absichten" weniger Familienepos als Selbstporträt des Strumpfsammlers, der seine Obsessionen ausbreitet, vor allem seine unerhörte Liebe zur ätherischen Gaia, der Enkelin von Bepys langjährigem Geschäftspartner. Daniel schiebt sich nicht bloß ins Bild, sondern verdeckt den Rest der Familie immer mehr, weil er am liebsten von den reichen und verwöhnten römischen Kids der achtziger Jahre erzählt, von einer ziemlich verkorksten Jugend, auf deren peinlichen persönlichen Höhepunkt er die Erzählung zusteuern läßt.

Diese Verschiebung wäre kein Problem, wenn Alessandro Piperno dabei nicht die Sprache wegliefe. Immer noch eine Metapher, immer noch eine Pirouette, noch ein Superlativ. Räsonieren und Erzählen liegen im Dauerclinch. Es gibt lange Strecken, auf denen sich der Erzähler entspannt, weil er schlagende Situationen und monströse Momentaufnahmen aus dem Familienalbum vorführt, um diese Präzisionsarbeit gleich wieder zu verwässern. Da schielt ein Buch dauernd nach den großen Vorbildern, will immer mitten im sogenannten prallen Leben und doch zugleich schlauer sein als das ganze triebgesteuerte Treiben, bis es weder das eine noch das andere ist.

Am Ende hat Piperno von allem ein bißchen serviert. Die Mürbeteig-Makkaroni-Pastete kennt man aus Lampedusas "Leoparden", da war sie allerdings krosser und voluminöser, die "Buddenbrooks" und Madame Chauchat werden gleich direkt beim Namen genannt, die verlorene Zeit findet sich beim Proust-Experten Piperno ganz von selbst, und dann muß Daniel Sonnino, wie so viele Romanhelden dieser Tage, auch noch nach New York kommen, kurz nach 9/11. Vielleicht sollte sich mal eine Lektoreninternationale bilden, die Autoren rät, die Zwillingstürme einfach fallenzulassen.

So plaudert Pipernos Held mal munter, mal melancholischer dahin, und das ist phasenweise auch ganz unterhaltsam. Der Klappentext empfiehlt sogar wohlmeinend, an die Komödien des italienischen Kinos zu denken. Nach all dem, was dieses Kino in den letzten fünfzehn Jahren hervorgebracht hat, wäre es dann aber doch eine zu große Gemeinheit, diesen sehr geschwätzigen Roman etwa mit Roberto Benignis Humoresken zu vergleichen.

PETER KÖRTE

Alessandro Piperno: "Mit bösen Absichten". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Marianne Schneider. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2006. 364 S., geb., 18,90 [Euro].

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