In his new work, Michel Houellebecq combines erotic provocation with a terrifying vision of a world teetering between satiety and fanaticism, to create one of the most shocking, hypnotic, and intelligent novels in years. In his early forties, Michel Renault skims through his days with as little human contact as possible. But following his father's death he takes a group holiday to Thailand where he meets a travel agent—the shyly compelling Valérie—who begins to bring this half-dead man to life with sex of escalating intensity and audacity. Arcing with dreamlike swiftness from Paris to Pattaya Beach and from sex clubs to a terrorist massacre, Platform is a brilliant, apocalyptic masterpiece by a man who is widely regarded as one of the world's most original and daring writers.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2002Die unendliche Müdigkeit des Erfolgsschriftstellers
Michel Houellebecq liest im Bockenheimer Depot aus seinem neuen Roman "Plattform"
Er wird doch nicht gleich einschlafen. Seine Antworten sind einer unendlichen Müdigkeit abgerungen und versickern irgendwo im Unhörbaren. Spricht der Mann in Trance? Oder ist er, der bekennende Trinker, schon narkotisiert? Am Ende einfach nur gelangweilt vom immergleichen Ritual auf dieser Lesereise durch Deutschland? Vorne auf der Bühne werden jedenfalls nur voluminöse Mineralwasserflaschen aufgeschraubt. Und der kleine Mann mit dem notorisch weit aufgeknöpften karierten Hemd geizt nicht mit Komplimenten für das Land, in dessen großen Städten er stets das Publikum in Scharen anzieht. Aber auch wenn der Kettenraucher etwas Freundliches sagt, klingt es nach einer Gemeinheit. Offensichtliche Bosheiten spricht er ohnehin genügend aus. In seinen Büchern. Und in Interviews. Meistens so nebenhin. Dann bekommt er auch schon einmal einen Prozeß an den Hals, so wie vom Mufti von Paris wegen Beleidigung einer Religionsgemeinschaft. Der Islam sei "die bescheuertste Religion", hatte der Erfolgsschriftsteller gesagt. In Frankfurt kommt es nicht zu derart justitiablen Äußerungen.
Der trüb beleuchtete Theaterraum mit seiner frühindustriellen Werkhallen-Anmutung ist überfüllt. Etliche Fans des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq mußten draußen bleiben. Sie versäumen einen Parforce-Ritt durch den neuen Roman des politisch unkorrekten und schon allein deshalb von einem breiten intellektuellen Publikum verehrten Autors. Dessen Übersetzer Uli Wittmann trägt mehrere Passagen aus "Plattform" vor, Houellebecq mit monotoner, auch für des Französischen Mächtige schwer zu verstehender Stimme ein paar andere in Originalsprache.
Im Bockenheimer Depot zu Frankfurt am Main, der Spielstätte des TAT, läuft eine Inszenierung ab, der man Perfektion nicht absprechen kann. Mehrfach werden auch die Besucher gebeten, sich entsprechend zu verhalten. Nachher, wenn der Franzose seine Bücher signiert. Bitte alle brav in die Reihe stellen. Keine Menschentraube bilden. Michel verträgt das nicht. Darauf weist der Übersetzer hin. Er ist es auch, der Houellebecq nach der Lesung Fragen stellt, deren dahingenuschelte Erwiderungen Ruthard Stäblein vom Hessischen Rundfunk recht und schlecht übersetzt. Auch aus der Menge werden ein paar Fragen zugelasssen. Doch der Autor hat nicht viel mitzuteilen. Der Tod scheine eine wichtige Rolle in allen seinen Büchern zu spielen, erkennt eine Dame, woraufhin der Autor lakonisch aus seiner schriftstellerischen Praxis berichtet, er müsse seine Figuren töten, weil er sonst nichts mehr mit ihnen anzufangen wisse. Kann er sich vorstellen, in Thailand zu leben, wo ein Großteil des neuen Werks angesiedelt ist? Kann er, nur sei sein Hund an die nordeuropäische Kälte gewöhnt. Aber die Thais seien schon sehr tierlieb. Ende der Veranstaltung. Hin zum Büchertisch. Gesittet, wie angemahnt, stellen sich die Leser an, um die Unterschrift des Autors zu ergattern.
Houellebecqs Thema ist die sexuelle Frustration der Westeuropäer. Womöglich liegt darin das Geheimnis seines Erfolgs. In Frankreich, vor allem aber auch in Deutschland. In "Plattform" läßt er seinen Titelhelden Michel eine Reise nach Fernost unternehmen, wo dieser sich mit ungebrochener Selbstverständlichkeit als Sextourist betätigt. Er lernt eine Französin namens Valérie kennen, mit der er im zweiten Teil des Romans eine Liebesbeziehung eingeht. Der Plan wird geschmiedet, mit Sextourismus als Pauschalangebot ein Vermögen zu verdienen, indem man dem Westen die Befriedigung gibt, die er braucht und bei seinesgleichen offensichtlich nicht mehr findet, und dem Süden das Geld, das er dringend nötig hat.
Die Verherrlichung der Prostitution in den armen Regionen des Planeten war Grund genug, um nach Erscheinen des Buchs die absatzfördernde Maschinerie der Empörung in Gang zu setzen. Der literarische Skandal, den ein paar Thesen und Themen provozieren, gehört zum Phänomen Houellebecq seit dem 1998 herausgekommenen Roman "Elementarteilchen". Auch in Frankfurt hat das gebildete Publikum durch seine Fragen freilich verraten, daß es bereit ist, hinter den Provokationen tieferen Sinn und höhere Bedeutung zu entdecken. Nach dem Schema: Die drastische Beschreibung der Verhältnisse ist als deren Kritik zu begreifen. Der Autor zeigt sich an sittlichem Ernst und weitreichenden Erörterungen seines Wollens und Strebens an diesem Abend allerdings ebensowenig wie sonst interessiert. Ob er einem großen Reiseveranstalter tatsächlich ein Sextourismus-Konzept anbieten würde, wie es Michel im Roman tut? Mit den Deutschen ließe sich das vielleicht realisieren, meint der Schriftsteller, mit den Amerikanern allerdings nicht. So geht es müde hin und her. Hatte man nicht wenigstens einen Funken Esprit erwartet? Nicht wirklich.
MICHAEL HIERHOLZER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michel Houellebecq liest im Bockenheimer Depot aus seinem neuen Roman "Plattform"
Er wird doch nicht gleich einschlafen. Seine Antworten sind einer unendlichen Müdigkeit abgerungen und versickern irgendwo im Unhörbaren. Spricht der Mann in Trance? Oder ist er, der bekennende Trinker, schon narkotisiert? Am Ende einfach nur gelangweilt vom immergleichen Ritual auf dieser Lesereise durch Deutschland? Vorne auf der Bühne werden jedenfalls nur voluminöse Mineralwasserflaschen aufgeschraubt. Und der kleine Mann mit dem notorisch weit aufgeknöpften karierten Hemd geizt nicht mit Komplimenten für das Land, in dessen großen Städten er stets das Publikum in Scharen anzieht. Aber auch wenn der Kettenraucher etwas Freundliches sagt, klingt es nach einer Gemeinheit. Offensichtliche Bosheiten spricht er ohnehin genügend aus. In seinen Büchern. Und in Interviews. Meistens so nebenhin. Dann bekommt er auch schon einmal einen Prozeß an den Hals, so wie vom Mufti von Paris wegen Beleidigung einer Religionsgemeinschaft. Der Islam sei "die bescheuertste Religion", hatte der Erfolgsschriftsteller gesagt. In Frankfurt kommt es nicht zu derart justitiablen Äußerungen.
Der trüb beleuchtete Theaterraum mit seiner frühindustriellen Werkhallen-Anmutung ist überfüllt. Etliche Fans des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq mußten draußen bleiben. Sie versäumen einen Parforce-Ritt durch den neuen Roman des politisch unkorrekten und schon allein deshalb von einem breiten intellektuellen Publikum verehrten Autors. Dessen Übersetzer Uli Wittmann trägt mehrere Passagen aus "Plattform" vor, Houellebecq mit monotoner, auch für des Französischen Mächtige schwer zu verstehender Stimme ein paar andere in Originalsprache.
Im Bockenheimer Depot zu Frankfurt am Main, der Spielstätte des TAT, läuft eine Inszenierung ab, der man Perfektion nicht absprechen kann. Mehrfach werden auch die Besucher gebeten, sich entsprechend zu verhalten. Nachher, wenn der Franzose seine Bücher signiert. Bitte alle brav in die Reihe stellen. Keine Menschentraube bilden. Michel verträgt das nicht. Darauf weist der Übersetzer hin. Er ist es auch, der Houellebecq nach der Lesung Fragen stellt, deren dahingenuschelte Erwiderungen Ruthard Stäblein vom Hessischen Rundfunk recht und schlecht übersetzt. Auch aus der Menge werden ein paar Fragen zugelasssen. Doch der Autor hat nicht viel mitzuteilen. Der Tod scheine eine wichtige Rolle in allen seinen Büchern zu spielen, erkennt eine Dame, woraufhin der Autor lakonisch aus seiner schriftstellerischen Praxis berichtet, er müsse seine Figuren töten, weil er sonst nichts mehr mit ihnen anzufangen wisse. Kann er sich vorstellen, in Thailand zu leben, wo ein Großteil des neuen Werks angesiedelt ist? Kann er, nur sei sein Hund an die nordeuropäische Kälte gewöhnt. Aber die Thais seien schon sehr tierlieb. Ende der Veranstaltung. Hin zum Büchertisch. Gesittet, wie angemahnt, stellen sich die Leser an, um die Unterschrift des Autors zu ergattern.
Houellebecqs Thema ist die sexuelle Frustration der Westeuropäer. Womöglich liegt darin das Geheimnis seines Erfolgs. In Frankreich, vor allem aber auch in Deutschland. In "Plattform" läßt er seinen Titelhelden Michel eine Reise nach Fernost unternehmen, wo dieser sich mit ungebrochener Selbstverständlichkeit als Sextourist betätigt. Er lernt eine Französin namens Valérie kennen, mit der er im zweiten Teil des Romans eine Liebesbeziehung eingeht. Der Plan wird geschmiedet, mit Sextourismus als Pauschalangebot ein Vermögen zu verdienen, indem man dem Westen die Befriedigung gibt, die er braucht und bei seinesgleichen offensichtlich nicht mehr findet, und dem Süden das Geld, das er dringend nötig hat.
Die Verherrlichung der Prostitution in den armen Regionen des Planeten war Grund genug, um nach Erscheinen des Buchs die absatzfördernde Maschinerie der Empörung in Gang zu setzen. Der literarische Skandal, den ein paar Thesen und Themen provozieren, gehört zum Phänomen Houellebecq seit dem 1998 herausgekommenen Roman "Elementarteilchen". Auch in Frankfurt hat das gebildete Publikum durch seine Fragen freilich verraten, daß es bereit ist, hinter den Provokationen tieferen Sinn und höhere Bedeutung zu entdecken. Nach dem Schema: Die drastische Beschreibung der Verhältnisse ist als deren Kritik zu begreifen. Der Autor zeigt sich an sittlichem Ernst und weitreichenden Erörterungen seines Wollens und Strebens an diesem Abend allerdings ebensowenig wie sonst interessiert. Ob er einem großen Reiseveranstalter tatsächlich ein Sextourismus-Konzept anbieten würde, wie es Michel im Roman tut? Mit den Deutschen ließe sich das vielleicht realisieren, meint der Schriftsteller, mit den Amerikanern allerdings nicht. So geht es müde hin und her. Hatte man nicht wenigstens einen Funken Esprit erwartet? Nicht wirklich.
MICHAEL HIERHOLZER
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