Produktdetails
- Verlag: Knaus
- Seitenzahl: 189
- Deutsch
- Abmessung: 220mm
- Gewicht: 374g
- ISBN-13: 9783813501537
- ISBN-10: 3813501531
- Artikelnr.: 23989847
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.04.2000Verworren fundamental
Nicht alles, was aus Kärnten kommt, ist von Übel. Im Gegenteil, literarisch hat das Ländchen einen glänzenden Ruf. Robert Musil und Ingeborg Bachmann kamen von dort, um nur zwei der Besten zu nennen, und nun gesellt sich Werner Thuswaldner mit seinem Erstlingsroman zu ihnen; mehr noch, er prangert das Kärntner Gespenst, das in Europa umgeht, unmissverständlich an. Wenn er den Anführer eines rechtskonservativen Kults "beifallheischend gegen die Türken wettern" lässt, gegen "die Frauen mit den Kopftüchern" und ihre vielen Kinder, um so die Angst zu schüren, dann wird es nicht viele Leser geben, die herumrätseln müssen, wer gemeint ist. Die unsinnigen Sporttaten des Betreffenden, seine Attacken auf die "Sozialschmarotzer", auf "alle jene, die Bedürftigkeit vortäuschen, im Grunde aber ihr ganzes Geschick nur dazu nutzen, den Staat auszusaugen", vervollständigen das Porträt, das freilich auf Dutzende politischer Populisten passt. Die bestechende Formel für diese Haltung wird auch geliefert: "Verworrener abendländischer Fundamentalismus."
Der leicht groteske humoristische Ton, in dem diese Identifizierung vorgenommen wird, ist charakteristisch für das ganze Buch, er wird auf alles und jedes angewendet, zum Beispiel auf die Schweiz, personifiziert durch einen Schaffner, der "sich aufs Lächerlichste in Positur wirft" und glaubt, "bei seiner Amtshandlung auf alle Mitreisenden im Abteil Eindruck machen zu müssen", weil er meint, es werde versucht, "an den Grundfesten der schweizerischen Ordnung zu rütteln". Österreich kommt nicht besser weg, die Medien strotzen von Selbstüberschätzung, einem nebulösen Größenwahn, der die Wiener dazu verführt, ihre Stadt für den Mittelpunkt der Welt zu halten.
Schlimmer als alles ist aber der österreichische Umgang mit der Vergangenheit, bei dem ein Mythos den anderen ersetzt und jeder Unfug geglaubt werde, nur die historische Wahrheit nicht. Im Zentrum aller Verdrehungen steht der mythische Pittersberg, um den sich der von jenem Demagogen geführte rechtsradikale Kult schart, der auch außerhalb des Romans in aller Munde ist. Er hat seine eigene Geschichte, die von einer schwärmerischen Verherrlichung des Mittelalters über eine "abendländische" Chimäre bis zur gegenwärtigen Mischung aus Patriotismus und Fremdenverteufelung reicht. Die Nuancen wechseln, das Weichen von Realität und Mitverantwortung bleibt konstant. Der Ich-Erzähler erweist sich insofern als Österreicher, als er vor der erkennbaren Verstrickung seiner Familie in die unrühmliche Geschichte des Landes ängstlich zurückschreckt.
Aufgezogen ist der Bericht an dem Faden eines Feuilletons, das der Erzähler für ein Hamburger Magazin über den Pittersberg schreiben soll und das ihn in die altbekannte Not versetzt, das österreichische Wesen den Deutschen erklären zu müssen, die nicht bereit sind, in ihren südlichen Nachbarn mehr zu sehen als liebenswürdige, aber unmöglich ernst zu nehmende Clowns. Keineswegs erschöpft sich jedoch die Geschichte in dieser Thematik. Sie verdichtet sich immer wieder zu vergnüglichen Charakterbildern, den anstrengenden Frauen, die dem Familienforscher nicht ganz uneigennützig bei seinen Ermittlungen helfen, zu amüsanten Vignetten von verkrachten Grafen, Taxichauffeuren, Familienmitgliedern und anderen Nebenfiguren.
Wenn am Ende eine ökologische Katastrophe dem verlogenen faschistoiden Kult ein Ende bereitet, so ist damit nur Richtung und Rangordnung der allgemeinen Bedrohlichkeiten angedeutet, denen die Welt ausgesetzt ist. Aber das Wesentliche an dem Roman ist das nie abreißende köstliche Parlando, das nach Hofmannsthalschem Rezept die ernste Tiefe an seiner verschnörkelten Oberfläche versteckt. (Werner Thuswaldner: "Pittersberg". Roman. Albrecht Knaus Verlag, München 2000. 189 S., geb., 34,- DM.)
EGON SCHWARZ
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nicht alles, was aus Kärnten kommt, ist von Übel. Im Gegenteil, literarisch hat das Ländchen einen glänzenden Ruf. Robert Musil und Ingeborg Bachmann kamen von dort, um nur zwei der Besten zu nennen, und nun gesellt sich Werner Thuswaldner mit seinem Erstlingsroman zu ihnen; mehr noch, er prangert das Kärntner Gespenst, das in Europa umgeht, unmissverständlich an. Wenn er den Anführer eines rechtskonservativen Kults "beifallheischend gegen die Türken wettern" lässt, gegen "die Frauen mit den Kopftüchern" und ihre vielen Kinder, um so die Angst zu schüren, dann wird es nicht viele Leser geben, die herumrätseln müssen, wer gemeint ist. Die unsinnigen Sporttaten des Betreffenden, seine Attacken auf die "Sozialschmarotzer", auf "alle jene, die Bedürftigkeit vortäuschen, im Grunde aber ihr ganzes Geschick nur dazu nutzen, den Staat auszusaugen", vervollständigen das Porträt, das freilich auf Dutzende politischer Populisten passt. Die bestechende Formel für diese Haltung wird auch geliefert: "Verworrener abendländischer Fundamentalismus."
Der leicht groteske humoristische Ton, in dem diese Identifizierung vorgenommen wird, ist charakteristisch für das ganze Buch, er wird auf alles und jedes angewendet, zum Beispiel auf die Schweiz, personifiziert durch einen Schaffner, der "sich aufs Lächerlichste in Positur wirft" und glaubt, "bei seiner Amtshandlung auf alle Mitreisenden im Abteil Eindruck machen zu müssen", weil er meint, es werde versucht, "an den Grundfesten der schweizerischen Ordnung zu rütteln". Österreich kommt nicht besser weg, die Medien strotzen von Selbstüberschätzung, einem nebulösen Größenwahn, der die Wiener dazu verführt, ihre Stadt für den Mittelpunkt der Welt zu halten.
Schlimmer als alles ist aber der österreichische Umgang mit der Vergangenheit, bei dem ein Mythos den anderen ersetzt und jeder Unfug geglaubt werde, nur die historische Wahrheit nicht. Im Zentrum aller Verdrehungen steht der mythische Pittersberg, um den sich der von jenem Demagogen geführte rechtsradikale Kult schart, der auch außerhalb des Romans in aller Munde ist. Er hat seine eigene Geschichte, die von einer schwärmerischen Verherrlichung des Mittelalters über eine "abendländische" Chimäre bis zur gegenwärtigen Mischung aus Patriotismus und Fremdenverteufelung reicht. Die Nuancen wechseln, das Weichen von Realität und Mitverantwortung bleibt konstant. Der Ich-Erzähler erweist sich insofern als Österreicher, als er vor der erkennbaren Verstrickung seiner Familie in die unrühmliche Geschichte des Landes ängstlich zurückschreckt.
Aufgezogen ist der Bericht an dem Faden eines Feuilletons, das der Erzähler für ein Hamburger Magazin über den Pittersberg schreiben soll und das ihn in die altbekannte Not versetzt, das österreichische Wesen den Deutschen erklären zu müssen, die nicht bereit sind, in ihren südlichen Nachbarn mehr zu sehen als liebenswürdige, aber unmöglich ernst zu nehmende Clowns. Keineswegs erschöpft sich jedoch die Geschichte in dieser Thematik. Sie verdichtet sich immer wieder zu vergnüglichen Charakterbildern, den anstrengenden Frauen, die dem Familienforscher nicht ganz uneigennützig bei seinen Ermittlungen helfen, zu amüsanten Vignetten von verkrachten Grafen, Taxichauffeuren, Familienmitgliedern und anderen Nebenfiguren.
Wenn am Ende eine ökologische Katastrophe dem verlogenen faschistoiden Kult ein Ende bereitet, so ist damit nur Richtung und Rangordnung der allgemeinen Bedrohlichkeiten angedeutet, denen die Welt ausgesetzt ist. Aber das Wesentliche an dem Roman ist das nie abreißende köstliche Parlando, das nach Hofmannsthalschem Rezept die ernste Tiefe an seiner verschnörkelten Oberfläche versteckt. (Werner Thuswaldner: "Pittersberg". Roman. Albrecht Knaus Verlag, München 2000. 189 S., geb., 34,- DM.)
EGON SCHWARZ
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Egon Schwarz scheut sich nicht, den Autor in die Nähe von Robert Musil und Ingeborg Bachmann zu stellen - und dies offensichtlich nicht nur, weil er ebenfalls aus Kärnten kommt. Dabei ist das, was Schwarz am meisten an Thuswaldners Roman schätzt, das "nie abreißende köstliche Parlando". Nach Schwarz nimmt der Autor so ziemlich alles aufs Korn, was sich ihm bietet: die Schweizer, die die schweizerische Ordnung verteidigen, die größenwahnsinnigen Österreicher und natürlich - in verklausulierter Form - Rechtspopulist Jörg Haider. Sein Roman wimmele von "vergnüglichen Charakterbildern", für die der Rezensent amüsiert einige Beispiel aufzählt. Trotzdem erinnert Thuswaldner ihn bisweilen an Hofmannsthal, wenn er die "ernste Tiefe an seiner verschnörkelten Oberfläche versteckt".
© Perlentaucher Medien GmbH"
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