Auf seiner Reise durch das Land hält der Autor Station an 35 bekannten, aber auch weniger bekannten Orten, die ihm als Ausgangspunkt dienen, um dem Leser auf einfühlsame Weise spezifische Eigenheiten des Landes, besondere Persönlichkeiten oder Ereignisse aus der Geschichte näher zu bringen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2008Blubb, piff und pschsch macht die Ostsee
Günter Grass hat genau hingehört: "Wie macht die Ostsee? - Blubb, piff, pschsch / Auf deutsch, auf polnisch; Blubb, piff, pschsch . . .", schreibt er im Gedicht "Kleckerburg", das der Schriftsteller Matthias Kneip in seinem Buch "Polenreise" zitiert. Auch Kneip selbst will lauschen, und zwar "Orten, die ein Land erzählen". Und siehe da: Was sie zu sagen haben, klingt noch klarer als die versöhnliche Lautmalerei der Ostsee. Die hilfsbereite Ampel am Plac Solidarnosci in Stettin ("Möchtest du die Straße überqueren, drücke den roten Knopf") zeigt sich ebenso auskunftsfreudig wie der Schilderwald von Slubice, der ein "perfektes Grenzesperanto" spricht. Mitunter freilich äußern die Flüsse, Denkmäler und Ruinen nur das, was Kneip ihnen in den Mund legt, aber dafür ist er ja Dichter. Mal feinsinnig, mal nah am Kitsch, oft informativ und stets eigenwillig beschreibt Kneip, dessen Vater aus Schlesien stammt, die Stätten Polens, an welchen er "seine Seele am tiefsten empfand": eine ausgestorben wirkende Textilfabrik in Lodz, in deren Obergeschoss er auf einen modernen Kletterpark stößt, den Breslauer Bahnsteig, an dem Zbigniew Cybulski, der polnische James Dean, unter die Räder eines Zugs geriet, den Sender Gleiwitz oder das Geburtshaus Joseph von Eichendorffs in Lubowice. Und er beobachtet eine merkwürdige Prozession, die sich Sonntag für Sonntag in Breslau abspielt, wenn die Besucher der Adalbertkirche nach dem Gottesdienst nahezu geschlossen in das direkt daneben gelegene, sonntags geöffnete Einkaufszentrum Galeria Dominikanska marschiert: "Die ganze Gemeinde zieht also um."
jöt
"Polenreise. Orte, die ein Land erzählen" von Matthias Kneip. House of the Poets, Paderborn 2007. 235 Seiten. Broschiert, 13,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Günter Grass hat genau hingehört: "Wie macht die Ostsee? - Blubb, piff, pschsch / Auf deutsch, auf polnisch; Blubb, piff, pschsch . . .", schreibt er im Gedicht "Kleckerburg", das der Schriftsteller Matthias Kneip in seinem Buch "Polenreise" zitiert. Auch Kneip selbst will lauschen, und zwar "Orten, die ein Land erzählen". Und siehe da: Was sie zu sagen haben, klingt noch klarer als die versöhnliche Lautmalerei der Ostsee. Die hilfsbereite Ampel am Plac Solidarnosci in Stettin ("Möchtest du die Straße überqueren, drücke den roten Knopf") zeigt sich ebenso auskunftsfreudig wie der Schilderwald von Slubice, der ein "perfektes Grenzesperanto" spricht. Mitunter freilich äußern die Flüsse, Denkmäler und Ruinen nur das, was Kneip ihnen in den Mund legt, aber dafür ist er ja Dichter. Mal feinsinnig, mal nah am Kitsch, oft informativ und stets eigenwillig beschreibt Kneip, dessen Vater aus Schlesien stammt, die Stätten Polens, an welchen er "seine Seele am tiefsten empfand": eine ausgestorben wirkende Textilfabrik in Lodz, in deren Obergeschoss er auf einen modernen Kletterpark stößt, den Breslauer Bahnsteig, an dem Zbigniew Cybulski, der polnische James Dean, unter die Räder eines Zugs geriet, den Sender Gleiwitz oder das Geburtshaus Joseph von Eichendorffs in Lubowice. Und er beobachtet eine merkwürdige Prozession, die sich Sonntag für Sonntag in Breslau abspielt, wenn die Besucher der Adalbertkirche nach dem Gottesdienst nahezu geschlossen in das direkt daneben gelegene, sonntags geöffnete Einkaufszentrum Galeria Dominikanska marschiert: "Die ganze Gemeinde zieht also um."
jöt
"Polenreise. Orte, die ein Land erzählen" von Matthias Kneip. House of the Poets, Paderborn 2007. 235 Seiten. Broschiert, 13,90 Euro.
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