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Die Universitätsrede widmet sich der Frage, welchen Beitrag die Piraterie unbeabsichtigt im westlichen Mittelmeer zur Schaffung einer Marktwirtschaft und Entwicklung späterer Wettbewerbsordnungen geleistet hat. Die Geschichte der Piraterie im westlichen Mittelmeer wird ebenso dargestellt, wie die wirtschaftliche Entwicklung und deren Beeinflussung durch die Piraterie. Die Bildung der Basis für eine Marktwirtschaft und die Beeinflussung späterer Wettbewerbsordnungen in den angrenzenden Ländern, nämlich Italien, Frankreich und Spanien, werden erörtert.Der Verfasser zeigt auf, dass die Piraterie…mehr

Produktbeschreibung
Die Universitätsrede widmet sich der Frage, welchen Beitrag die Piraterie unbeabsichtigt im westlichen Mittelmeer zur Schaffung einer Marktwirtschaft und Entwicklung späterer Wettbewerbsordnungen geleistet hat. Die Geschichte der Piraterie im westlichen Mittelmeer wird ebenso dargestellt, wie die wirtschaftliche Entwicklung und deren Beeinflussung durch die Piraterie. Die Bildung der Basis für eine Marktwirtschaft und die Beeinflussung späterer Wettbewerbsordnungen in den angrenzenden Ländern, nämlich Italien, Frankreich und Spanien, werden erörtert.Der Verfasser zeigt auf, dass die Piraterie einerseits während eines lang dauernden Zeitraums wesentlich für die Unterdrückung freien Handels verantwortlich gewesen ist, andererseits aber durchaus mit zur Überwindung von Maßnahmen handelsbeschränkender Art, wie Zöllen, Handelsmonopolen und Kartellen und zum Aufbrechen monopolbedingter verkrusteter Märkte im Sinne des Handels der Diebesbeute beigetragen hat.
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Autorenporträt
Franz Böni ist Beauftragter für Weiterbildung des Fachbereichs Rechtswissenschaft, wissenschaftlicher Leiter des Kontaktstudiums Kartellrecht sowie Dozent für EU-Kartellrecht an der Universität Konstanz, Handelsrichter und Geschäftsführer einer kartellrechtlich ausgerichteten Wirtschaftsberatung in Mosnang, Kt. SG, Schweiz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2009

Die lieben Piraten
Für die Marktwirtschaft waren sie früher recht nützlich

"Krieg, Handel und Piraterie, dreieinig sind sie nicht zu trennen", lässt Goethe seinen Mephisto im "Faust II" sagen. Der Spruch scheint nach wie vor gültig und die Seeräuberei erneut zum einträglichen Geschäft geworden: Der deutsche Gas-Tanker "Longchamps" war Ende Januar nach Asien unterwegs, als er im Golf von Aden geentert wurde. Von der Hamburger Reederei wurde ein Lösegeld von sechs Millionen Dollar verlangt. Die "Longchamps" ist in diesem Jahr bereits das dritte vor der somalischen Küste gekaperte Schiff. Zwei weitere Handelsschiffe entgingen in der gleichen Nacht nur knapp demselben Beutezug.

Insgesamt 111 Schiffe wurden im vergangenen Jahr von Seeräubern am Horn von Afrika attackiert und Dutzende entführt. Die Piraten erpressten damit mehr als 30 Millionen Dollar. Im Kampf gegen die Seeräuber hat die Europäische Union inzwischen vier Schiffe und zwei Aufklärungsflugzeuge im Einsatz, darunter zwei deutsche Fregatten. Zehn weitere Länder, darunter Indien, haben ebenfalls Kriegsschiffe entsandt.

Der massive Einsatz gegen die Bösewichte lässt vergessen, dass die Freibeuter auch Fürsprecher haben. Nicht nur den libyschen Staatschef Gaddafi, der dieser Tage tönte, die Piraten vor der Küste Afrikas wollten nur das Los der hungernden Kinder Afrikas erleichtern. Auch Historiker arbeiten an der Ehrenrettung zumindest von Schiffskaperern der Vergangenheit. So gab der Aachener Wissenschaftler Rüdiger Haude jüngst in der "Zeitschrift für Geschichtswissenschaft" zu bedenken, dass Piraten in vordemokratischer Zeit viel für die Demokratie getan hätten, indem sie im frühen 18. Jahrhundert die Entscheidungsstrukturen, das Zusammenleben und die Aufteilung der Beute auf ihren Schiffen in demokratischen, die Gleichheit betonenden Statuten regelten.

Desgleichen sollen Seeräuber - wenn auch unbeabsichtigt - für die Entwicklung einer funktionierenden Marktwirtschaft wahrhaft nützlich und progressiv gewesen sein: Die Piraten hätten nachdrücklich dazu beigetragen, Handelsmonopole, Zölle und Kartelle zu unterlaufen, dabei verkrustete Märkte aufgebrochen und spätere Wettbewerbsordnungen angeschoben. So der Schweizer Wirtschafts- und Kartellrechtsprofessor Franz Böni in seiner ebenso instruktiven wie launigen Antrittsvorlesung vom 28. Mai 2008 an der Universität Konstanz, die jetzt als hübsches, kleines Bändchen der Universitätsreden im UVK Verlag vorliegt.

Der Jurist verhehlt nicht, dass die Seeräuberei über lange Zeit hinweg an der Unterdrückung des freien Handels Schuld hatte und zu allerlei defensiven Maßnamen und Koalitionen Anlass gab. Mit dem Aufblühen des maritimen Handels intensivierte sich allerdings der Wettbewerb zwischen den europäischen Seemächten, die der scharfen Konkurrenz unter ihresgleichen im 17. Jahrhundert zunehmend mit Staatsmonopolen, Kartellen und Schutzzöllen zu begegnen suchten. Hier fanden die Piraten angeblich eine genehme Nische: Da reichlich Bedarf an schwer erhältlichen oder mit hohen Zöllen oder Monopolpreisen belegten Waren bestand, habe sich ein lukrativer schwarzer Markt für seeräuberisches Diebesgut entwickelt, der die handelbeschränkenden Regeln und die offiziellen Monopole unterlief und in Frage stellte. "Die Betätigung der Piraten ist daher", so Böni, "als Beeinflussung des Handels im Sinne von mehr Wettbewerb zu sehen." Mit den später geschaffenen Wettbewerbsordnungen jedoch hatten die klassischen Piraten nichts mehr zu tun, da sie und ihr Handwerk zu dieser Zeit der Vergangenheit angehörten.

An der Geschichte der Piraterie im westlichen Mittelmeer und speziell der isolierten einzelstaatlichen Wirtschaftsentwicklung von Italien, Frankreich und Spanien, aber auch am Beispiel Englands exemplifiziert Franz Böni die ambivalente Einwirkung der Seeräuberei auf die Handelsbeziehungen. Natürlich sei das brutale Handwerk allerorten ein erheblicher, oft retardierender Problemfaktor für den Seehandel gewesen. Doch gezählt habe letztlich der kommerzielle Konsens zwischen handeltreibenden Staaten und Piraten - die "Win-win-Situation, dass die eine Seite aus Gründen der Warenversorgung vom Seeraub profitierte und die andere ihren Nutzen aus der ihr öffneten Möglichkeit ziehen konnte, sich im Handel zu betätigen".

Das bessere Geschäft dabei machten offenbar die nationalen Handelsherren. Denn die Gewinne aus dem Handel mit Piraten oder aus Investitionen in Piratenunternehmungen erlaubten ihnen, das so erwirtschaftete Kapital in legale Unternehmungen ihrer Länder zu stecken und so zu Reichtum, hohen Ämtern und unbehelligter Stellung zu kommen. An dieser Stelle schlägt Böni den Bogen zur Moderne: "Letztendlich haben wir es hier mit einer Urform der Geldwäscherei zu tun."

Ansonsten bleibt die Gegenwart der Piraterie in Bönis Überlegungen ausgespart. Gern hätte man erfahren, wie der Schweizer die wirtschaftlichen Implikationen heutiger Seeräuberei, vor allem der wachsenden kriminellen Aktionen am Horn von Afrika, einschätzt. Das Geschehen dort wird lediglich ganz am Schluss in einem Nebensatz erwähnt. Vielleicht nimmt sich der Experte eine solche Betrachtung als Nächstes vor? Schließlich sollen die Vorfahren seines Vaters Seeräuber in der Meeresstraße von Bonifacio zwischen Korsika und Sardinien gewesen sein.

ULLA FÖLSING

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

So launig wie instruktiv erscheint Ulla Fölsing die nun als Buch vorliegende Konstanzer Antrittsvorlesung des Schweizer Wirtschaftsprofessors Franz Böni. Dass Böni das Piratentum zum Motor der Marktwirtschaft adelt, findet Fölsing in Ordnung. Schließlich weiß Böni um die Ambivalenz der Seeräuberei in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklungen und verhehlt auch ihre problematischen Seiten nicht. Wenn es dem Autor in seiner Geschichte der Piraterie im westlichen Mittelmeer gelingt, unter der Rubrik "Geldwäscherei gestern und heute" den Bogen zur Moderne zu schlagen, freut sich Fölsing zu früh. Zur Situation am Horn von Afrika steht da leider nichts.

© Perlentaucher Medien GmbH