Point of Slow Return ist ein Briefroman und eine Rückblende, erzählt von der namenlosen, einhundertjährigen Protagonistin, die im Jahre 2077 ihre Erinnerungen an das Weltgeschehen und ihre Erlebnisse niederschreibt. Ein Weltgeschehen, das alle Menschen in die Zange nimmt. Sie beginnt in unserer
heutigen Zeit und hält auf erzählerische Weise dem Leser den Status quo vor. Der Leser muss sich…mehrPoint of Slow Return ist ein Briefroman und eine Rückblende, erzählt von der namenlosen, einhundertjährigen Protagonistin, die im Jahre 2077 ihre Erinnerungen an das Weltgeschehen und ihre Erlebnisse niederschreibt. Ein Weltgeschehen, das alle Menschen in die Zange nimmt. Sie beginnt in unserer heutigen Zeit und hält auf erzählerische Weise dem Leser den Status quo vor. Der Leser muss sich zwangsläufig eingestehen, dass es nicht fünf vor, sondern nach zwölf ist. In fein gesponnenen Übergängen nimmt die Autorin Bezug auf all den globalen Irrsinn, legt die Schwächen der Politik bloß, zeigt die Ungerechtigkeit des Kapitalismus auf, entblößt die Scheinheiligkeit und Unmenschlichkeit im Umgang mit Flüchtenden. Im Verlauf der Memoiren erkennt der Leser, dass die Kinder, an die sich der Brief richtet, Gerettete sind, dass die Protagonistin eine stille Untergrundkämpferin ist, deren Waffen Mitgefühl und Gerechtigkeitssinn sind, aber auch Mut und Entschlossenheit. Die beschriebene nahe Zukunft ist ein faschistischer Albtraum, der unter den aktuellen Zuständen europaweit absolut glaubhaft gezeichnet wird. Die Geschichte hält dem Leser vor Augen, wo wir tatsächlich stehen und was in naher Zukunft durchaus denkbar ist. Karin Suer beschreibt die Folgen der Erderwärmung, der Pandemien, die fatalen Auswirkungen einer alles überwachenden KI, die gnadenlose Gewalt gegenüber den selbst ausgelösten Flüchtlingsströmen, sowie die Manipulation und Einschüchterung der Massen. Doch es gibt auch Hoffnung, eine Insel inmitten des Albtraums, eine Keimzelle von Menschen, die es besser machen wollen. Ich hoffe, dass dieses Bild, das die Autorin hier zeichnet, möglichst viele Leser erreicht, dass sie den Mut haben sich vor Augen halten zu lassen, wo wir stehen, dass wir alle gefragt sind, jeder von uns, dass dieser Albtraum schon bald durchaus zu unserer Realität werden kann. Ist es erst einmal soweit, gibt es im System des Terrors keine Schlupflöcher, keine Boni und keine Sonderbehandlung. Ein ungewöhnliches Buch, das ich in dieser Form noch nie gelesen habe; gnadenlos ehrlich, Furcht einflößend, aber auch Mut machend.