Reinhard Jirgl (1953) ist einer der wichtigsten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur, dessen Werk in der Spätphase der DDR nicht publiziert werden konnte. Mit seinem eigenwilligen Schreiben gehört er in den Umkreis der avancierten europäischen Romanliteratur ab den 50er Jahren. Seine reflektierte Poetik und theoriegeleiteten Schreibverfahren basieren in ihrer Erzählweise und Schreibform auf Performativität, die für den Leser als Störung erscheint und eine Verlangsamung der Lektüre erfordert, um ihr gerecht zu werden. Der Sinn dieser Konzeption besteht darin, dass der Autor nicht mehr wie in den auf Repräsentation von Inhalt beruhenden Romanen zentralisiert erzählt, sondern den Text von den Rändern her aufbaut. Das Literaturverfahren orientiert sich deshalb nicht an einer Hermeneutik des Lesens, die den Roman als Teil von Lebenspraxis versteht und siedelt seine Schreibweise im Schnittfeld von Literatur- und Kulturtheorie an. Jirgls ,Poetologie der Ränder' wird in einem exemplarischen Lektüremodell der ,Genealogie des Tötens' rekonstruiert, das narrative Aufführungs- und Rahmungsmomente der sprachlichen Gestaltung innovativ entfaltet.