Shackleton, Franklin, Peary, Herbert, Nansen, Scott jeder kennt die Namen der großen Polarforscher. Kaum jemand weiß um die Frauen an ihrer Seite, die ihren Ruhm und oft auch ihr Überleben ermöglicht haben.
Die größte Rettungsaktion der Polargeschichte leitete Lady Jane Franklin. Josephine Peary pflegte ihren Mann Richard auf seiner Grönlandexpedition im Jahre 1891 gesund, nachdem dieser bereits mit dem Tod gerungen hatte. Zwei Jahre später brachte sie im arktischen Winter die gemeinsame Tochter zur Welt. Mit ihrem Mut und Tatendrang standen die Gefährtinnen der großen Polarfahrer diesen in nichts nach. Und doch weiß man bis heute kaum etwas über sie. Kari Herbert, Tochter des britischen Polarforschers Sir Wally Herbert, hat jahrelang recherchiert und bisher ungesichtete Aufzeichnungen, Tagebücher und Briefe der Polarfrauen studiert. Mit ihren einfühlsamen Lebensbildern rückt sie 200 Jahre Polargeschichte in ein neues Licht.
"Polarfrauen" bei ARD "ttt -Titel, Thesen, Temperamente":
http://mediathek.daserste.de/suche/6570164_ber-hmte-polarforscher-und-ihre-frauen?clipSearchFilter=allClips&s=ttt&datumBis=&sendung=&datumVon
Die größte Rettungsaktion der Polargeschichte leitete Lady Jane Franklin. Josephine Peary pflegte ihren Mann Richard auf seiner Grönlandexpedition im Jahre 1891 gesund, nachdem dieser bereits mit dem Tod gerungen hatte. Zwei Jahre später brachte sie im arktischen Winter die gemeinsame Tochter zur Welt. Mit ihrem Mut und Tatendrang standen die Gefährtinnen der großen Polarfahrer diesen in nichts nach. Und doch weiß man bis heute kaum etwas über sie. Kari Herbert, Tochter des britischen Polarforschers Sir Wally Herbert, hat jahrelang recherchiert und bisher ungesichtete Aufzeichnungen, Tagebücher und Briefe der Polarfrauen studiert. Mit ihren einfühlsamen Lebensbildern rückt sie 200 Jahre Polargeschichte in ein neues Licht.
"Polarfrauen" bei ARD "ttt -Titel, Thesen, Temperamente":
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2011Raus aus dem Schatten
Kari Herbert versammelt die Lebensgeschichten von mutigen Frauen berühmter Polarfahrer
Ihr Vater war der erste Mann, der beweisen kann, dass er am Nordpol stand: Kari Herberts Vater Wally erreichte am 6. April 1969 den nördlichsten Punkt der Welt. Ob diese Leistung vor dem britischen Forscher schon Frederick Cook, Robert Peary oder sogar beiden gelang, ist umstritten. Nur hatte Wally Herbert das Pech, seine Heldentat ausgerechnet dann zu begehen, als die Welt ihren Blick ganz woanders hin gerichtet hatte. Gerade als Herbert von seiner 467-tägigen Expedition zurückkam, steckte der erste Mensch eine Fahne in den Mond – wen interessierten da noch die leidensvollen Berichte aus einer öden Eiswüste? Trotz seiner Ernennung zum Ritter, 30 Jahre nach Erreichen des Pols, stand Herbert stets im Schatten der Weltgeschichte.
Vielleicht hat sich seine Tochter deshalb entschlossen, einige Menschen aus einem ähnlichen Dunkel herauszuholen: die Polarfrauen, die Frauen also, die mit den größten Polarfahrern der vergangenen zwei Jahrhunderte verheiratet waren – Gefährtinnen, die nicht weniger abenteuerliche Prüfungen bestanden, einen ähnlichen Mut und Tatendrang bewiesen wie ihre berühmten Männer, im Gegensatz zu diesen heute aber weitgehend vergessen sind.
Kari Herbert hat das besondere Wechselspiel der Gefühle eines Familienlebens voller Entbehrungen und Herausforderungen selbst sehr früh mitbekommen. Ihre Eltern nahmen sie bereits im Alter von zehn Monaten mit nach Grönland, wo die Heinrichs bei den Inuit wohnten. Für ihre Sammlung von Lebensgeschichten hat sie sich in Archive versenkt, Nachkommen befragt und bislang ungesichtete handschriftliche Notizen und Briefe entziffert. Im Zentrum ihrer sorgfältig recherchierten und packend geschriebenen Geschichten steht nicht nur die Frage, was die Frauen bewegte, die Abenteuer ihrer Männer mitzumachen, sondern auch, was sie dabei selbst leisteten und wie sich die gesellschaftliche Wahrnehmung dieser Leistungen im Laufe der Zeit verändert hat.
Es war demnach nicht nur Liebe und Pflichtgefühl allein, ein großes Maß von Hingabe an die Visionen des Mannes und die Bereitschaft, seine Erwartungshaltungen zu erfüllen, was Frauen wie etwa Josephine Peary antrieb. Peary gilt als Inbegriff einer hingebungsvollen Polarfrau. Sie kümmerte sich stets aufopfernd um ihren – im Gegenzug nicht besonders treuen – Ehemann und brachte knapp 13 Breitengrade unterhalb des Pols ihre Tochter Marie zur Welt. Aber es gibt auch Beispiele von Frauen, die aus eigenem Entdeckergeist und Freiheitswillen an den Polfahrten teilnahmen.
Die frühesten Biographien stammen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Damenwelt unterlag einem Korsett aus Zwängen, und einen Abenteurer zum Mann zu haben bedeutete, diesen Zwängen entfliehen zu können. Lady Jane Franklin zum Beispiel war bereits selbst eine weit gereiste Entdeckerin, bevor sie ihren Mann John traf. Die Hochzeit hielt sie nicht davon ab, mit ihren Petticoats weiterhin auf Berge zu steigen – sehr zum Spott ihrer Umwelt. Als abenteuerlustig wollte sie in der Öffentlichkeit dann auch nicht gelten. In den vornehmen Kreisen Englands galt ihre Reiselust als „Perversion weiblicher Eigenschaften“. Ihr Mann bewunderte ihren Mut, fürchtete aber die Folgen. So illustriert Kari Herbert eindrücklich die Macht gesellschaftlicher Sanktionierungen: Männer, die sich nicht vor der Kälte und der Polarnacht, nicht vor Hunger und jahrelangen Qualen fürchteten, hatten Angst vor dem Gerede von Teetrinkern in den feinen Salons. Als John Franklin bei der Erkundung der Nordwest-Passage verschwand, startete seine Frau die größte Suchaktion in der Geschichte der Polarforschung.
Kari Herbert hat nicht nur ein Buch über Polarfrauen geschrieben, sondern ein Abenteuerbuch über Frauen und Männer, ein Buch über das heroische Zeitalter, über Zwänge und Freiheiten und auch über große Lieben.
BIRGIT LUTZ-TEMSCH
KARI HERBERT: Polarfrauen.
Mutige Gefährtinnen großer Entdecker. Malik Verlag, München 2010. 366 Seiten mit 22 Fotos, 22,95 Euro.
Ein Abenteurer als Mann,
das bedeutete die Chance,
aus Zwängen zu fliehen
Mit dem Familienschlitten in der Arktis: Die Herberts im Jahr 1971. Auf dem Arm ihres Vaters ist die Autorin als Polarbaby. Foto: Herbert Collection
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Kari Herbert versammelt die Lebensgeschichten von mutigen Frauen berühmter Polarfahrer
Ihr Vater war der erste Mann, der beweisen kann, dass er am Nordpol stand: Kari Herberts Vater Wally erreichte am 6. April 1969 den nördlichsten Punkt der Welt. Ob diese Leistung vor dem britischen Forscher schon Frederick Cook, Robert Peary oder sogar beiden gelang, ist umstritten. Nur hatte Wally Herbert das Pech, seine Heldentat ausgerechnet dann zu begehen, als die Welt ihren Blick ganz woanders hin gerichtet hatte. Gerade als Herbert von seiner 467-tägigen Expedition zurückkam, steckte der erste Mensch eine Fahne in den Mond – wen interessierten da noch die leidensvollen Berichte aus einer öden Eiswüste? Trotz seiner Ernennung zum Ritter, 30 Jahre nach Erreichen des Pols, stand Herbert stets im Schatten der Weltgeschichte.
Vielleicht hat sich seine Tochter deshalb entschlossen, einige Menschen aus einem ähnlichen Dunkel herauszuholen: die Polarfrauen, die Frauen also, die mit den größten Polarfahrern der vergangenen zwei Jahrhunderte verheiratet waren – Gefährtinnen, die nicht weniger abenteuerliche Prüfungen bestanden, einen ähnlichen Mut und Tatendrang bewiesen wie ihre berühmten Männer, im Gegensatz zu diesen heute aber weitgehend vergessen sind.
Kari Herbert hat das besondere Wechselspiel der Gefühle eines Familienlebens voller Entbehrungen und Herausforderungen selbst sehr früh mitbekommen. Ihre Eltern nahmen sie bereits im Alter von zehn Monaten mit nach Grönland, wo die Heinrichs bei den Inuit wohnten. Für ihre Sammlung von Lebensgeschichten hat sie sich in Archive versenkt, Nachkommen befragt und bislang ungesichtete handschriftliche Notizen und Briefe entziffert. Im Zentrum ihrer sorgfältig recherchierten und packend geschriebenen Geschichten steht nicht nur die Frage, was die Frauen bewegte, die Abenteuer ihrer Männer mitzumachen, sondern auch, was sie dabei selbst leisteten und wie sich die gesellschaftliche Wahrnehmung dieser Leistungen im Laufe der Zeit verändert hat.
Es war demnach nicht nur Liebe und Pflichtgefühl allein, ein großes Maß von Hingabe an die Visionen des Mannes und die Bereitschaft, seine Erwartungshaltungen zu erfüllen, was Frauen wie etwa Josephine Peary antrieb. Peary gilt als Inbegriff einer hingebungsvollen Polarfrau. Sie kümmerte sich stets aufopfernd um ihren – im Gegenzug nicht besonders treuen – Ehemann und brachte knapp 13 Breitengrade unterhalb des Pols ihre Tochter Marie zur Welt. Aber es gibt auch Beispiele von Frauen, die aus eigenem Entdeckergeist und Freiheitswillen an den Polfahrten teilnahmen.
Die frühesten Biographien stammen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Damenwelt unterlag einem Korsett aus Zwängen, und einen Abenteurer zum Mann zu haben bedeutete, diesen Zwängen entfliehen zu können. Lady Jane Franklin zum Beispiel war bereits selbst eine weit gereiste Entdeckerin, bevor sie ihren Mann John traf. Die Hochzeit hielt sie nicht davon ab, mit ihren Petticoats weiterhin auf Berge zu steigen – sehr zum Spott ihrer Umwelt. Als abenteuerlustig wollte sie in der Öffentlichkeit dann auch nicht gelten. In den vornehmen Kreisen Englands galt ihre Reiselust als „Perversion weiblicher Eigenschaften“. Ihr Mann bewunderte ihren Mut, fürchtete aber die Folgen. So illustriert Kari Herbert eindrücklich die Macht gesellschaftlicher Sanktionierungen: Männer, die sich nicht vor der Kälte und der Polarnacht, nicht vor Hunger und jahrelangen Qualen fürchteten, hatten Angst vor dem Gerede von Teetrinkern in den feinen Salons. Als John Franklin bei der Erkundung der Nordwest-Passage verschwand, startete seine Frau die größte Suchaktion in der Geschichte der Polarforschung.
Kari Herbert hat nicht nur ein Buch über Polarfrauen geschrieben, sondern ein Abenteuerbuch über Frauen und Männer, ein Buch über das heroische Zeitalter, über Zwänge und Freiheiten und auch über große Lieben.
BIRGIT LUTZ-TEMSCH
KARI HERBERT: Polarfrauen.
Mutige Gefährtinnen großer Entdecker. Malik Verlag, München 2010. 366 Seiten mit 22 Fotos, 22,95 Euro.
Ein Abenteurer als Mann,
das bedeutete die Chance,
aus Zwängen zu fliehen
Mit dem Familienschlitten in der Arktis: Die Herberts im Jahr 1971. Auf dem Arm ihres Vaters ist die Autorin als Polarbaby. Foto: Herbert Collection
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