Die jeden persönlich betreffende Frage nach der Unsterblichkeit der Seele scheint den meisten philosophischen Ansätzen außerhalb des Bereichs sicheren Wissens zu liegen. So scheint auch für den platonischen Dialog 'Phaidon' lediglich der negative Befund gesichert, dass die in ihm geführten Unsterblichkeitsbeweise aus Gründen logischer und prinzipieller Unzulänglichkeiten scheitern.Nicht hinreichend berücksichtigt ist in fast allen modernen Interpretationen bislang jedoch der bereits in der Spätantike entwickelte Ansatz einer ,funktionalen Abhängigkeit' dieser Beweise, demzufolge die entscheidende Erkenntnisleistung erst durch mehrere notwendig aufeinanderfolgende Teilschritte erbracht werden kann.Diese textnahe Interpretation legt dar, wie das Beweisverfahren im 'Phaidon' schrittweise und methodisch kontrolliert einen immer konkreteren Begriff der Seele entwickelt. Im Sinne einer Gesamtinterpretation wird zudem gezeigt, wie auch alle weiteren Partien des Dialogs einen systematischen Beitrag zur Erkenntnis des Wesens der Seele liefern.