Seit Juni 2005 steht die Europäische Union (EU) an einer ihrer vielleicht markantesten und zugleich ungewissen Stelle ihrer Integrationsgeschichte: Nachdem die Erweiterung um zehn ost- und südeuropäische Staaten im Mai 2004 erfolgreich vollzogen wurde, votierte ein Jahr später die Mehrheit der französischen und anschließend der niederländischen Bevölkerung in Referenden gegen den „Vertrag zur Einführung einer Europäischen Verfassung“, der die von allen Seiten geforderte Reform des obsoleten Institutionengefüges vorsieht. Trotz jahrelanger Vorbereitung durch einen erstmals eingesetzten Konvent im Jahre 2002 und trotz intensiver Verhandlungen auf der folgenden Regierungskonferenz können Referenden, die wohl eine besondere Öffentlichkeit genießen und zuletzt die Gegner von Globalisierung, Europäisierung und auch Islamisierung auf den Plan gerufen haben, zum Stolperstein für die europäische Integration werden. Schon Jahre zuvor hatten die negativen Referenden zum Vertrag von Maastricht in Dänemark (1992) und zum Vertrag von Nizza in Irland (2001) große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen, während die parlamentarischen Ratifikationsprozesse bislang ausnahmslos erfolgreich und unspektakulär verliefen. Umso erstaunlicher war deshalb die Ankündigung von insgesamt zehn Regierungen, die Verfassung per Referendum ratifizieren zu wollen.