Will Politik beraten sein?
Ja, aber nicht immer, nicht überall und nicht durch jeden, der Politikberatung professionell oder als Wissenschaftler anbietet. In der Berliner Republik hat sich die Nachfrage nach Politikberatung gewandelt. Ein klares Indiz hierfür ist die wachsende privatwirtschaftliche Politikberatung. Der Anspruch lautet heute: Zum einen zwischen Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit zu vermitteln; zum anderen die Brücke zwischen Wissenschaft und politischer Praxis zu schlagen.
Die deutsche Politikberaterszene sucht international nach Orientierungspunkten und ein neues Selbstverständnis, auch als Profession. Zur Professionalisierung gehört, angeheizt durch Affären und Skandale, die wachsende Debatte um Ethik, Verhaltensregeln, Selbstregulierung und die Grenzen von Lobbying, Spin und Kontaktgeschäft. Denn Politikberater bewegen sich oft auf dem schwierigen Gelände von Interessenkonflikten und geringer demokratischer Kontrolle.
Dieser Band dokumentiert zwei Berliner Fachtagungen der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung und dem Deutschen Institut für Public Affairs. Zu Wort kommen Praktiker aus dem In- und Ausland. Ihre Analysen werden ergänzt durch eine bisher einmalige Dokumentation internationaler Beispiele für Verhaltensregeln für Politikberater und Politiker.
Ja, aber nicht immer, nicht überall und nicht durch jeden, der Politikberatung professionell oder als Wissenschaftler anbietet. In der Berliner Republik hat sich die Nachfrage nach Politikberatung gewandelt. Ein klares Indiz hierfür ist die wachsende privatwirtschaftliche Politikberatung. Der Anspruch lautet heute: Zum einen zwischen Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit zu vermitteln; zum anderen die Brücke zwischen Wissenschaft und politischer Praxis zu schlagen.
Die deutsche Politikberaterszene sucht international nach Orientierungspunkten und ein neues Selbstverständnis, auch als Profession. Zur Professionalisierung gehört, angeheizt durch Affären und Skandale, die wachsende Debatte um Ethik, Verhaltensregeln, Selbstregulierung und die Grenzen von Lobbying, Spin und Kontaktgeschäft. Denn Politikberater bewegen sich oft auf dem schwierigen Gelände von Interessenkonflikten und geringer demokratischer Kontrolle.
Dieser Band dokumentiert zwei Berliner Fachtagungen der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung und dem Deutschen Institut für Public Affairs. Zu Wort kommen Praktiker aus dem In- und Ausland. Ihre Analysen werden ergänzt durch eine bisher einmalige Dokumentation internationaler Beispiele für Verhaltensregeln für Politikberater und Politiker.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2005Dies Bildnis ist bezaubernd schön
Mit und ohne Kamera: Wissenschaftler, Lobbyisten und Agenturen tummeln sich auf dem Feld der Politikberatung
Stefan Fisch/Wilfried Rudloff (Herausgeber): Experten und Politik. Wissenschaftliche Politikberatung in geschichtlicher Perspektive. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2004. 384 Seiten, 98,- [Euro].
Steffen Dagger/Christoph Greiner/Kirsten Leinert (Herausgeber): Politikberatung in Deutschland. Praxis und Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004. 222 Seiten, 24,90 [Euro].
Marco Althaus/Dominik Meier (Herausgeber): Politikberatung - Praxis und Grenzen. LIT Verlag, Münster 2004. 269 Seiten, 19,90 [Euro].
Politikberatung ist - um mit Fontane zu sprechen - ein weites Feld, auf dem sich sehr unterschiedliche Akteure tummeln: Wissenschaftler, Lobbyisten und Agenturen. Die Variantenvielfalt macht generelle Aussagen fast unmöglich. Vor allem aber ist Politikberatung - in Deutschland zumal - so kontrovers wie die Politik und die Politiker, die beraten werden. Manche Beobachter glauben, zur Zeit eine Hochkonjunktur der Politikberatung feststellen zu können. Andere sprechen angesichts skandalöser Vorgänge von einer Vertrauenskrise. Die einen sehen in der Politikberatung eine potestas indirecta oder "fünfte Gewalt", die anderen schätzen ihren Einfluß gering ein. Einige versprechen sich von der Politikberatung rationale, sachadäquate Problemlösungen und einen pluralistischen Diskurs, wieder andere befürchten die Entdemokratisierung der Politik durch eine unverantwortliche und unkontrollierte "Nebenregierung".
Soweit die Politikberatung durch Wissenschaftler erfolgt, erhoffen sich viele eine Verwissenschaftlichung der Politik, während andere eine Politisierung der Wissenschaft befürchten. Wissenschaft als Aufklärerin oder als Magd der Politik? Distanz zur Politik oder Nähe? Und seit in der Politikberatung kommerzielle Unternehmen - Consultingfirmen - eine zunehmende Rolle spielen und aus Staatsaufträgen ihre Gewinne erzielen, wird das Für und Wider der Ökonomisierung des politischen Lebens auch in diesem Bereich aktuell - Stichwort: Gutachterindustrie. Schließlich erzeugt die Professionalisierung - also Politikberatung als Beruf - die Tendenz, die "Angebotsseite" durch eigene Studien- und Ausbildungsgänge zu stärken und dabei auch ein spezielles Berufsethos zu formulieren, das sich nach Auskunft der einschlägigen Dokumente an der Leerformel des Gemeinwohls orientiert und mit dem Bemühen um Verhaltensstandards der Politiker korrespondiert.
Dieses facettenreiche Bild mit seinen widersprüchlichen Interpretationen spiegelt sich in drei Büchern wider, die dazu beitragen wollen, die jeweiligen Aspekte zu beleuchten und die Argumente deutlicher erkennbar zu machen. Es geschieht in unterschiedlicher Weise und auf verschiedenem Niveau. Das von Marco Althaus und Dominik Meier herausgegebene Buch enthält die Tonbandabschrift der "Panels" von zwei Fachkonferenzen, die 2003/04 an dem privaten "Deutschen Institut für Public Affairs" (Potsdam/Berlin) veranstaltet wurden. Dessen "Gesellschafter und Akademischer Leiter", Mitherausgeber Althaus, hat einen längeren Beitrag nebst Dokumenten zur "Grauzone Berufsethos" beigesteuert. In dem von Steffen Dagger und anderen zusammengestellten Band sind die Gastreferate eines "praxisnahen Seminars" am Berliner Otto-Suhr-Institut abgedruckt; es ist also gewissermaßen ein Grundkurs-Reader für Lehre und Praxis der Politikberatung. Die von Stefan Fisch und Wilfried Rudloff sorgfältig recherchierte und ordentlich redigierte Publikation ist hervorgegangen aus einer Tagung am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung der Hochschule Speyer. Die Entwicklung der wissenschaftlichen Politikberatung in Deutschland vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart wird kenntnisreich nachzeichnet und wirkungspolitisch analysiert. Die Lektüre dürfte von all denjenigen, die der Talkshows müde sind, goutiert werden.
Selbstverständlich hat es Politikberatung auch vor dem 19. Jahrhundert gegeben. Was beispielsweise Niccolò Machiavelli zu Beginn des 16. Jahrhunderts an Ratschlägen aufgeschrieben hat, ist in vielem heute noch relevant. Aber erst der moderne Interventionsstaat hat - so Wilfried Rudloff - den Nährboden für eine ständig expandierende Expertenkultur geschaffen. Und mit der Fortentwicklung des Interventionsstaates hat sich auch die wissenschaftliche Politikberatung verändert: "Von den frühen Anfängen eines informellen, fast durchweg persönlichen Beratertums führte der Trend im 20. Jahrhundert zur Institutionalisierung und Verstetigung des Austauschs von Sachverstand und Politik." Im Kaiserreich überwiegt die individuelle Politikberatung durch hochrangige Gelehrte. Aber es gibt auch bereits neue Formen wie die beiden großen Schulkonferenzen von 1890 und 1900. Der Erste Weltkrieg und dann die Umbruchsituation in der Weimarer Republik erhöhen das Bedürfnis nach institutioneller Beratung. Von jetzt an erhält auch das parlamentarische Instrument der Enquete-Kommission große Bedeutung; der parlamentarische "Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft" befragte 6422 Sachverständige. Die wechselseitige Inanspruchnahme von Politik und Wissenschaft setzte sich im "Dritten Reich" in desaströser Weise fort: "Wo es ihnen von Nutzen war, machten die Exponenten des Regimes von wissenschaftlicher Expertise bereitwillig Gebrauch, und gerade junge, aufstrebende Wissenschaftler wußten die so entstehende Nachfrage nicht nur zu bedienen, sondern auch ihrerseits zu stimulieren."
Im Mittelpunkt des Fisch/Rudloff-Bandes steht die Politikberatung in der "alten" Bundesrepublik. Jetzt gelangt die "gremiengestützte Politikberatung" zur vollen Entfaltung. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft (mit dem Nationalökonomen Erich Preiser als Leitfigur), der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die deutsche Atomkommission und andere werden gründlich untersucht - häufig unter erstmaliger Nutzung der Archivalien. Hingegen wird die Tätigkeit der aus dem Staatshaushalt finanzierten "Denkfabriken" - so das außen- und sicherheitspolitische Forschungsinstitut der Stiftung Wissenschaft und Politik - nur gestreift. Glanzstück des Buches ist der faszinierende Beitrag von Clemens Albrecht über "Adorno bei der Bundeswehr" - die geheim gehaltene Politikberatung durch Adorno und sein Frankfurter Institut für Sozialforschung mit dem Ziel, aktuelle und "potentielle Antidemokraten" mit Hilfe psychologischer Tests zu identifizieren und von dem neuen Offizierskorps fernzuhalten.
Daß ferner die Politikberatung im Wahlkampf analysiert und bewertet wird, versteht sich fast von selbst. Dort ist die Professionalisierung besonders ausgeprägt. Und was das gesamtpolitisch bedeutet, zeigt der Hinweis, daß die Wahlkampfzentrale - mit der bestimmenden Rolle der externen Werbefachleute und PR-Experten - als eine "Diktatur auf Zeit" verstanden werden kann. Eine Sonderrolle spielen die aus öffentlichen Mitteln finanzierten parteinahen politischen Stiftungen, die in den beiden mehr gegenwartsbezogenen Büchern gebührend dargestellt und erörtert werden. Neben ihrer bildungspolitischen Arbeit sind diese Stiftungen teils Mitspieler, teils Berater der Politik in Deutschland und im Ausland; die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung haben jeweils in zirka 70 Ländern Büros, in fast 120 Ländern Projekte. Eine gewisse Distanz zur politischen Partei auf der Basis formaler Unabhängigkeit ist nützlich; da sind sich alle einig. Aber die politische Stiftung ist nicht "neutral", sondern eher - wie Uwe Optenhögel von der Friedrich-Ebert-Stiftung es formulierte - ein Tendenzbetrieb: "Von uns will man eine bestimmte Beratung in einer bestimmten Richtung."
Ob zumindest die wissenschaftliche Politikberatung vom Anspruch her (partei)politisch "neutral" ist oder sein sollte, hängt logischerweise vom Wissenschaftsverständnis des Beraters und des zu beratenden Politikers ab. Die von Althaus/Meier betreuten Diskussionsmitschnitte offenbaren seltsame Auffassungen - sogar unter Professoren. Mit Erstaunen und Amüsement erfährt man von dem neuen Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Eberhard Sandschneider, daß nach seinem Wissenschaftsverständnis ein Wissenschaftler als Berater "nichts anderes" tue "als jemand, der hier sitzt, eine Kamera in die Hand nimmt und ein Bild macht". Der beratende Professor als Fotograf! Politikberatung ist für Sandschneider "erfolgreich, wenn sie fotografiert und nicht über die technischen Möglichkeiten des Objektivs redet". Dietmar Herz von der "Erfurt School of Public Policy" widerspricht diesem reduzierten Wissenschafts- und Beratungsverständnis mit dem treffenden Hinweis, daß die verschiedenen methodischen Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, was auch der Politiker sehr wohl wisse und zu verstehen vermöge. Deshalb müßten die methodischen Verfahren und Annahmen offengelegt und vermittelt werden.
Wendet man sich nach diesem Ausflug in die schöne Welt der sogenannten Panelkultur wieder den originären Forschungsergebnissen über die Wirkung der Politikberatung zu, so ist der diesbezügliche Befund alles andere als einheitlich. Als Beispiel sei lediglich die Schlußfolgerung erwähnt, die Gabriele Metzler aus ihrer Untersuchung des "Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" zieht: "Längst ist der Nimbus von Sachverstand und Neutralität im Schwinden begriffen, haben die Wissenschaften nicht nur die Welt entzaubert, sondern sind selbst ,entzauberte Wissenschaft'."
Generell ist festzustellen: Je deutlicher wird, daß bei der Auswahl der akademischen Politikberater, insbesondere bei der Besetzung von Kommissionen, die (partei)politische Affinität eine große Rolle spielt, desto fragwürdiger wird die sachliche Überzeugungskraft. Der wissenschaftlichen Beratung kann allenfalls die positive Wirkung zugeschrieben werden, "den Dissens als Triebkraft der Wissenschaften in die politische Arena hineinzutragen" (Wilfried Rudloff). Das dürfte auch für die Beratungsgremien der jüngsten Vergangenheit gelten: von der Hartz-, Rürup-, Herzog- und Süssmuth-Kommission über den Nationalen Ethikrat bis zum neuen Innovationsrat. Ob den Hoffnungen des neuen Fachs "Public Affairs" entsprechend "organisierte Dialoge" zwischen Experten und Betroffenen "eine kreativere, kooperationsfreudige und dissensfähige, reflexivere Demokratie" fördern werden, sei dahingestellt. Dem beratungspolitischen Idealismus scheinen offenbar keine Grenzen gesetzt zu sein - wie könnte man auch sonst dieses Fach studieren.
Auf jeden Fall sollte man aufmerksam zur Kenntnis nehmen, was Carl Böhret am Schluß des Buches von Fisch/Rudloff in einem leicht lesbaren Aufsatz ausgeführt hat: Trotz oder gerade wegen des Siegeszugs institutionalisierter Beratung durch Gremien, Kommissionen und professionelle Agenturen ist die individuelle persönliche Beratung - das individuelle, vertrauliche "Coaching" im Dialog unter vier Augen - weiterhin bedeutsam und vielleicht, wie früher, am wirkungsvollsten. Kurzum: "Politik-Coach", Kommissionskoryphäe und professioneller "Political Consultant" sind heute und wohl auch künftig die drei Typen der modernen Politikberatung. Die Vielfalt wird erhalten bleiben - und das ist gut so.
WERNER LINK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit und ohne Kamera: Wissenschaftler, Lobbyisten und Agenturen tummeln sich auf dem Feld der Politikberatung
Stefan Fisch/Wilfried Rudloff (Herausgeber): Experten und Politik. Wissenschaftliche Politikberatung in geschichtlicher Perspektive. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2004. 384 Seiten, 98,- [Euro].
Steffen Dagger/Christoph Greiner/Kirsten Leinert (Herausgeber): Politikberatung in Deutschland. Praxis und Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004. 222 Seiten, 24,90 [Euro].
Marco Althaus/Dominik Meier (Herausgeber): Politikberatung - Praxis und Grenzen. LIT Verlag, Münster 2004. 269 Seiten, 19,90 [Euro].
Politikberatung ist - um mit Fontane zu sprechen - ein weites Feld, auf dem sich sehr unterschiedliche Akteure tummeln: Wissenschaftler, Lobbyisten und Agenturen. Die Variantenvielfalt macht generelle Aussagen fast unmöglich. Vor allem aber ist Politikberatung - in Deutschland zumal - so kontrovers wie die Politik und die Politiker, die beraten werden. Manche Beobachter glauben, zur Zeit eine Hochkonjunktur der Politikberatung feststellen zu können. Andere sprechen angesichts skandalöser Vorgänge von einer Vertrauenskrise. Die einen sehen in der Politikberatung eine potestas indirecta oder "fünfte Gewalt", die anderen schätzen ihren Einfluß gering ein. Einige versprechen sich von der Politikberatung rationale, sachadäquate Problemlösungen und einen pluralistischen Diskurs, wieder andere befürchten die Entdemokratisierung der Politik durch eine unverantwortliche und unkontrollierte "Nebenregierung".
Soweit die Politikberatung durch Wissenschaftler erfolgt, erhoffen sich viele eine Verwissenschaftlichung der Politik, während andere eine Politisierung der Wissenschaft befürchten. Wissenschaft als Aufklärerin oder als Magd der Politik? Distanz zur Politik oder Nähe? Und seit in der Politikberatung kommerzielle Unternehmen - Consultingfirmen - eine zunehmende Rolle spielen und aus Staatsaufträgen ihre Gewinne erzielen, wird das Für und Wider der Ökonomisierung des politischen Lebens auch in diesem Bereich aktuell - Stichwort: Gutachterindustrie. Schließlich erzeugt die Professionalisierung - also Politikberatung als Beruf - die Tendenz, die "Angebotsseite" durch eigene Studien- und Ausbildungsgänge zu stärken und dabei auch ein spezielles Berufsethos zu formulieren, das sich nach Auskunft der einschlägigen Dokumente an der Leerformel des Gemeinwohls orientiert und mit dem Bemühen um Verhaltensstandards der Politiker korrespondiert.
Dieses facettenreiche Bild mit seinen widersprüchlichen Interpretationen spiegelt sich in drei Büchern wider, die dazu beitragen wollen, die jeweiligen Aspekte zu beleuchten und die Argumente deutlicher erkennbar zu machen. Es geschieht in unterschiedlicher Weise und auf verschiedenem Niveau. Das von Marco Althaus und Dominik Meier herausgegebene Buch enthält die Tonbandabschrift der "Panels" von zwei Fachkonferenzen, die 2003/04 an dem privaten "Deutschen Institut für Public Affairs" (Potsdam/Berlin) veranstaltet wurden. Dessen "Gesellschafter und Akademischer Leiter", Mitherausgeber Althaus, hat einen längeren Beitrag nebst Dokumenten zur "Grauzone Berufsethos" beigesteuert. In dem von Steffen Dagger und anderen zusammengestellten Band sind die Gastreferate eines "praxisnahen Seminars" am Berliner Otto-Suhr-Institut abgedruckt; es ist also gewissermaßen ein Grundkurs-Reader für Lehre und Praxis der Politikberatung. Die von Stefan Fisch und Wilfried Rudloff sorgfältig recherchierte und ordentlich redigierte Publikation ist hervorgegangen aus einer Tagung am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung der Hochschule Speyer. Die Entwicklung der wissenschaftlichen Politikberatung in Deutschland vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart wird kenntnisreich nachzeichnet und wirkungspolitisch analysiert. Die Lektüre dürfte von all denjenigen, die der Talkshows müde sind, goutiert werden.
Selbstverständlich hat es Politikberatung auch vor dem 19. Jahrhundert gegeben. Was beispielsweise Niccolò Machiavelli zu Beginn des 16. Jahrhunderts an Ratschlägen aufgeschrieben hat, ist in vielem heute noch relevant. Aber erst der moderne Interventionsstaat hat - so Wilfried Rudloff - den Nährboden für eine ständig expandierende Expertenkultur geschaffen. Und mit der Fortentwicklung des Interventionsstaates hat sich auch die wissenschaftliche Politikberatung verändert: "Von den frühen Anfängen eines informellen, fast durchweg persönlichen Beratertums führte der Trend im 20. Jahrhundert zur Institutionalisierung und Verstetigung des Austauschs von Sachverstand und Politik." Im Kaiserreich überwiegt die individuelle Politikberatung durch hochrangige Gelehrte. Aber es gibt auch bereits neue Formen wie die beiden großen Schulkonferenzen von 1890 und 1900. Der Erste Weltkrieg und dann die Umbruchsituation in der Weimarer Republik erhöhen das Bedürfnis nach institutioneller Beratung. Von jetzt an erhält auch das parlamentarische Instrument der Enquete-Kommission große Bedeutung; der parlamentarische "Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft" befragte 6422 Sachverständige. Die wechselseitige Inanspruchnahme von Politik und Wissenschaft setzte sich im "Dritten Reich" in desaströser Weise fort: "Wo es ihnen von Nutzen war, machten die Exponenten des Regimes von wissenschaftlicher Expertise bereitwillig Gebrauch, und gerade junge, aufstrebende Wissenschaftler wußten die so entstehende Nachfrage nicht nur zu bedienen, sondern auch ihrerseits zu stimulieren."
Im Mittelpunkt des Fisch/Rudloff-Bandes steht die Politikberatung in der "alten" Bundesrepublik. Jetzt gelangt die "gremiengestützte Politikberatung" zur vollen Entfaltung. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft (mit dem Nationalökonomen Erich Preiser als Leitfigur), der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die deutsche Atomkommission und andere werden gründlich untersucht - häufig unter erstmaliger Nutzung der Archivalien. Hingegen wird die Tätigkeit der aus dem Staatshaushalt finanzierten "Denkfabriken" - so das außen- und sicherheitspolitische Forschungsinstitut der Stiftung Wissenschaft und Politik - nur gestreift. Glanzstück des Buches ist der faszinierende Beitrag von Clemens Albrecht über "Adorno bei der Bundeswehr" - die geheim gehaltene Politikberatung durch Adorno und sein Frankfurter Institut für Sozialforschung mit dem Ziel, aktuelle und "potentielle Antidemokraten" mit Hilfe psychologischer Tests zu identifizieren und von dem neuen Offizierskorps fernzuhalten.
Daß ferner die Politikberatung im Wahlkampf analysiert und bewertet wird, versteht sich fast von selbst. Dort ist die Professionalisierung besonders ausgeprägt. Und was das gesamtpolitisch bedeutet, zeigt der Hinweis, daß die Wahlkampfzentrale - mit der bestimmenden Rolle der externen Werbefachleute und PR-Experten - als eine "Diktatur auf Zeit" verstanden werden kann. Eine Sonderrolle spielen die aus öffentlichen Mitteln finanzierten parteinahen politischen Stiftungen, die in den beiden mehr gegenwartsbezogenen Büchern gebührend dargestellt und erörtert werden. Neben ihrer bildungspolitischen Arbeit sind diese Stiftungen teils Mitspieler, teils Berater der Politik in Deutschland und im Ausland; die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung haben jeweils in zirka 70 Ländern Büros, in fast 120 Ländern Projekte. Eine gewisse Distanz zur politischen Partei auf der Basis formaler Unabhängigkeit ist nützlich; da sind sich alle einig. Aber die politische Stiftung ist nicht "neutral", sondern eher - wie Uwe Optenhögel von der Friedrich-Ebert-Stiftung es formulierte - ein Tendenzbetrieb: "Von uns will man eine bestimmte Beratung in einer bestimmten Richtung."
Ob zumindest die wissenschaftliche Politikberatung vom Anspruch her (partei)politisch "neutral" ist oder sein sollte, hängt logischerweise vom Wissenschaftsverständnis des Beraters und des zu beratenden Politikers ab. Die von Althaus/Meier betreuten Diskussionsmitschnitte offenbaren seltsame Auffassungen - sogar unter Professoren. Mit Erstaunen und Amüsement erfährt man von dem neuen Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Eberhard Sandschneider, daß nach seinem Wissenschaftsverständnis ein Wissenschaftler als Berater "nichts anderes" tue "als jemand, der hier sitzt, eine Kamera in die Hand nimmt und ein Bild macht". Der beratende Professor als Fotograf! Politikberatung ist für Sandschneider "erfolgreich, wenn sie fotografiert und nicht über die technischen Möglichkeiten des Objektivs redet". Dietmar Herz von der "Erfurt School of Public Policy" widerspricht diesem reduzierten Wissenschafts- und Beratungsverständnis mit dem treffenden Hinweis, daß die verschiedenen methodischen Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, was auch der Politiker sehr wohl wisse und zu verstehen vermöge. Deshalb müßten die methodischen Verfahren und Annahmen offengelegt und vermittelt werden.
Wendet man sich nach diesem Ausflug in die schöne Welt der sogenannten Panelkultur wieder den originären Forschungsergebnissen über die Wirkung der Politikberatung zu, so ist der diesbezügliche Befund alles andere als einheitlich. Als Beispiel sei lediglich die Schlußfolgerung erwähnt, die Gabriele Metzler aus ihrer Untersuchung des "Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" zieht: "Längst ist der Nimbus von Sachverstand und Neutralität im Schwinden begriffen, haben die Wissenschaften nicht nur die Welt entzaubert, sondern sind selbst ,entzauberte Wissenschaft'."
Generell ist festzustellen: Je deutlicher wird, daß bei der Auswahl der akademischen Politikberater, insbesondere bei der Besetzung von Kommissionen, die (partei)politische Affinität eine große Rolle spielt, desto fragwürdiger wird die sachliche Überzeugungskraft. Der wissenschaftlichen Beratung kann allenfalls die positive Wirkung zugeschrieben werden, "den Dissens als Triebkraft der Wissenschaften in die politische Arena hineinzutragen" (Wilfried Rudloff). Das dürfte auch für die Beratungsgremien der jüngsten Vergangenheit gelten: von der Hartz-, Rürup-, Herzog- und Süssmuth-Kommission über den Nationalen Ethikrat bis zum neuen Innovationsrat. Ob den Hoffnungen des neuen Fachs "Public Affairs" entsprechend "organisierte Dialoge" zwischen Experten und Betroffenen "eine kreativere, kooperationsfreudige und dissensfähige, reflexivere Demokratie" fördern werden, sei dahingestellt. Dem beratungspolitischen Idealismus scheinen offenbar keine Grenzen gesetzt zu sein - wie könnte man auch sonst dieses Fach studieren.
Auf jeden Fall sollte man aufmerksam zur Kenntnis nehmen, was Carl Böhret am Schluß des Buches von Fisch/Rudloff in einem leicht lesbaren Aufsatz ausgeführt hat: Trotz oder gerade wegen des Siegeszugs institutionalisierter Beratung durch Gremien, Kommissionen und professionelle Agenturen ist die individuelle persönliche Beratung - das individuelle, vertrauliche "Coaching" im Dialog unter vier Augen - weiterhin bedeutsam und vielleicht, wie früher, am wirkungsvollsten. Kurzum: "Politik-Coach", Kommissionskoryphäe und professioneller "Political Consultant" sind heute und wohl auch künftig die drei Typen der modernen Politikberatung. Die Vielfalt wird erhalten bleiben - und das ist gut so.
WERNER LINK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Zurückhaltend zeigt sich Werner Link gegenüber diesem von Marco Althaus und Dominik Meier herausgegebenen Band über Politikberatung, der die Tonbandabschrift der "Panels" von zwei Fachkonferenzen enthält, die 2003/04 an dem privaten "Deutschen Institut für Public Affairs" (Potsdam/Berlin) veranstaltet wurden. Manche der Diskussionsmitschnitte offenbaren für Link geradezu "seltsame Auffassungen", wenn es zum Beispiel um die Frage geht, ob zumindest die wissenschaftliche Politikberatung vom Anspruch her (partei)politisch "neutral" ist oder sein sollte. Die Meinung Eberhard Sandschneiders, ein Wissenschaftler als Berater tue nichts anderes "als jemand, der hier sitzt, eine Kamera in die Hand nimmt und ein Bild macht", löst bei Link "Erstaunen und Amüsement" aus. Sandschneider, Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, erachte Politikberatung für "erfolgreich, wenn sie fotografiert und nicht über die technischen Möglichkeiten des Objektivs redet". Zustimmen kann Link dagegen Dietmar Herz von der "Erfurt School of Public Policy", der diesem reduzierten Wissenschafts- und Beratungsverständnis widerspricht. Herz weise darauf hin, dass die verschiedenen methodischen Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, weshalb sie offengelegt und vermittelt werden müssten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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