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Jahrzehntelang war die Pianistin Jutta Hipp in der internationalen Jazzszene in Vergessenheit geraten. Dabei wurde sie, 1925 in Leipzig geboren und aufgewachsen, nach erfolgreich absolviertem Kunststudium zum Shooting Star im westlichen Nachkriegsdeutschland und war eine Ausnahmeerscheinung in der männerdominierten Welt des Jazz. Als "Europe's First Lady of Jazz" gelang ihr der Sprung über den großen Teich. Sie eroberte die New Yorker Jazzszene und spielte mit den Jazzgrößen ihrer Zeit. Der große Durchbruch erfolgte mit ihren Einspielungen bei der renommierten Plattenfirma Blue Note Records…mehr

Produktbeschreibung
Jahrzehntelang war die Pianistin Jutta Hipp in der internationalen Jazzszene in Vergessenheit geraten. Dabei wurde sie, 1925 in Leipzig geboren und aufgewachsen, nach erfolgreich absolviertem Kunststudium zum Shooting Star im westlichen Nachkriegsdeutschland und war eine Ausnahmeerscheinung in der männerdominierten Welt des Jazz. Als "Europe's First Lady of Jazz" gelang ihr der Sprung über den großen Teich. Sie eroberte die New Yorker Jazzszene und spielte mit den Jazzgrößen ihrer Zeit. Der große Durchbruch erfolgte mit ihren Einspielungen bei der renommierten Plattenfirma Blue Note Records als erste weiße und deutsche Jazzpianistin zwischen ausschließlich afroamerikanischen Kollegen wie Miles Davis, Thelonious Monk, Horace Silver und vielen anderen. Auf dem Zenit ihres Erfolgs beendete sie abrupt ihre Karriere und tauschte das Klavier gegen eine Nähmaschine. Nach Deutschland kehrte sie allerdings nicht wieder zurück.Plötzlich Hip(p) ist eine ungewöhnliche Biografie, eine Annäherung an die Persönlichkeit und vielseitige Künstlerin Jutta Hipp, eingebettet in die gesellschaftlichen und kulturpolitischen Geschehnisse ihrer Zeit.
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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Kritiker Helmut Böttiger schwelgt gerne mit Ilona Haberkamp in Erinnerungen, die die Jazz-Musikerin Jutta Hipp und ihr Leben dem Vergessen entreißen wollen. Böttiger listet zunächst die wichtigsten Stationen ihres Lebens auf: Jazz-Szene in Leipzig in den Vierzigern, Flucht nach Westdeutschland, sie bekommt ein Kind von einem schwarzen GI, das sie zur Adoption freigibt, bis ihre Karriere Aufschwung nimmt, sie 1954 in die USA emigriert und nach Anfangserfolgen schnell in Vergessen gerät und 2003 alleine stirbt. Dass sie letztlich den Durchbruch nicht geschafft hat, lernt der Rezensent, liegt für Haberkamp vor allem an den patriarchalen Zuständen des Jazz, Hipp hat wohl auch sexuelle Übergriffe erlebt. Wäre die Emanzipation damals schon so weit vorangeschritten wie heute, hätte die Musikerin sicher mehr Möglichkeiten zum Erfolg gehabt, resümiert Böttiger seine Lektüre, deren Erkenntnisreichtum er der Autorin hoch anrechnet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2023

Haltlos in New York

FRANKFURT Die Pianistin Jutta Hipp kam ursprünglich aus Leipzig, befeuerte den eher coolen "Frankfurt Sound" des Jazz, war eine Sensation in Amerika und verschwand urplötzlich aus der Szene: Eine musikalische Spurensuche.

Von Wolfgang Sandner

Es ist die Geschichte eines Scheiterns, das nicht hätte sein müssen. Oder war es zwangsläufig? Von Jutta Hipp sprach man einst nur in Superlativen. Sie war nach dem Krieg die erste deutsche Jazzmusikerin, die in Amerika Aufsehen erregte, bis sie auf unerklärliche Weise wieder von der Bildfläche verschwand. Selbst Musiker wie Albert Mangelsdorff, Hans Koller oder Joki Freund, die in den frühen Fünfzigerjahren mit ihr auf der Bühne des Jazzkellers standen oder beim Deutschen Jazzfestival - damals noch im legendären Frankfurter Althoff-Bau - in höchsten Tönen vom Zusammenspiel mit der Pianistin schwärmten, konnten es nicht fassen.

Die beginnende Weltkarriere der hochbegabten, vollkommen auf Jazzkunst fixierten Musikerin war in New York so abrupt zu Ende gegangen, wie sie begonnen hatte. Vom Ausstieg aus der unbarmherzigen Hochdruckkammer der Jazzmetropole und vom bescheidenen zweiten Leben als Zuschneiderin in einer Fabrik im Stadtteil Queens hatte man gelegentlich auch in ihrer alten Heimat etwas vernommen. Von der Besinnung auf ihre andere Leidenschaft, die bildende Kunst, war gelegentlich ebenfalls die Rede gewesen. Auf die Gründe für die aberwitzig schwankenden Lebenslinien von Europas "First Lady in Jazz" aber konnte man sich keinen Reim machen; bis Jutta Hipp allmählich in Vergessenheit geriet, allenfalls noch ein Fußnotendasein im europäischen Nachkriegsjazz fristete.

Das Rätsel um ihren abrupten Karriereknick hat Kollegen, den Klarinettisten Rolf Kühn etwa oder die Pianistin Julia Hülsmann, dazu angeregt, sich intensiver mit der Musik von Jutta Hipp zu befassen. Die Saxophonistin Ilona Haberkamp ging noch weiter, begab sich schon Mitte der Achtzigerjahre auf die Suche nach Indizien für die merkwürdigen Kapriolen dieser Künstler-Vita, analysierte und transkribierte die Musik, verarbeitete ihre Erkenntnisse mit ihrer Band in der Hommage "Cool is Hipp is Cool" bei Laika Records, befragte Jazzmusiker und Zeitzeugen und reiste schließlich 1986 nach New York, um in langen Gesprächen mit der einst so erfolgreichen Pianistin "Jazzgeschichte aus einer spezifisch weiblichen und ganz persönlichen Sicht" zu erleben.

Das Ergebnis ihrer jahrzehntelangen Beschäftigung hat Ilona Haberkamp vor einiger Zeit unter dem Titel "Plötzlich Hip(p) - Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und Kunst" im Wolke Verlag in Hofheim veröffentlicht. Es ist eine erstaunliche, gut lesbare und ästhetische Urteile nicht aussparende Biographie, die auf kluge Weise gesellschaftliche und kulturpolitische Geschehnisse einbezieht. Dabei bestätigen die vielen Bilddokumente und Reproduktionen ihrer Zeichnungen und Karikaturen, was für eine scharf beobachtende, witzige Chronistin des Jazz Jutta Hipp schon in Europa, wo sie an der Kunstakademie in Leipzig studiert hatte, dann aber auch in Amerika gewesen ist.

Dort war der Boden für die "beste europäische Jazzpianistin" durch erfolgreiche Aufnahmen mit Hans Koller und Albert Mangelsdorff schon bereitet, als sie 1955 auf Einladung und mit Vertrag des mächtigen Produzenten und Autors Leonard Feather dann endgültig in die Vereinigten Staaten übersiedelte. Es war ein Start, wie ihn eine Jazzmusikerin vom Alten Kontinent eigentlich nicht idealer hätte vorfinden können: garantierte, gut dotierte Auftritte in renommierten Jazzclubs, Plattenvertrag beim Label Blue Note, auf dem sie als erste weiße Frau und Europäerin neben afroamerikanischen Stars wie Miles Davis, Bud Powell, Horace Silver, Thelonious Monk zu hören ist, Artikel in Jazzorganen wie dem "Downbeat", Einladungen in die populäre Talkshow von Steve Allen und zum legendären Newport Festival, Zusammenarbeit mit Jazzgrößen wie dem Tenorsaxophonisten Zoot Sims, den sie noch von gemeinsamen Auftritten im Frankfurter Jazzkeller kannte. Und doch war es zugleich ein mit Fallstricken nur so übersätes Terrain, auf dem eine junge, attraktive, auf Kunst und nicht auf Show konzentrierte, dabei kulturpolitisch gänzlich unerfahrene Jazzmusikerin nur scheitern konnte.

Die schüchterne, von Lampenfieber geplagte, keineswegs zur Selbstdarstellung neigende Jutta Hipp kommt mit den versteckten und offenen Anfeindungen von Musikern wie Art Blakey nicht zurecht, die ihr vorwerfen, die Jobs der Schwarzen zu stehlen. Miles Davis attackiert sie wegen ihrer Karikaturen ebenso wie ihr Agent Joe Glaser, die - ohne Kunstgespür und völlig humorlos - sie offenbar als Beleidigung empfinden. Jutta Hipp fühlt sich allmählich als künstlerisches Kuckucksei in der schwarzen Jazzszene. Bei ihrem halbjährigen Gastspiel im Hickory House, einem zwar angesehenen, aber mehr für Entertainment geeigneten Speiselokal mit Jazzuntermalung, wirft man ihr mangelndes Showtalent und falsches Repertoire vor. Schließlich kommt es zum Bruch mit Leonard Feather, der ihr einen unangemessenen musikalischen Stilwandel unter dem Einfluss Horace Silvers vorwirft, tatsächlich aber - ein Klassiker im männlich dominierten Showgeschäft - mit seinen Annäherungsversuchen bei ihr gescheitert war und nun mit Gunstentzug zurückschlägt.

Jutta Hipp desertiert nach nur fünf Jahren 1960, im Alter von 35 Jahren, aus der harten Jazzrealität Amerikas, findet Befriedigung in ihrer Kunst, die sie auch mit bescheidenem Erfolg in Galerien weiter pflegt, und lebt zurückgezogen in Queens. Am 7. April 2003 stirbt sie, mehr als 40 Jahre nach dem Ende ihrer Musikerkarriere, die so vielversprechend begonnen hatte. Ilona Haberkamp gelingt mit ihrem Buch eine faktenreiche, sinnliche Hommage an diese mutige Frau. Dass Jutta Hipp nicht stark genug gewesen sei, um sich durchzusetzen, sollte man ihr nicht vorwerfen. Der Preis wäre für sie zu hoch gewesen.

Ilona Haberkamp, "Plötzlich Hip(p) - Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und Kunst", Wolke Verlag.

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