Peter Fröberg Idling folgt fast eine Generation später den Spuren von vier schwedischen Intellektuellen um Jan Myrdal, die 1978 ins Kambodscha Pol Pots reisten. Trotz Zwangsarbeit, Hunger und Massenmord im Land der Roten Khmer verfassten sie optimistische Reiseberichte. Idling geht in dieser literarischen Reportage der Frage nach, ob eine jüngere Generation heute zu anderen Ergebnissen kommen würde. Fast nebenbei erfährt man von der ungeheuren Geschichte eines zerrütteten Landes. Eine exemplarische Darstellung von Propaganda und Selbsttäuschung, Idealismus und Blindheit.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Cristina Nord begrüßt Peter Fröberg Idlings Buch über eine Kambodscha-Reise von vier schwedischen Intellektuellen im Jahr 1978. Das in Schweden bereits 2006 erschienene Buch scheint ihr auch für deutsche Leser von Interesse, da sich die Kambodscha-Reisenden als Teil einer globalen antiimperialistischen Linken verstanden. Sie berichtet, dass der Autor auf den Spuren seiner Landsleute durch das Land gereist ist, um die Todeslager Pol Pots zu besuchen und mit Menschen zu sprechen, die die Schweden damals begleitet haben. Dabei habe der Autor eine Unmenge an Informationen, Anekdoten und Szenen zusammengetragen, die er wie ein Puzzle arrangiert habe. Manchmal hätte sich die Rezensentin etwas mehr Stringenz gewünscht sowie eine stärkere Einbindung der verschiedenen Zeitebenen in eine zusammenhängende Argumentation.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2014Hinter Pol Pots Fassaden
Peter Fröberg Idling erzählt vom Irrweg der Linken
Im Mai 1933 ließ sich der schwedische Literaturwissenschaftler Fredrik Böök auf einer Deutschlandreise erklären, was die Nationalsozialisten als Errungenschaft betrachteten, und das Ergebnis dieser zärtlich von deutschen Propagandisten begleiteten Tour war eine Serie von Reportagen für die Zeitung "Svenska Dagbladet", die auch als Buch erschien und Schwedens Blick auf "Hitlers Deutschland" nachhaltig prägte.
Böök zeichnete das Bild eines Landes im Aufbruch, er war ebenso vom Gestaltungswillen der neuen Regierung und der "optimistischen Stimmung in der Bevölkerung" fasziniert wie der Forschungsreisende Sven Hedin, dessen Name in Schweden stellvertretend für die unkritische Nähe einer ganzen Generation zum "Dritten Reich" genannt wird.
Das sollte man bei der Lektüre von Peter Fröberg Idlings literarischem Sachbuch "Pol Pots Lächeln" wissen. Denn zum einen hat Fröberg Idling kein Problem damit, die nationalsozialistische Diktatur mit dem Schreckensregime Pol Pots zu vergleichen - der Unterschied zwischen Auschwitz und dem Folterlager S-21 bestand darin, "dass man in S-21 dachte, aus den Gefangenen etwas herausbekommen zu können, bevor sie totgeschlagen waren", schreibt er.
Zum anderen waren die Geschichten um Böök und Hedin auch den vier schwedischen Intellektuellen ein Begriff, die 1978 nach Kambodscha reisten, um einen politischen Reisebericht verfassen und etwas Rückendeckung für die medial angeschlagenen Revolutionäre organisieren zu können: "Kampuchea wird in der Presse als ein Land vorgestellt, in dem die Regierung Völkermord am eigenen Volk begeht, ein Land, in dem die Menschenrechte keinen Platz haben", schrieb Hedda Ekerwald vor der Abreise in ihr Tagebuch. "Kann es gut sein, in ein solches Land zu fahren? Ist das nicht so wie damals, als Fredrik Böök im Mercedes umherfuhr, als Nazideutschlands Gast?"
Es war so wie damals. Das denkt man, je länger Fröberg Idling auf den Spuren der kleinen Geschichte wandelt und detektivisch sammelt, was an Artikeln, Dias und Filmen entstand. Denn auch die vier Reisenden, zu denen der Schriftsteller Jan Myrdal zählte (der Sohn von Gunnar und Alva Myrdal, die den Wohlfahrtsstaat am Reißbrett entwarfen), sahen allein, was sie sehen wollten.
Dieses Trüpplein blickte auf die Roten Khmer, die 1975 an die Macht kamen, mit derselben naiven Hoffnung wie die Amerikaner, Italiener und Dänen, die kurz vor ihnen reisten und eine Gesellschaft fanden, die ihre Unterdrücker abgeschüttelt hatte. Die Schweden wollten nicht wahrhaben, dass sie in ein Land kamen, in dem "eine gut geschmierte Höllenmaschine ohne Unterlass arbeitete und jeden Tag über tausend Kinder, Frauen und Männer starben". Und schon vor dem August 1978, als ihr Flugzeug auf der Landebahn von Phnom Penh aufsetzte, waren 1,3 Millionen Menschen gestorben. Das war keineswegs nur eine Folge der amerikanischen Politik.
Trotzdem will der Autor, der eine Zeitlang in Phnom Penh lebte, mit seiner collagenhaften, mehr als Rechercheprotokoll denn als nüchterner Bericht verfassten Schilderung nicht auf die moralische Verurteilung der vier Propagandisten hinaus. Zumindest wehrt er sich gegen ein reflexhaftes Urteil, jene Versäumnisse und Scheuklappen durchdeklinierend, die "künftige Generationen uns" vorwerfen könnten: "Werden sie auf die vergilbten Zeitungsausschnitte zeigen und sagen, aber hier steht doch alles, wie könnt ihr denn sagen, dass ihr es nicht verstanden habt?"
Ihn interessiert die schwedische Fußnote als Schlüssel zu einer Generation, die sich auf der Seite des gesellschaftlichen Fortschritts glaubte und in ihrem radikalen Glauben an das Revolutionäre doch mit dem Totalitarismus flirtete und dies bis heute verklärt. Dass Peter Fröberg Idling, ein Journalist und Literaturkritiker, nebenher die Biographie des früheren Französischlehrers Pol Pot und eine Geschichte Kambodschas schreibt, schnipselhaft mit Beobachtungen aus dem Jahr 1978 und der Gegenwart verschraubt, macht "Pol Pots Lächeln" zu einem ungewöhnlich fordernden, an Fragezeichen stärker als Antworten interessierten Beitrag zur Ideologieforschung.
MATTHIAS HANNEMANN.
Peter Fröberg Idling: "Pol Pots Lächeln. Eine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten Khmer".
Aus dem Schwedischen von Andrea Fredriksson-Zederbauer. Edition Büchergilde, Frankfurt 2013. 351 S., geb., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Peter Fröberg Idling erzählt vom Irrweg der Linken
Im Mai 1933 ließ sich der schwedische Literaturwissenschaftler Fredrik Böök auf einer Deutschlandreise erklären, was die Nationalsozialisten als Errungenschaft betrachteten, und das Ergebnis dieser zärtlich von deutschen Propagandisten begleiteten Tour war eine Serie von Reportagen für die Zeitung "Svenska Dagbladet", die auch als Buch erschien und Schwedens Blick auf "Hitlers Deutschland" nachhaltig prägte.
Böök zeichnete das Bild eines Landes im Aufbruch, er war ebenso vom Gestaltungswillen der neuen Regierung und der "optimistischen Stimmung in der Bevölkerung" fasziniert wie der Forschungsreisende Sven Hedin, dessen Name in Schweden stellvertretend für die unkritische Nähe einer ganzen Generation zum "Dritten Reich" genannt wird.
Das sollte man bei der Lektüre von Peter Fröberg Idlings literarischem Sachbuch "Pol Pots Lächeln" wissen. Denn zum einen hat Fröberg Idling kein Problem damit, die nationalsozialistische Diktatur mit dem Schreckensregime Pol Pots zu vergleichen - der Unterschied zwischen Auschwitz und dem Folterlager S-21 bestand darin, "dass man in S-21 dachte, aus den Gefangenen etwas herausbekommen zu können, bevor sie totgeschlagen waren", schreibt er.
Zum anderen waren die Geschichten um Böök und Hedin auch den vier schwedischen Intellektuellen ein Begriff, die 1978 nach Kambodscha reisten, um einen politischen Reisebericht verfassen und etwas Rückendeckung für die medial angeschlagenen Revolutionäre organisieren zu können: "Kampuchea wird in der Presse als ein Land vorgestellt, in dem die Regierung Völkermord am eigenen Volk begeht, ein Land, in dem die Menschenrechte keinen Platz haben", schrieb Hedda Ekerwald vor der Abreise in ihr Tagebuch. "Kann es gut sein, in ein solches Land zu fahren? Ist das nicht so wie damals, als Fredrik Böök im Mercedes umherfuhr, als Nazideutschlands Gast?"
Es war so wie damals. Das denkt man, je länger Fröberg Idling auf den Spuren der kleinen Geschichte wandelt und detektivisch sammelt, was an Artikeln, Dias und Filmen entstand. Denn auch die vier Reisenden, zu denen der Schriftsteller Jan Myrdal zählte (der Sohn von Gunnar und Alva Myrdal, die den Wohlfahrtsstaat am Reißbrett entwarfen), sahen allein, was sie sehen wollten.
Dieses Trüpplein blickte auf die Roten Khmer, die 1975 an die Macht kamen, mit derselben naiven Hoffnung wie die Amerikaner, Italiener und Dänen, die kurz vor ihnen reisten und eine Gesellschaft fanden, die ihre Unterdrücker abgeschüttelt hatte. Die Schweden wollten nicht wahrhaben, dass sie in ein Land kamen, in dem "eine gut geschmierte Höllenmaschine ohne Unterlass arbeitete und jeden Tag über tausend Kinder, Frauen und Männer starben". Und schon vor dem August 1978, als ihr Flugzeug auf der Landebahn von Phnom Penh aufsetzte, waren 1,3 Millionen Menschen gestorben. Das war keineswegs nur eine Folge der amerikanischen Politik.
Trotzdem will der Autor, der eine Zeitlang in Phnom Penh lebte, mit seiner collagenhaften, mehr als Rechercheprotokoll denn als nüchterner Bericht verfassten Schilderung nicht auf die moralische Verurteilung der vier Propagandisten hinaus. Zumindest wehrt er sich gegen ein reflexhaftes Urteil, jene Versäumnisse und Scheuklappen durchdeklinierend, die "künftige Generationen uns" vorwerfen könnten: "Werden sie auf die vergilbten Zeitungsausschnitte zeigen und sagen, aber hier steht doch alles, wie könnt ihr denn sagen, dass ihr es nicht verstanden habt?"
Ihn interessiert die schwedische Fußnote als Schlüssel zu einer Generation, die sich auf der Seite des gesellschaftlichen Fortschritts glaubte und in ihrem radikalen Glauben an das Revolutionäre doch mit dem Totalitarismus flirtete und dies bis heute verklärt. Dass Peter Fröberg Idling, ein Journalist und Literaturkritiker, nebenher die Biographie des früheren Französischlehrers Pol Pot und eine Geschichte Kambodschas schreibt, schnipselhaft mit Beobachtungen aus dem Jahr 1978 und der Gegenwart verschraubt, macht "Pol Pots Lächeln" zu einem ungewöhnlich fordernden, an Fragezeichen stärker als Antworten interessierten Beitrag zur Ideologieforschung.
MATTHIAS HANNEMANN.
Peter Fröberg Idling: "Pol Pots Lächeln. Eine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten Khmer".
Aus dem Schwedischen von Andrea Fredriksson-Zederbauer. Edition Büchergilde, Frankfurt 2013. 351 S., geb., 22,95 [Euro].
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