Die Revolution in der Biomedizin hat den Umgang mit der menschlichen Physis und unser Verhältnis zu Zeugung, Geburt und Tod grundlegend verändert. sie läßt den Begriff Leben in einem völlig anderen Licht erscheinen. Doch wie reagiert die Politik auf die neuen Möglichkeiten? Kann sie eine Brücke schlagen zwischen unseren unterschiedlichen moralischen Überzeugungen, unseren Ängsten und Hoffnungen?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2001Freie Wahl für freie Bürger
Andreas Kuhlmanns Plädoyer für eine liberale Biopolitik
Binnen einem Jahr ist die bioethische Debatte nicht nur in Deutschland zu einem Politikum ersten Ranges geworden. Dies läßt sich schon an der Begriffswahl ablesen: Statt von Bioethik ist inzwischen meist von Biopolitik die Rede. Die höchsten Ämter der Republik steigen in den Debattenring: Der Bundeskanzler macht das Ganze zur Chefsache, der Bundespräsident hält seine politischste Rede, mit der er als letzter christlicher Demokrat für eine führungslose Union in die Bresche springt, und die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts ermuntert alle Beteiligten, vor dem Gang nach Karlsruhe mehr "politische Phantasie" zu entfalten. Wer befürchtet hatte, die Politik würde zu einem Verwaltungsapparat der globalisierten Wirtschaft, darf sich freuen, daß die anstehenden gen- und medizinethischen Konflikte eine Rückkehr des Politischen befördern.
"Politik des Lebens - Politik des Sterbens" heißt das Buch der Stunde, mit dem Andreas Kuhlmann die Lage der "Biomedizin in der liberalen Demokratie" verorten will. Es ist ein gutes, streckenweise sehr gutes Buch, das dennoch in einer wichtigen Hinsicht hinter den Erwartungen zurückbleibt. Kuhlmann entlarvt die Verblendungen der zukunftsfrohen Forschungsfreunde wie der radikalen Medizinkritiker und bringt ein hierzulande seltenes (oder höchstens hinter vorgehaltener Hand als "Privatmeinung" deklariertes) hohes Maß an reflektiertem common sense in Anschlag. Auch ohne alle einschlägigen Argumente jeweils detailliert auszuführen, holt er die Debatten durch ein stetes und entschiedenes Ja-Aber von den ideologischen Barrikaden und ebnet das Terrain für einen gangbaren Mittelweg. Damit wird der Autor jedoch selbst zu einem Diskussionsteilnehmer und Vertreter strittiger Positionen. Wer sich nach Kuhlmanns Vorbemerkung Auskunft darüber erhofft, "wie ein wertplurales und liberales politisches Gemeinwesen zu einigermaßen tragfähigen Regelungen hinsichtlich neuer therapeutischer Angebote gelangen kann, die den Rechtsansprüchen und Wertvorstellungen der einzelnen Rechnung tragen", muß fast zwangsläufig enttäuscht sein, in der Folge überwiegend Beiträge zum biopolitischen Diskurs, aber nur in Ansätzen einen Beitrag über ihn und seine demokratietheoretischen Randbedingungen zu finden.
Was Kuhlmann den streitenden Parteien an Selbsterkenntnis zumutet, wird in seiner Einschätzung der Sterbehilfe-Diskussion deutlich: Die Hospizbewegung mit ihrem "hohen Professionalisierungsgrad und dem umfassenden Betreuungsanspruch der ,Sterbebegleitung'", von den Begründern "total care" genannt, berühre sich ideologisch mit ihrem vehement attackierten Gegner, den Befürwortern der aktiven "Sterbehilfe": "Gerade die Sterbebegleitung, die sich als Alternative anpreist zur Intensivmedizin, die auf pure Lebenserhaltung ausgerichtet ist, hat neue Omnipotenzphantasien heraufbeschworen." Auch wenn die "Idealisierung, ja Idyllisierung des Sterbens" unterschiedlich ausgeprägt sei, halte die Hospizbewegung das Sterben doch für "etwas, mit dem man zurechtkommen und fertig werden kann und das dann für alle Beteiligten ein gutes und schönes, ein herzerhebendes Ereignis darstellt". Letztlich unterscheidet sich dieses Bemühen dann nur noch durch die Wahl der Mittel von der Vorstellung eines Sterbehilfe-Befürworters wie Ronald Dworkin, das individuelle Leben solle durch den selbstverfügten Tod wie ein "Kunstwerk" abgeschlossen werden.
Es verwundert daher nicht, wenn Kuhlmann in der Sterbehilfe-Diskussion auch den Verweis auf die Euthanasie im nationalsozialistischen Deutschland einer deutlichen Kritik unterzieht: "Es gibt keine unzweideutigen ,Lehren aus der jüngsten deutschen Vergangenheit'" für die aktuellen Fragen. Um der "rituellen Beschwörung" der Vergangenheit ihre Scheinplausibilität zu nehmen, rekapituliert der Autor im ersten Kapitel die Geschichte von Eugenik und Euthanasie. Die - sehr kursorische - Behandlung kommt zu zwei Ergebnissen: Zum einen machten die "erheblichen ideologischen Unterschiede" innerhalb der (weltweiten) Eugenik-Diskussion, die ja auch Deutschlands Sozialdemokraten sowie des Totalitarismus unverdächtige Länder wie Dänemark als Befürworter sah, es mehr als fraglich, "die NS-Euthanasie als zwangsläufige und logische Konsequenz eugenischen Denkens erscheinen" zu lassen; zum anderen hätten den Ausgrenzungs- und Eliminierungsstrategien im Nationalsozialismus auch "therapeutischer Aktivismus" und "therapeutischer Idealismus" gegenübergestanden. "Nicht selten gewinnt man sogar den Eindruck, daß es ein überstrapaziertes individualtherapeutisches Ethos war, das in Vernichtungsphantasien oder die reale Eliminierung umschlug."
Kuhlmann stellt dieses historisch "beunruhigende Faktum" den weiteren Kapiteln voran - als Warnung, daß der "therapeutische Imperativ" nicht als kategorischer mißverstanden werden dürfe, der inhumanen Praktiken Tür und Tor öffne. Und in der Tat bringt er in der Folge immer wieder sein Mißtrauen gegenüber einem allzu forschen Ethos des Heilens zur Sprache: bei der Embryonenforschung, wo er die Entstehung des Embryonenschutzgesetzes zwischen den Fronten einer zunächst aggressiven Forschungslobby und einer "eigentümlichen, nie als solche deklarierten Koalition von Fortschrittskritikern" linksalternativer und bürgerlicher Provenienz referiert; bei der Fortpflanzungsmedizin, bei prädiktiver Gendiagnostik, bei Organtransplantation und Stammzellforschung, bei der Sterbehilfe und bei der Forschung an nicht-einwilligungsfähigen Patienten. Zugleich will Kuhlmann dem therapeutischen Ethos aber auch zu seinem Recht verhelfen und namentlich die deutsche Gesellschaft von einer "Lebenslüge" befreien: von der "Unterstellung nämlich, daß der Wunsch, ein gesundes Kind zu bekommen, in irgendeiner Weise krankhaft ist".
Unabhängig davon, ob dies tatsächlich in solch extremer Form als ernstzunehmende Meinung vertreten wird, ist damit doch die Grundfrage der Fortpflanzungsmedizin berührt: Wieweit darf der (liberale) Staat den legitimen Wünschen seiner Bürger nach gesunden Kindern Beschränkungen auferlegen? Kuhlmann will dem Selbstbestimmungsrecht der Eltern Geltung verschaffen. Die Frage nach der Schutzwürdigkeit eines Embryos, der etwa bei der Präimplantationsdiagnostik wegen einer genetischen Krankheitsdisposition vernichtet wird, tritt dabei in den Hintergrund, denn wann "die Menschenwürde tatsächlich verletzt wird, ist durch trennscharfe Definitionen nicht allgemeinverbindlich zu bestimmen". Ein Paar könne schließlich "gerade dadurch besondere Verantwortung und besonderen Respekt menschlichem Leben gegenüber unter Beweis stellen", daß es der Geburt eines behinderten Kindes vorzubeugen suche. Daß diese Verantwortung aber nicht nur durch embryonenverbrauchende Fortpflanzungstechniken, sondern auch schlicht durch den Verzicht auf ein Kind, so schwer er auch fallen mag, praktiziert werden könnte, kommt Kuhlmann nicht in den Sinn.
An dieser Stelle werden das Grundproblem und -defizit von Kuhlmanns Arbeit virulent: Als liberale Richtschnur im Dickicht der ethischen Positionen dient ihm die "Wahlfreiheit der Bürger", die der Staat nicht verletzen dürfe; daher sei die Politik "gut beraten, möglichst wenig restriktiv zu verfahren" und etwa die Embryonenforschung wegen ihres großen Spektrums möglicher Anwendungen nicht auf Dauer strikt zu unterbinden. Daß die Politik zugleich den Verdacht vermeiden soll, einzelne Weltanschauungen oder Wünsche einzelner Interessengruppen zu privilegieren, kann jedoch noch nicht die Antwort darauf sein, wie mit - zum Teil weltanschaulich bedingten, aber auch mit guten Gründen vorgetragenen - kategorischen Grenzziehungen umgegangen werden soll. Kuhlmanns liberaler Ansatz vermischt sich - ohne darüber Rechenschaft abzulegen - mit einem utilitaristischen Denken, das im Zweifel für wachsende Handlungsoptionen und nicht für eine "Heuristik der Furcht" (Hans Jonas) plädiert. Es ist eine völlig legitime Position, vielleicht sogar die einem liberalen demokratischen Rechtsstaat angemessene. Dies näher zu begründen, hätte man sich jedoch von einem argumentativ gewandten Autor gewünscht.
ACHIM BAHNEN
Andreas Kuhlmann: "Politik des Lebens - Politik des Sterbens". Biomedizin in der liberalen Demokratie. Alexander Fest Verlag, Berlin 2001. 234 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Andreas Kuhlmanns Plädoyer für eine liberale Biopolitik
Binnen einem Jahr ist die bioethische Debatte nicht nur in Deutschland zu einem Politikum ersten Ranges geworden. Dies läßt sich schon an der Begriffswahl ablesen: Statt von Bioethik ist inzwischen meist von Biopolitik die Rede. Die höchsten Ämter der Republik steigen in den Debattenring: Der Bundeskanzler macht das Ganze zur Chefsache, der Bundespräsident hält seine politischste Rede, mit der er als letzter christlicher Demokrat für eine führungslose Union in die Bresche springt, und die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts ermuntert alle Beteiligten, vor dem Gang nach Karlsruhe mehr "politische Phantasie" zu entfalten. Wer befürchtet hatte, die Politik würde zu einem Verwaltungsapparat der globalisierten Wirtschaft, darf sich freuen, daß die anstehenden gen- und medizinethischen Konflikte eine Rückkehr des Politischen befördern.
"Politik des Lebens - Politik des Sterbens" heißt das Buch der Stunde, mit dem Andreas Kuhlmann die Lage der "Biomedizin in der liberalen Demokratie" verorten will. Es ist ein gutes, streckenweise sehr gutes Buch, das dennoch in einer wichtigen Hinsicht hinter den Erwartungen zurückbleibt. Kuhlmann entlarvt die Verblendungen der zukunftsfrohen Forschungsfreunde wie der radikalen Medizinkritiker und bringt ein hierzulande seltenes (oder höchstens hinter vorgehaltener Hand als "Privatmeinung" deklariertes) hohes Maß an reflektiertem common sense in Anschlag. Auch ohne alle einschlägigen Argumente jeweils detailliert auszuführen, holt er die Debatten durch ein stetes und entschiedenes Ja-Aber von den ideologischen Barrikaden und ebnet das Terrain für einen gangbaren Mittelweg. Damit wird der Autor jedoch selbst zu einem Diskussionsteilnehmer und Vertreter strittiger Positionen. Wer sich nach Kuhlmanns Vorbemerkung Auskunft darüber erhofft, "wie ein wertplurales und liberales politisches Gemeinwesen zu einigermaßen tragfähigen Regelungen hinsichtlich neuer therapeutischer Angebote gelangen kann, die den Rechtsansprüchen und Wertvorstellungen der einzelnen Rechnung tragen", muß fast zwangsläufig enttäuscht sein, in der Folge überwiegend Beiträge zum biopolitischen Diskurs, aber nur in Ansätzen einen Beitrag über ihn und seine demokratietheoretischen Randbedingungen zu finden.
Was Kuhlmann den streitenden Parteien an Selbsterkenntnis zumutet, wird in seiner Einschätzung der Sterbehilfe-Diskussion deutlich: Die Hospizbewegung mit ihrem "hohen Professionalisierungsgrad und dem umfassenden Betreuungsanspruch der ,Sterbebegleitung'", von den Begründern "total care" genannt, berühre sich ideologisch mit ihrem vehement attackierten Gegner, den Befürwortern der aktiven "Sterbehilfe": "Gerade die Sterbebegleitung, die sich als Alternative anpreist zur Intensivmedizin, die auf pure Lebenserhaltung ausgerichtet ist, hat neue Omnipotenzphantasien heraufbeschworen." Auch wenn die "Idealisierung, ja Idyllisierung des Sterbens" unterschiedlich ausgeprägt sei, halte die Hospizbewegung das Sterben doch für "etwas, mit dem man zurechtkommen und fertig werden kann und das dann für alle Beteiligten ein gutes und schönes, ein herzerhebendes Ereignis darstellt". Letztlich unterscheidet sich dieses Bemühen dann nur noch durch die Wahl der Mittel von der Vorstellung eines Sterbehilfe-Befürworters wie Ronald Dworkin, das individuelle Leben solle durch den selbstverfügten Tod wie ein "Kunstwerk" abgeschlossen werden.
Es verwundert daher nicht, wenn Kuhlmann in der Sterbehilfe-Diskussion auch den Verweis auf die Euthanasie im nationalsozialistischen Deutschland einer deutlichen Kritik unterzieht: "Es gibt keine unzweideutigen ,Lehren aus der jüngsten deutschen Vergangenheit'" für die aktuellen Fragen. Um der "rituellen Beschwörung" der Vergangenheit ihre Scheinplausibilität zu nehmen, rekapituliert der Autor im ersten Kapitel die Geschichte von Eugenik und Euthanasie. Die - sehr kursorische - Behandlung kommt zu zwei Ergebnissen: Zum einen machten die "erheblichen ideologischen Unterschiede" innerhalb der (weltweiten) Eugenik-Diskussion, die ja auch Deutschlands Sozialdemokraten sowie des Totalitarismus unverdächtige Länder wie Dänemark als Befürworter sah, es mehr als fraglich, "die NS-Euthanasie als zwangsläufige und logische Konsequenz eugenischen Denkens erscheinen" zu lassen; zum anderen hätten den Ausgrenzungs- und Eliminierungsstrategien im Nationalsozialismus auch "therapeutischer Aktivismus" und "therapeutischer Idealismus" gegenübergestanden. "Nicht selten gewinnt man sogar den Eindruck, daß es ein überstrapaziertes individualtherapeutisches Ethos war, das in Vernichtungsphantasien oder die reale Eliminierung umschlug."
Kuhlmann stellt dieses historisch "beunruhigende Faktum" den weiteren Kapiteln voran - als Warnung, daß der "therapeutische Imperativ" nicht als kategorischer mißverstanden werden dürfe, der inhumanen Praktiken Tür und Tor öffne. Und in der Tat bringt er in der Folge immer wieder sein Mißtrauen gegenüber einem allzu forschen Ethos des Heilens zur Sprache: bei der Embryonenforschung, wo er die Entstehung des Embryonenschutzgesetzes zwischen den Fronten einer zunächst aggressiven Forschungslobby und einer "eigentümlichen, nie als solche deklarierten Koalition von Fortschrittskritikern" linksalternativer und bürgerlicher Provenienz referiert; bei der Fortpflanzungsmedizin, bei prädiktiver Gendiagnostik, bei Organtransplantation und Stammzellforschung, bei der Sterbehilfe und bei der Forschung an nicht-einwilligungsfähigen Patienten. Zugleich will Kuhlmann dem therapeutischen Ethos aber auch zu seinem Recht verhelfen und namentlich die deutsche Gesellschaft von einer "Lebenslüge" befreien: von der "Unterstellung nämlich, daß der Wunsch, ein gesundes Kind zu bekommen, in irgendeiner Weise krankhaft ist".
Unabhängig davon, ob dies tatsächlich in solch extremer Form als ernstzunehmende Meinung vertreten wird, ist damit doch die Grundfrage der Fortpflanzungsmedizin berührt: Wieweit darf der (liberale) Staat den legitimen Wünschen seiner Bürger nach gesunden Kindern Beschränkungen auferlegen? Kuhlmann will dem Selbstbestimmungsrecht der Eltern Geltung verschaffen. Die Frage nach der Schutzwürdigkeit eines Embryos, der etwa bei der Präimplantationsdiagnostik wegen einer genetischen Krankheitsdisposition vernichtet wird, tritt dabei in den Hintergrund, denn wann "die Menschenwürde tatsächlich verletzt wird, ist durch trennscharfe Definitionen nicht allgemeinverbindlich zu bestimmen". Ein Paar könne schließlich "gerade dadurch besondere Verantwortung und besonderen Respekt menschlichem Leben gegenüber unter Beweis stellen", daß es der Geburt eines behinderten Kindes vorzubeugen suche. Daß diese Verantwortung aber nicht nur durch embryonenverbrauchende Fortpflanzungstechniken, sondern auch schlicht durch den Verzicht auf ein Kind, so schwer er auch fallen mag, praktiziert werden könnte, kommt Kuhlmann nicht in den Sinn.
An dieser Stelle werden das Grundproblem und -defizit von Kuhlmanns Arbeit virulent: Als liberale Richtschnur im Dickicht der ethischen Positionen dient ihm die "Wahlfreiheit der Bürger", die der Staat nicht verletzen dürfe; daher sei die Politik "gut beraten, möglichst wenig restriktiv zu verfahren" und etwa die Embryonenforschung wegen ihres großen Spektrums möglicher Anwendungen nicht auf Dauer strikt zu unterbinden. Daß die Politik zugleich den Verdacht vermeiden soll, einzelne Weltanschauungen oder Wünsche einzelner Interessengruppen zu privilegieren, kann jedoch noch nicht die Antwort darauf sein, wie mit - zum Teil weltanschaulich bedingten, aber auch mit guten Gründen vorgetragenen - kategorischen Grenzziehungen umgegangen werden soll. Kuhlmanns liberaler Ansatz vermischt sich - ohne darüber Rechenschaft abzulegen - mit einem utilitaristischen Denken, das im Zweifel für wachsende Handlungsoptionen und nicht für eine "Heuristik der Furcht" (Hans Jonas) plädiert. Es ist eine völlig legitime Position, vielleicht sogar die einem liberalen demokratischen Rechtsstaat angemessene. Dies näher zu begründen, hätte man sich jedoch von einem argumentativ gewandten Autor gewünscht.
ACHIM BAHNEN
Andreas Kuhlmann: "Politik des Lebens - Politik des Sterbens". Biomedizin in der liberalen Demokratie. Alexander Fest Verlag, Berlin 2001. 234 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Wie man sich auch in Fragen der Biomedizin entscheidet, man sollte auf jeden Fall nach Meinung der Rezensentin Elisabeth von Thadden zuvor das Buch von Andreas Kuhlmann gelesen haben. Zwar befürwortet die Rezensentin im Gegensatz zum Autor eine eher präventiv verbietende Haltung im Streit um genetische Eingriffe, dennoch bietet nach ihrer Aussage das Buch für alle Seiten Argumente, da der Autor auf dem neuesten Stand der Forschung immer bemüht ist, auch sämtliche Gegenargumente aufzuführen. Eine absolutes Plus und die "seltene Stärke" dieses Buches, die es auch "spannend" zu lesen macht, so die Rezensentin. Wäre da nicht ein gewisser theoretischer Mangel, der der Anschaulichkeit zuliebe auf ausführlichere Begriffsbildungen verzichtet, wodurch zeitweise "das Faktische mit dem Wünschbaren und dem Notwendigen" vermischt wird. Ein Mangel jedoch, der eher als Warnung an den Leser zu verstehen ist und keineswegs an der uneingeschränkten abschließenden Leseempfehlung der Rezensentin etwas ändert.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH