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Die Seeräuberei ist fast so alt wie die Seefahrt selbst. Schon der griechische Historiker Thukydides berichtete im 5. Jahrhundert v. Chr. von Völkern, die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Überfall auf fremde Schiffe "verdienten". In den Auseinandersetzungen um Kolonien, Märkte und Seeherrschaft nutzten die beteiligten Mächte jahrhundertlang dieses Mittel, um ihre Konkurrenten zu schädigen. Oft genug war der Unterschied zwischen erlaubter Kaperei und verbotenem Seeraub lediglich eine Frage des Standpunktes, wie im Fall von Francis Drake. Um das Jahr 1700 wurde die Seeräuberei zum ersten Mal…mehr

Produktbeschreibung
Die Seeräuberei ist fast so alt wie die Seefahrt selbst. Schon der griechische Historiker Thukydides berichtete im 5. Jahrhundert v. Chr. von Völkern, die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Überfall auf fremde Schiffe "verdienten". In den Auseinandersetzungen um Kolonien, Märkte und Seeherrschaft nutzten die beteiligten Mächte jahrhundertlang dieses Mittel, um ihre Konkurrenten zu schädigen. Oft genug war der Unterschied zwischen erlaubter Kaperei und verbotenem Seeraub lediglich eine Frage des Standpunktes, wie im Fall von Francis Drake. Um das Jahr 1700 wurde die Seeräuberei zum ersten Mal zu einem globalen Problem. Obgleich das "Goldene Zeitalter der Piraterie" nur gut 30 Jahre dauerte, überstieg das Ausmaß der Verheerungen alles bis dato dagewesene. Erst als die europäischen Seemächte, allen voran Großbritannien, die Piraten konsequent verfolgten, wurden sie allmählich Herr des Problems. Geblieben ist die Verklärung. Bis heute entzünden Namen wie Klaus Störtebeker, Francis Drake oder Henry Morgan die Phantasie vieler Menschen. Doch der Hauch der Romantik trügt: Seeräuberei ist ein grausames Verbrechen. Das gilt auch für die moderne Piraterie. Jann M. Witt liefert mit diesem reich illustrierten Band eine globale Geschichte der Piraterie von der Antike bis heute.
Autorenporträt
Jann M. Witt, Dr. phil., ist Historiker des Marinebunds. Bei Primus ist von ihm bereits erschienen: Die Ostsee. Schauplatz der Geschichte (2009)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.03.2012

Staaten und Piraten
Rette sich wer kann: Eine Geschichte der Seeräuberei
Wie dringlich das Problem der Piraterie erneut geworden ist, wird mit Blick auf die aktuelle Lage am Horn von Afrika deutlich: Allein die Zahl der Piratenangriffe auf deutsche Schiffe vor der Küste Somalias ist in nur einem Jahr um mehr als fünfzig Prozent gestiegen – waren es im ersten Halbjahr 2010 noch hundert Attacken, so waren es im selben Zeitraum 2011 schon 163 Überfälle. Die britische Regierung hat bereits eingeräumt, dass Großbritanniens Marine nicht über genügend Kräfte verfügt, um selber den Schutz der Handelsflotte vor Piratenangriffen zu übernehmen. Daher hat London die Bewaffnung von Handelsschiffen und ihre Eskortierung durch private Sicherheitskräfte zugelassen. Ihren Einsatz will nun auch Deutschland rechtlich ermöglichen. Ein Zertifizierungsverfahren für die privaten Dienstleister soll gesetzlich etabliert werden.
Damit gehen die Renaissance der Piraterie und die Rückkehr des Söldnertums Hand in Hand. Beiden ist gemeinsam, dass sie Gewalt privatisieren – einmal in Form von maritimer Kriminalität, einmal im Auftrag von Staaten und Unternehmen. Und dies aus einer Überforderung staatlicher Sicherheitskräfte heraus, wie sie bereits um das Jahr 1700 entstand, als die Seeräuberei zum ersten Mal zu einem globalen Problem wurde, und wie sie in der Gegenwart erneut zu beobachten ist, da seit 1984 weltweit mehr als fünftausend Piratenüberfälle gezählt wurden.
Wer diese historischen Parallelen verstehen möchte, kommt um den kompakten, elegant geschriebenen und wunderbar bebilderten Band von Jann M. Witt derzeit nicht herum. Der Historiker des Deutschen Marinebunds schildert nicht nur die Geschichte der Piraterie von der Antike bis heute, sondern veranschaulicht zugleich mit seinem Ritt durch die Seefahrtshistorie, dass es von Beginn an staatliche Schwäche war, die Seeräubern „goldene Zeitalter“ ermöglichte. So bedurfte es schon in der Antike Jahrhunderte lediglich sporadisch bekämpfter Piraterie im Mittelmeerraum, bis sich die Haltung gegenüber Seeräubern grundsätzlich änderte. Erst die griechischen Stadtstaaten erließen Gesetze gegen den Seeraub und entsandten Kriegsschiffe zu seiner Bekämpfung. Witt zitiert Thukydides, der berichtete, dass die Korinther um das Jahr 700 vor Christus ihre Kriegsflotte einsetzten, um Piraten an den Küsten des Peloponnes zu jagen. Auch Athen ging seit dem 6. Jahrhundert vor Christus gegen Seeräuberstützpunkte auf den Inseln der Ägäis vor.
Die Niederlage Athens im Peloponnesischen Krieg gegen Sparta bedeutete jedoch das Ende eines effektiven Schutzes des Seehandelns vor Piraten. Bereits um 380 vor Christus machten derart viele Seeräuber das östliche Mittelmeer unsicher, dass es nicht länger ratsam er-schien, wertvolle Waren per Schiff zu transportieren. Erst das Seleukiden-reich in der Nachfolge Alexanders des Großen und die Inselrepublik Rhodos sorgten mit regelmäßigen Kriegsschiffspatrouillen im 3. Jahrhundert vor Christus erneut für Sicherheit.
Rom wiederum ignorierte lange Zeit die seeräuberische Bedrohung. Sie wurde in der Adria schließlich so groß, dass die Römer sich 228 vor Christus gezwungen sahen, die östliche Adriaküste zu besetzen. Doch erst Octavian gelang es zwei Jahrhunderte später, die Region zu befrieden. Auch im östlichen Mittelmeer zögerte Rom lange, bevor es gegen die durch die Schwäche der hellenistischen Staaten wachsende Piratenplage vorging. Zwar hatte der römische Senat das erste Anti-Piraterie-Gesetz bereits 101 vor Christus erlassen, aber die Maßnahmen gegen Seeräuber waren nach Witts Urteil zunächst „bestenfalls halbherzig“. Dies änderte sich, als die Schifffahrt im Mittelmeer durch die Piraterie faktisch zum Erliegen kam und damit auch der für Rom lebenswichtige Import von Getreide aus Ägypten.
Dieser existenziellen Bedrohung begegneten die Römer mit einem von Althistorikern und von Marineexperten wie Witt als „brillant“ bewerteten Feldzug unter Gnaeus Pompeius Magnus, der das Mittelmeer in weniger als drei Monaten von der Piraterie weitgehend befreite, indem er die Seeräuber nicht nur militärisch besiegte, sondern den Überlebenden – mit Ausnahme ihrer Anführer – ein ziviles Leben in Freiheit ermöglichte und ihnen damit eine neue Perspektive jenseits der Kriminalität eröffnete. Endgültig ausgerottet – zumindest für die ersten nachchristlichen Jahrhunderte – wurde die Piraterie im Mittelmeerraum allerdings erst unter der „Pax Romana“ von Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern.
Die Situation hingegen, die Witt für die nördlichen Meere im Mittelalter be-schreibt, erinnert an das heutige Unvermögen der westlichen Mächte, der Renaissance der Piraterie wirkungsvoll zu begegnen, da ihre Seemacht durch Einsparungen in den Verteidigungshaushalten immer mehr schwindet. Schon die mittelalterlichen Staaten Nordeuropas besaßen weder die institutionellen noch die fiskalischen Voraussetzungen für den Unterhalt von Kriegsflotten, die für permanente Sicherheit auf See sorgen konnten. Da bei fast jeder Seereise die Gefahr eines Angriffs durch Piraten oder Kaperschiffe bestand, war es allgemein üblich, Handelsschiffe zu ihrer Verteidigung zu bewaffnen – ähnlich der heutigen Bemannung mit privaten Sicherheitskräften.
Erst der Aufbau professioneller Seestreitkräfte mit regulären Kriegsflotten im 16. Jahrhundert und damit die Monopolisierung militärischer Macht in staatlicher Hand auch auf See führte – gepaart mit größerer politischer Entschlossenheit und der Einsetzung unbestechlicher Beamter – dazu, dass die Piraterie allmählich aus den nordeuropäischen Gewässern verschwand.
Ihr Goldenes Zeitalter erlebte die Piraterie im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts vor Westindien, Westafrika und im Indischen Ozean. Dabei erwiesen sich nicht aufgerüstete Handelsschiffe, sondern schwer bewaffnete und vor allem mit gut ausgebildeten Berufsseeleuten und Soldaten bemannte Kriegsschiffe als die wirksamste Waffe gegen die Seeräuber. Europäische und amerikanische Flotten besiegten zusammen mit Expeditionskorps zu Lande auch die nordafrikanischen Barbareskenkorsaren, die im Mittelmeer noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts ihr Unwesen trieben.
Wer auch der heutigen Piraterie ein dauerhaftes Ende bereiten will, der sollte Witts Beobachtungen und seinen auf historischer Erfahrung beruhenden Empfehlungen große Aufmerksamkeit schenken. Sein Buch macht überaus anschaulich, dass entschlossenes Vorgehen von Staaten das beste Mittel gegen Piraterie ist. Dass dies auch heute große Wirksamkeit entfalten kann, zeigt Witt am Beispiel der Straße von Malakka. Dort ist die Zahl der Überfälle durch verstärkte Patrouillen staatlicher Sicherheitskräfte der Anrainer Indonesien, Singapur und Malaysia erheblich gesunken. Zugleich muss Piraten eine Alternative zum Seeraub geboten werden. Andernfalls bleibt das Problem der maritimen Kriminalität weiterhin ein Fall für die Schlagzeilen.
THOMAS SPECKMANN
JANN M. WITT: Piraten. Eine Geschichte von der Antike bis heute. Primus Verlag, Darmstadt 2011. 152 S., 29,90 Euro.
Von Beginn an war es
staatliche Schwäche, die Seeräubern
„goldene Zeiten“ bescherte
Wie man Gewalt privatisiert, zeigt auch der Film „Captain Blood“ („Unter Piratenflagge“) von Michael Curtiz aus dem Jahr 1935. Foto: defd
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das Problem der maritimen Kriminalität, kurz: Piraterie, wie wir es heute kennen, hat historische Parallelen, weiß Thomas Speckmann spätestens nach der Lektüre von Jann M. Witts "wunderbar" bebildertem und laut Rezensent ebenso kompaktem wie elegant verfasstem Buch. Die Unfähigkeit der staatlichen Seemachten, des Problems Herr zu werden, das zeigt der Autor unserem Rezensenten in einem Durchgang durch die Seefahrtshistorie, ist nicht neu: Wo heute private Sicherheitsdienste in die Bresche springen, zwang vor rund 2000 Jahren erst die nackte existenzielle Bedrohung durch massive Piraterie die römischen Kaiser zum Handeln. Um das Problem heute in den Griff zu bekommen, meint Speckmann, sollte man zunächst dieses Buch lesen, Witts historische Erfahrung und dann seine Empfehlungen beherzigen.

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".Auf kurzweilige Art schildert Witt Anekdoten von Piratenchefinnen, von Cäsar als Piratenopfer und er klärt über die Realität von Mythen wie dem Plankelaufen oder dem Rumkonsum auf. Figuren wie Klaus Störtebeker, Francis Darke und Henry Morgan befreit Witt von ihrem romantischen Robin Hood- Image und stillt Neugier nach deren tatsächlichen Lebensumständen." (Sonic Seducer, März 2012, S. 59, von Ines Scholz) ".Wer diese historischen Parallelen verstehen möchte, kommt um den kompakten, elegant geschriebenen und wunderbar bebilderten Band von Jann M. Witt derzeit nicht herum."(Süddeutsche Zeitung, 6.3.12, S. 14, von Thomas Speckmann)".Autor Jann M. Witt beschreibt kurzweilig und fundiert die Hochzeiten der Piraterie in den verschiedensten Epochen und ihren Kampf gegen die Staatsdiener, die ihnen auflauern und sie aufhalten sollten." (Karfunkel, Heft 100, Juni 2012, S. 39)