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Diese Geschichte des Wissenstransfers beginnt im 7. Jahrhundert v. Chr. in Ionien an der kleinasiatischen Küste. Naturphilosophen wie Thales von Milet erforschen hier Himmel und Erde. Auf Milet folgen Athen, Alexandria, Rom und Byzanz als Zentren der Wissenschaft. Doch zu Beginn des Mittelalters geht dieses Wissen in Europa verloren. Aufbewahrt wird es in der arabischen Welt: Über das abbasidische Bagdad, das fatimidische Kairo und das omayyadische Damaskus folgt Freely arabischsprachigen Gelehrten, Ärzten und Mathematikern nach Andalusien. Muslime, nestorianische Christen, Juden und Sabier…mehr

Produktbeschreibung
Diese Geschichte des Wissenstransfers beginnt im 7. Jahrhundert v. Chr. in Ionien an der kleinasiatischen Küste. Naturphilosophen wie Thales von Milet erforschen hier Himmel und Erde. Auf Milet folgen Athen, Alexandria, Rom und Byzanz als Zentren der Wissenschaft. Doch zu Beginn des Mittelalters geht dieses Wissen in Europa verloren. Aufbewahrt wird es in der arabischen Welt: Über das abbasidische Bagdad, das fatimidische Kairo und das omayyadische Damaskus folgt Freely arabischsprachigen Gelehrten, Ärzten und Mathematikern nach Andalusien. Muslime, nestorianische Christen, Juden und Sabier bringen das verlorene Wissen im Zuge der Expansion des Islams zurück nach Europa und liefern dem Westen damit die Voraussetzung für das neue wissenschaftliche Weltbild, das in den neuen Zentren der Wissenschaft wie Paris und Oxford entsteht.

Eine faszinierende Reise durch die Zeit zwischen Ost und West
Was Europa der islamischen Welt verdankt
Eine Gegenerzählung zum »clash ofcivilisations« und der angeblichen Wissenschaftsfeindlichkeit des Islam.
Autorenporträt
John Freely, geboren 1926 in Brooklyn, lebt und unterrichtet in Istanbul an der Bosphorus-Universität Physik und Wissenschaftsgeschichte. Er schrieb zahlreiche Reisebücher und historische Sachbücher über Venedig, Athen, Griechenland, die Türkei und das Osmanische Reich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Durchwachsen findet Stefan Weidner diese Geschichte der Naturwissenschaften von John Freely. Im Unterschied zu Freelys Istanbul-Reiseführer liest sich das vorliegendes Werk seines Erachtens "recht trocken". Auch hält er den Titel für etwas irreführend, da die arabische und islamische Wissenschaftsgeschichte keineswegs einen Schwerpunkt des Werks bilden. Wer sich also für die Wissenschaften im arabischen Mittelalter interessiert, dürfte nach Ansicht Weidners hier enttäuscht werden. Überzeugender scheint ihm die umsichtige Darstellung der Überlieferungsgeschichte des Wissens aus der Antike.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2012

Als Aladins Lampe zu leuchten begann

In Bagdad explodierten einst keine Bomben, sondern das Wissen der Welt: John Freely zeigt in einem glänzenden Buch, wie die Gelehrsamkeit der Antike über den Orient nach Europa wanderte.

Der deutsche Titel "Platon in Bagdad" ist griffig gewählt, führt aber doch ein wenig in die Irre. Denn von Platon und der griechischen Philosophie ist zwar durchaus die Rede, viel mehr jedoch von der griechischen, ja antiken Wissenschaft, von Wissenskultur überhaupt, die über den "Orient" wieder zurück nach Europa fand. "Wie das Wissen der Antike nach Europa kam" ist denn auch der Untertitel dieses Werks, das im englischen Original poetischer "Aladdin's Lamp" hieß. Da mochte man vielleicht an orientalische Märchen denken; doch von solchen handelt das Buch ganz und gar nicht.

Der Autor John Freely, ein 1926 geborener Amerikaner, ist kein Unbekannter. Wer die Türkei oder angrenzende Regionen bereist, wird irgendwann einmal auf seinen Namen stoßen und eines seiner Bücher zur Hand nehmen. Dazu gehören nicht nur Reiseführer, sondern - im besten Sinne - populärwissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der Geschichte der Seldschuken, Osmanen und Türken, der Griechen wie der Levante insgesamt beschäftigen. Freely lebt seit vielen Jahrzehnten am Bosporus, und an der dortigen Bogaziçi-Universität zu Istanbul lehrte er Physik und Wissenschaftsgeschichte, vor allem bezogen auf die Naturwissenschaften. Sie stehen denn auch eindeutig im Mittelpunkt dieses faszinierenden Werkes, insbesondere die Physik, die Astronomie und die Mathematik, freilich in enger Anlehnung an philosophische Lehren.

Dass die Muslime einen großen Teil des antiken Wissens an Europa weitergegeben haben, ist nicht neu. Gelehrte Studien (etwa von Moritz Steinschneider oder Franz Rosenthal), die freilich ihren Weg selten aus den Elfenbeintürmen der Fachwissenschaft in die Öffentlichkeit fanden, haben davon gehandelt; einem Autor wie Freely gelingt es hingegen, fast spielerisch mit dem enorm komplexen Thema umzugehen und den Leser zudem stilistisch so zu fesseln, dass er auch manche Verständnisschwierigkeiten bei den wissenschaftlichen Theorien mutig angeht. Wissenschaftsgeschichte wird, mit all ihren Nebenzweigen, zu einer überaus spannenden Kulturgeschichte.

Es ist dem Autor hoch anzurechnen, dass er die ersten Kapitel ausführlich dem frühen und klassischen Griechentum sowie dem Hellenismus widmet. In einer Zeit nachlassender humanistischer Bildung kann man nicht mehr voraussetzen, dass die ionischen Naturphilosophen, die - beginnend mit Thales von Milet - als Erste die Frage nach der "arche", dem Ursprung aller Dinge, stellten, dass Heraklit, Platon und Aristoteles, Pythagoras und Euklid, Ptolemaios und Archimedes, gar Erathostenes, Eudoxos von Knidos und Aristarch von Samos als Allgemeinwissen noch präsent sind.

Nach der "griechischen Schule" widmet sich Freely Alexandria, jener zweitgrößten Stadt der Antike, die in hellenistischer und römischer, später dann frühchristlicher Zeit nicht nur den ungemein anregenden Neuplatonismus von Ammonios Sakkas und Plotin hervorbrachte, sondern das gesammelte Wissen der Griechen in den Naturwissenschaften und der Technik in ihren Mauern pflegte. Symbol dafür wurde die berühmte alexandrinische Bibliothek. Alexandria war kurz vor und kurz nach der Geburt Christi ein Wissens-Biotop erster Güte, Hort auch zahlreicher Weltanschauungen, Religionen und synkretistischer orientalischer Kulte. Das griechische Wissen wanderte nach Rom, Konstantinopel und Gondischapur, das heißt in den Einflussbereich der persischen Sassaniden. Dort hüteten vor allem die Nestorianer das medizinische Wissen der Antike und gaben es in Gestalt bekannter Gelehrter - so der berühmten Arztfamilie der Buchtischu, über die der arabische Historiker Ibn Abi Usaybia berichtet - an den jungen Islam weiter.

Das vom Kalifen al Mamun in Bagdad gegründete Bait al Hikma oder Haus des Wissens, in dem große Teile der griechischen Philosophie und Naturwissenschaft systematisch ins Arabische übertragen wurden, löste eine Wissensexplosion aus, die Freely völlig zu Recht als islamische Renaissance bezeichnet, denn nur die Renaissance der platonischen Philosophie sowie die Wissensexplosion im Florenz der Medici und in anderen italienischen Städten lassen sich mit diesem intellektuellen Boom vergleichen. In Damaskus und Kairo (unter den glanzvollen Fatimiden), in Andalusien unter den dorthin geflüchteten Omajjaden und noch danach erblühten die antike Philosophie und Wissenschaft zu neuem Glanz. In Kairo etwa errang sich Ibn al Haitham als Optiker einen Ruf, der dem eines Christiaan Huygens ebenbürtig ist. Der lebte jedoch ein halbes Jahrtausend später. Mathematiker wie al Chwarizmi, Astronomen wie al Farghani, Universalgelehrte wie al Biruni und viele andere ergänzten und verbesserten Theorien der Antike durch empirische Forschung.

Toledo, Palermo, Salerno (für die Medizin), aber teilweise auch Byzanz - wo der Philosoph Gemistos Plethon das Erbe Platons pflegte - wurden durch ihre Übersetzerschulen (meistens vom Arabischen ins Lateinische) die Keimzellen jener Wissensexplosion, die dann ihrerseits alsbald im Abendland einsetzte: in Paris, wo sich im dreizehnten Jahrhundert, neben dem auf den andalusischen Philosophen Ibn Ruschd zurückgehenden Averroismus, der Aristotelismus allmählich durchsetzte, sowie in Oxford, das stärker die Naturforschung in den Mittelpunkt rückte. Später kam dann Bologna hinzu. Detailliert zeichnet Freely den Kampf der Theoretiker zwischen dem heliozentrischen und dem geozentrischen Weltbild nach, die beide aus der griechischen Antike und dem Hellenismus überkommen waren; Kopernikus und Kepler waren als Pioniere des heliozentrischen Weltbildes vollkommen mit der Literatur ihrer antiken und muslimischen Vorgänger vertraut.

Hilfreich sind die vielen Abbildungen zu Themen der Mathematik und Astronomie; sie helfen etwa zu verstehen, warum die antiken und arabischen Astronomen Epizykeln zu Hilfe nahmen, um die scheinbare Rückläufigkeit der Planetenbewegungen zu erklären. Deutlich wird jedoch vor allem, dass der "Geist weht, wo er will", und dass Segregationen das Wissen der Menschen nicht gefördert haben. Dies illustriert auch die "lange Abenddämmerung" der islamischen Wissenschaften bis zum Anbruch der Moderne. Im Jahre 1991 wurde in der türkischen Stadt Urfa (früher Edessa) die Harran-Universität gegründet, deren Name auf die nahegelegene Stadt Harran anspielt, jenes obermesopotamische Zentrum der Sabier, die maßgeblich an den Übersetzungen aus dem Griechischen über das Syrisch-Aramäische ins Arabische im Bagdader Bait al Hikma beteiligt waren. Freelys Bogaziçi-Universität arbeitet mit der Hochschule von Harran eng zusammen. Diese akademische Lehranstalt erinnert an jene Zeiten, da, wie Ernst Bloch es einmal ausdrückte, "im Morgenland ein helleres Licht brannte als in Frankistan".

WOLFGANG GÜNTER LERCH.

John Freely: "Platon in Bagdad". Wie das Wissen der Antike zurück nach Europa kam.

Aus dem Englischen von Ina Pfitzner. Klett-Cotta Verlag Stuttgart 2012. 388 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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