Die verschiedenen Denktraditionen ökonomischer Theorie interpretieren politische Zusammenhänge aus unterschiedlicher Perspektive. Die Neoklassik betrachtet Politik als Auswahl von Handlungsalternativen und betont den Aspekt der Nachfrage nach Politik. Der analytische Fokus der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ist auf Wissen schaffende Wettbewerbsprozesse und damit auf das Angebot politischer Leistungen gerichtet. Dieses Buch zeigt, dass aus der Anwendung des neoklassischen und des Österreichischen Ansatzes unterschiedliche Folgerungen für die Formulierung einer auf den Gegenstand des politischen Betriebs gerichteten Ordnungspolitik resultieren, sich also unterschiedliche Antworten auf die Frage ergeben, wie der Ordnungsrahmen von Politik am besten zu gestalten sei. Inhaltsübersicht: 1. Von der Kritik zur Reform des politischen Betriebs 2. Theorien politischer Eliten 2.1. Der Begriff der politischen Elite 2.2. Der Gegensatz von Masse und Elite 3. Grundprinzipien einer Ordnungstheorie der Demokratie 3.1. Von der Wirtschafts- zur Staatsordnungspolitik 3.2. Grundlagen ökonomischer Analyse 3.2.1. Eigennutz als individuelles Handlungsmotiv 3.2.2. Marktliche Koordination individueller Handlungen 3.2.3. Modelldenken als methodisches Grundprinzip 3.3. Freiheit und Gleichheit im demokratietheoretischen Denken 3.4. Theorien der Demokratie 3.5. Die Verbindung von Ordnungstheorie und Demokratietheorie 4. Die neoklassische Perspektive: Neue Politische Ökonomie 4.1. Modelltheoretische Grundprinzipien 4.2. Die neoklassische Gleichgewichtskonzeption 4.3. Demokratie im neoklassischen Modell 4.4. Die Bewältigung politischen Marktversagens 4.4.1. Externe Effekte in politischen Ordnungen 4.4.2. Transaktionskosten und Institutionen 4.4.3. Effizienzsteigerung und Optimierung 4.5. Schwerpunkte einer neoklassischen Politischen Ökonomie 5. Die Perspektive der Österreichischen Schule: Politische Marktprozesse 5.1. Grundlagen marktprozeßtheoretischer Ansätze 5.1.1. Die subjektive Begründung individueller Handlungen 5.1.2. Die Bedeutung von Wissen in Marktprozessen 5.1.3. Methodologischer Subjektivismus 5.2. Aspekte der Koordination individueller Pläne 5.2.1. Marktprozesse 5.2.2. Unternehmer 5.2.3. Institutionen 5.3. Marktprozesse in politischen Ordnungen 5.3.1. Politische Märkte 5.3.2. Politische Unternehmer 5.3.3. Politische Parteien 5.3.4. Institutionelle Hemmnisse politischer Marktprozesse 6. Folgerungen für eine Politische Ökonomie des Politikbetriebs
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2005Aufgerüttelt
Zur Frankfurter Buchmesse - Bücher zum Thema Politik und Wirtschaft
Die politische Situation Deutschlands ist allemal verfahren, die wirtschaftliche Lage zumindest schwierig. Die große Koalition formiert sich, und alles riecht erst einmal nach Stillstand. Die Reformbereitschaft der Bevölkerung mag im allgemeinen zwar gering sein, wie sich in den Bundestagswahlen gezeigt hat, die Unzufriedenheit jedoch ist ebenso deutlich. Das zeigt sich auch im Tenor der zunehmend auf den Markt kommenden populärwissenschaftlichen Bücher, deren Verfasser sich mit wirtschaftspolitischen Fragen auseinandersetzen: So wie bisher könne es nun wirklich nicht mehr weitergehen, heißt es allenthalben. Es wird kräftig aufgerüttelt. Auffällig dabei ist, daß die Verlage für ihre Sachbücher zunehmend auf Journalisten als Autoren zurückgreifen. Schließlich bringen diese zumeist eine flüssige Schreibe mit, die auch sperrige Sachverhalte in leichtverdauliche Gedankenhäppchen kleinschnipselt.
In der Misere Mut machen will beispielsweise ein Autorenteam um die Journalistin Dagmar Deckstein (Süddeutsche Zeitung). Das Buch mit dem energisch auftrumpfenden Titel "Wir kündigen!" ist politisch unkorrekt. Es wendet sich gegen Angstmacher und Ängstliche, gegen Wehklager und Wehklagen-Genießende, gegen Bedenkenträger und Zauderer, gegen Kollektivisten und Kollektivierte, gegen Begriffsverwirrer und Verwirrte, gegen Sprücheklopfer und Hohlköpfe, gegen die Bequemen, Verhinderer, Nörgler, Ökofanatiker, Kassandras. Die vier Autoren schüren Zukunftshoffnung statt Zukunftsangst. Sie erkennen Chancen, wo andere nur Risiken sehen. Sie verachten den deutschen Feuilletonismus, "wo er in Schwermut macht und sich mit Vorliebe an Alarmismus und Apokalypse delektiert". Sie wollen "sagen, was Sache ist, provozieren, um Denken anzuregen, anprangern, was verdummt". Sie "vertrauen auf Selbstorganisation, schätzen das Vitale von Vielfalt". Sie wollen "mehr Selbstverwirklichung, mehr Möglichkeitsräume, mehr wilde Freiheit". Sie kümmert nicht, was sich Bürger als politisch korrekt aufnötigen lassen, sondern sie gehen dagegen an - vehement, wortstark, erfrischend. Die dreißig Einzelbeiträge sind Schlüsselbegriffen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gewidmet, darunter Arbeit, Bildung, Fortschritt, Freiheit, Geld, Leistung, Mobilität, Nachhaltigkeit, Risiko, Wachstum, Werte, Wohlstand und Zukunft. Alle richten sich gegen "Stagnation und Müdigkeit, Reformhuberei und Wortfälschung", plädieren für den "Aufbruch in eine bessere Gesellschaft", sind bemüht um Stimmungsumschwung und durchzogen von Freiheitsdrang. Dargeboten wird alles leicht lesbar - allerdings auch derart dahingeplaudert, daß es auf Dauer ein wenig ermüdet. Politiker, die es nötig hätten, erreichen und überzeugen die vier Mutmacher wohl kaum, aber Gleichgesinnte werden sich bestärkt fühlen. (Dagmar Deckstein/Peter Felixberger/Michael Gleich/Wolf Lotter: Wir kündigen! Und definieren das Land neu. Carl Hanser Verlag, München 2005, 192 Seiten, 19,90 Euro.)
Weniger optimistisch kommt das Buch "Die Strippenzieher" daher. Schon der Titel des Buches ist symbolträchtig. Es zeigt einen vielfach gefesselten Bundesadler. Das Tier hat seine Freiheit längst verloren. So sitzt er da, erstarrt, seine mächtigen Schwingen gebunden. Armes Deutschland. Gefangen im Interessendickicht der Lobbyisten - so schildern die beiden Autoren (Die Zeit) den Zustand des politischen Berlin. Sie kennen ihn aus eigener Anschauung, jahrelanger journalistischer Beobachtung und Begleitung. So ist das Buch an den Stellen am stärksten und spannendsten, wo die Autoren wie in Fallstudien - zum Beispiel mit Blick auf den Dieselrußfilter oder das Energiewirtschaftsgesetz - recht genau beschreiben, wie die medialen und politischen Wirkungsmechanismen funktionieren: Wo und wie Medienberater ins Spiel gebracht werden, um auf den Umweg über die veröffentlichte Meinung den Meinungsbildungsprozeß in den Regierungsstuben zu beeinflussen; warum und an welchen Stellen Vorstände und Verbände direkten Einfluß auf Kanzler, Minister, Abgeordnete, Referenten und Gesetze nehmen. Sie weisen darauf hin, daß der Einfluß der Verbände sinkt, der Einfluß großer Unternehmen indes steigt. Gammelin und Hamann analysieren vergleichsweise neue Phänomene der politischen Lobbyarbeit wie die von den Metallarbeitgebern ins Leben gerufene "Initiative neue Soziale Marktwirtschaft". Allerdings schreiben sie dieser wohl mehr Wirkung und Einfluß zu, als sie in Wirklichkeit hat. Doch reicht die lesenswerte Analyse für nachdenkenswerte Forderungen nach mehr Transparenz und Offenlegungsvorschriften für Lobbyisten und Politiker. Ein kurzer Rückblick erinnert an längst vergangene und fast vergessene Skandale der bundesdeutschen Geschichte. Und weil die spannendste Frage immer noch lautet "Wer mit wem, wo?" wird der Voyeurismus des lesenden Souveräns auch noch mit allerlei Anekdoten rund um einschlägige Restaurants und Cafés bedient. (Cerstin Gammelin/Götz Hamann: Die Strippenzieher. Manager, Minister, Medien - Wie Deutschland regiert wird. Econ-Verlag, Berlin 2005, 303 Seiten, 16,95 Euro.)
Genau in die Kerbe der Zauderer und Nörgler, wie sie Dagmar Deckstein und ihre Koautoren bekämpfen, haut indes der Wirtschaftsjournalist und Wiso-Moderator Michael Opoczynski (ZDF) mit seinem neuen Buch. Auf mehr als 270 Seiten arbeitet er dort im besten Magazin-Stil seine zum Titel erhobene These ab, nach der die Manager (natürlich nicht alle) die "Blutsauger der Nation" seien und der von ihnen entfachte "entfesselte Kapitalismus uns ruiniert". Da wird postuliert, daß die Wirtschaft den Menschen nur noch "als notwendiges Übel" betrachtet und Unternehmen sich beim Staat wie in einem Selbstbedienungsladen nehmen, was sie gerade brauchen können. Garniert wird der Ausflug in die jüngere deutsche Wirtschaftsgeschichte mit den abgedroschenen "Peanuts" des Herrn Kopper, weithin aus der Zeitung bekannten Geschichten über Opel, Mobilcom und Müller-Milch oder über Spekulanten wie George Soros, einer Fleißarbeit darüber, welcher Topmanager welchen Kollegen in welchem Aufsichtsrat trifft, und natürlich Münteferings "Heuschrecken". Opoczynskis Buch folgt einem heftigen Thesen-Journalismus. Was nicht in die Argumentationslinie paßt, wird eben weggelassen oder nur eben mal so am Rande erwähnt. Leidenschaftlich sei das Buch, heißt es auf dem Klappentext. Aber wie oft hat die Leidenschaft schon den klaren Blick auf die Welt verstellt? (Michael Opoczynski: Die Blutsauger der Nation. Wie ein entfesselter Kapitalismus uns ruiniert. Droemer Verlag, München 2005, 270 Seiten, 16,90 Euro.)
Deutlich mehr in die Tiefe geht da ein wissenschaftliches Buch, dessen Autor - kein Journalist - sich von dem Befund einer allgemeinen Unzufriedenheit der Bürger mit dem politischen Betrieb und mit dem bloßen Eigennutzdenken der politischen Klasse leiten läßt, die sich den "Staat zur Beute" gemacht habe. Franz Beitzinger fragt, wie sich das ändern läßt und wie man den Ordnungsrahmen für die Politik besser gestalten kann. Beitzinger stützt seine Analyse auf die Österreichische Schule der Nationalökonomie. Deren theoretischer Ansatz lasse sich für die Analyse politischer Vorgänge in gleicher Weise nutzen wie jener der Neoklassik, des ökonomischen "Mainstream". Er allerdings erlaube ein ganz anderes Spektrum von Bewertungen politischer Ordnungen und von Schlußfolgerungen. Diese beiden unterschiedlichen wirtschaftswissenschaftlichen Denktraditionen in ihrer Anwendung auf politikwissenschaftliche Fragen zu vergleichen, das ist das reizvolle Thema dieses Buches. Auf diese Weise will der Autor zum einen den Gedanken ordnungspolitischen Denkens vom Gegenstand der Ökonomie auf den der Politik übertragen und zum anderen die Konsequenzen herausarbeiten, die sich für die Formulierung einer solchen Ordnungspolitik ergeben, wenn man sich dabei entweder der einen oder der anderen Denkweise bedient. Das Ziel des Vergleichs ist, den notwendigen theoretischen Rahmen zu erarbeiten, mit dessen Hilfe die mannigfaltigen Vorschläge zur Reform des politischen Betriebs bewertet werden können.
Die Frage danach, wie der Ordnungsrahmen von Politik zu gestalten sei, ist in Neoklassik und Österreichischer Schule sehr unterschiedlich. Beim neoklassischen Ansatz lautet sie nach der Formulierung des Autors so: "Wie kann der politische Betrieb organisiert werden, damit eine optimale Auswahl der Politik durch deren Konsumenten sichergestellt ist?" Eine politische Ordnung auf dieser Grundlage ist unmittelbar ergebnisorientiert (mit dem Ziel einer optimalen Allokation von Ressourcen und der Nutzenmaximierung). In ihr neigen die politischen Unternehmer populistisch zu direkten staatlichen Eingriffen, wenn über das Ergebnis Unzufriedenheit herrscht und sie Wählermehrheiten und Klientelgruppen gewinnen wollen. Nach dem Ansatz der Österreichische Schule indes heißt die Frage: "Wie muß eine politische Ordnung gestaltet sein, damit in ihr ein ,innovationsfreundliches Klima' herrscht, das die Entdeckung politischer Lösungen für gesellschaftspolitische Problemlagen zuläßt?"
Welcher Schule das Herz des Autors offenkundig gehört, ohne daß er es ausdrücklich bekennt, ist klar und wenig überraschend: Es ist die österreichische. Eine politische Ordnung auf ihrer Grundlage muß ergebnisoffen sein, muß darauf zielen, Freiheiten zu schaffen und zu erhalten. Sie muß nicht nur Wettbewerb um Wählerstimmen, sondern auch den Zugang zu diesem Wettbewerb ermöglichen und dadurch für die politischen Unternehmer Anreize setzen, im Eigeninteresse zu handeln und dabei für das Gemeininteresse zu wirken. Ihr Wert liegt vor allem darin, Beschränkungen des politischen Wettbewerbs zu identifizieren und darauf hinzuwirken, diese zurückzudrängen. (Franz Beitzinger: Politische Ökonomie des Politikbetriebs. Die konzeptionellen Unterschiede verschiedener ökonomischer Theorietraditionen in Analyse und Bewertung politischer Ordnungen. Verlag Lucius & Lucius, Stuttgart 2004, 170 Seiten, 38 Euro.)
ANDREAS MIHM.
KLAUS PETER KRAUSE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Die politische Situation Deutschlands ist allemal verfahren, die wirtschaftliche Lage zumindest schwierig. Die große Koalition formiert sich, und alles riecht erst einmal nach Stillstand. Die Reformbereitschaft der Bevölkerung mag im allgemeinen zwar gering sein, wie sich in den Bundestagswahlen gezeigt hat, die Unzufriedenheit jedoch ist ebenso deutlich. Das zeigt sich auch im Tenor der zunehmend auf den Markt kommenden populärwissenschaftlichen Bücher, deren Verfasser sich mit wirtschaftspolitischen Fragen auseinandersetzen: So wie bisher könne es nun wirklich nicht mehr weitergehen, heißt es allenthalben. Es wird kräftig aufgerüttelt. Auffällig dabei ist, daß die Verlage für ihre Sachbücher zunehmend auf Journalisten als Autoren zurückgreifen. Schließlich bringen diese zumeist eine flüssige Schreibe mit, die auch sperrige Sachverhalte in leichtverdauliche Gedankenhäppchen kleinschnipselt.
In der Misere Mut machen will beispielsweise ein Autorenteam um die Journalistin Dagmar Deckstein (Süddeutsche Zeitung). Das Buch mit dem energisch auftrumpfenden Titel "Wir kündigen!" ist politisch unkorrekt. Es wendet sich gegen Angstmacher und Ängstliche, gegen Wehklager und Wehklagen-Genießende, gegen Bedenkenträger und Zauderer, gegen Kollektivisten und Kollektivierte, gegen Begriffsverwirrer und Verwirrte, gegen Sprücheklopfer und Hohlköpfe, gegen die Bequemen, Verhinderer, Nörgler, Ökofanatiker, Kassandras. Die vier Autoren schüren Zukunftshoffnung statt Zukunftsangst. Sie erkennen Chancen, wo andere nur Risiken sehen. Sie verachten den deutschen Feuilletonismus, "wo er in Schwermut macht und sich mit Vorliebe an Alarmismus und Apokalypse delektiert". Sie wollen "sagen, was Sache ist, provozieren, um Denken anzuregen, anprangern, was verdummt". Sie "vertrauen auf Selbstorganisation, schätzen das Vitale von Vielfalt". Sie wollen "mehr Selbstverwirklichung, mehr Möglichkeitsräume, mehr wilde Freiheit". Sie kümmert nicht, was sich Bürger als politisch korrekt aufnötigen lassen, sondern sie gehen dagegen an - vehement, wortstark, erfrischend. Die dreißig Einzelbeiträge sind Schlüsselbegriffen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gewidmet, darunter Arbeit, Bildung, Fortschritt, Freiheit, Geld, Leistung, Mobilität, Nachhaltigkeit, Risiko, Wachstum, Werte, Wohlstand und Zukunft. Alle richten sich gegen "Stagnation und Müdigkeit, Reformhuberei und Wortfälschung", plädieren für den "Aufbruch in eine bessere Gesellschaft", sind bemüht um Stimmungsumschwung und durchzogen von Freiheitsdrang. Dargeboten wird alles leicht lesbar - allerdings auch derart dahingeplaudert, daß es auf Dauer ein wenig ermüdet. Politiker, die es nötig hätten, erreichen und überzeugen die vier Mutmacher wohl kaum, aber Gleichgesinnte werden sich bestärkt fühlen. (Dagmar Deckstein/Peter Felixberger/Michael Gleich/Wolf Lotter: Wir kündigen! Und definieren das Land neu. Carl Hanser Verlag, München 2005, 192 Seiten, 19,90 Euro.)
Weniger optimistisch kommt das Buch "Die Strippenzieher" daher. Schon der Titel des Buches ist symbolträchtig. Es zeigt einen vielfach gefesselten Bundesadler. Das Tier hat seine Freiheit längst verloren. So sitzt er da, erstarrt, seine mächtigen Schwingen gebunden. Armes Deutschland. Gefangen im Interessendickicht der Lobbyisten - so schildern die beiden Autoren (Die Zeit) den Zustand des politischen Berlin. Sie kennen ihn aus eigener Anschauung, jahrelanger journalistischer Beobachtung und Begleitung. So ist das Buch an den Stellen am stärksten und spannendsten, wo die Autoren wie in Fallstudien - zum Beispiel mit Blick auf den Dieselrußfilter oder das Energiewirtschaftsgesetz - recht genau beschreiben, wie die medialen und politischen Wirkungsmechanismen funktionieren: Wo und wie Medienberater ins Spiel gebracht werden, um auf den Umweg über die veröffentlichte Meinung den Meinungsbildungsprozeß in den Regierungsstuben zu beeinflussen; warum und an welchen Stellen Vorstände und Verbände direkten Einfluß auf Kanzler, Minister, Abgeordnete, Referenten und Gesetze nehmen. Sie weisen darauf hin, daß der Einfluß der Verbände sinkt, der Einfluß großer Unternehmen indes steigt. Gammelin und Hamann analysieren vergleichsweise neue Phänomene der politischen Lobbyarbeit wie die von den Metallarbeitgebern ins Leben gerufene "Initiative neue Soziale Marktwirtschaft". Allerdings schreiben sie dieser wohl mehr Wirkung und Einfluß zu, als sie in Wirklichkeit hat. Doch reicht die lesenswerte Analyse für nachdenkenswerte Forderungen nach mehr Transparenz und Offenlegungsvorschriften für Lobbyisten und Politiker. Ein kurzer Rückblick erinnert an längst vergangene und fast vergessene Skandale der bundesdeutschen Geschichte. Und weil die spannendste Frage immer noch lautet "Wer mit wem, wo?" wird der Voyeurismus des lesenden Souveräns auch noch mit allerlei Anekdoten rund um einschlägige Restaurants und Cafés bedient. (Cerstin Gammelin/Götz Hamann: Die Strippenzieher. Manager, Minister, Medien - Wie Deutschland regiert wird. Econ-Verlag, Berlin 2005, 303 Seiten, 16,95 Euro.)
Genau in die Kerbe der Zauderer und Nörgler, wie sie Dagmar Deckstein und ihre Koautoren bekämpfen, haut indes der Wirtschaftsjournalist und Wiso-Moderator Michael Opoczynski (ZDF) mit seinem neuen Buch. Auf mehr als 270 Seiten arbeitet er dort im besten Magazin-Stil seine zum Titel erhobene These ab, nach der die Manager (natürlich nicht alle) die "Blutsauger der Nation" seien und der von ihnen entfachte "entfesselte Kapitalismus uns ruiniert". Da wird postuliert, daß die Wirtschaft den Menschen nur noch "als notwendiges Übel" betrachtet und Unternehmen sich beim Staat wie in einem Selbstbedienungsladen nehmen, was sie gerade brauchen können. Garniert wird der Ausflug in die jüngere deutsche Wirtschaftsgeschichte mit den abgedroschenen "Peanuts" des Herrn Kopper, weithin aus der Zeitung bekannten Geschichten über Opel, Mobilcom und Müller-Milch oder über Spekulanten wie George Soros, einer Fleißarbeit darüber, welcher Topmanager welchen Kollegen in welchem Aufsichtsrat trifft, und natürlich Münteferings "Heuschrecken". Opoczynskis Buch folgt einem heftigen Thesen-Journalismus. Was nicht in die Argumentationslinie paßt, wird eben weggelassen oder nur eben mal so am Rande erwähnt. Leidenschaftlich sei das Buch, heißt es auf dem Klappentext. Aber wie oft hat die Leidenschaft schon den klaren Blick auf die Welt verstellt? (Michael Opoczynski: Die Blutsauger der Nation. Wie ein entfesselter Kapitalismus uns ruiniert. Droemer Verlag, München 2005, 270 Seiten, 16,90 Euro.)
Deutlich mehr in die Tiefe geht da ein wissenschaftliches Buch, dessen Autor - kein Journalist - sich von dem Befund einer allgemeinen Unzufriedenheit der Bürger mit dem politischen Betrieb und mit dem bloßen Eigennutzdenken der politischen Klasse leiten läßt, die sich den "Staat zur Beute" gemacht habe. Franz Beitzinger fragt, wie sich das ändern läßt und wie man den Ordnungsrahmen für die Politik besser gestalten kann. Beitzinger stützt seine Analyse auf die Österreichische Schule der Nationalökonomie. Deren theoretischer Ansatz lasse sich für die Analyse politischer Vorgänge in gleicher Weise nutzen wie jener der Neoklassik, des ökonomischen "Mainstream". Er allerdings erlaube ein ganz anderes Spektrum von Bewertungen politischer Ordnungen und von Schlußfolgerungen. Diese beiden unterschiedlichen wirtschaftswissenschaftlichen Denktraditionen in ihrer Anwendung auf politikwissenschaftliche Fragen zu vergleichen, das ist das reizvolle Thema dieses Buches. Auf diese Weise will der Autor zum einen den Gedanken ordnungspolitischen Denkens vom Gegenstand der Ökonomie auf den der Politik übertragen und zum anderen die Konsequenzen herausarbeiten, die sich für die Formulierung einer solchen Ordnungspolitik ergeben, wenn man sich dabei entweder der einen oder der anderen Denkweise bedient. Das Ziel des Vergleichs ist, den notwendigen theoretischen Rahmen zu erarbeiten, mit dessen Hilfe die mannigfaltigen Vorschläge zur Reform des politischen Betriebs bewertet werden können.
Die Frage danach, wie der Ordnungsrahmen von Politik zu gestalten sei, ist in Neoklassik und Österreichischer Schule sehr unterschiedlich. Beim neoklassischen Ansatz lautet sie nach der Formulierung des Autors so: "Wie kann der politische Betrieb organisiert werden, damit eine optimale Auswahl der Politik durch deren Konsumenten sichergestellt ist?" Eine politische Ordnung auf dieser Grundlage ist unmittelbar ergebnisorientiert (mit dem Ziel einer optimalen Allokation von Ressourcen und der Nutzenmaximierung). In ihr neigen die politischen Unternehmer populistisch zu direkten staatlichen Eingriffen, wenn über das Ergebnis Unzufriedenheit herrscht und sie Wählermehrheiten und Klientelgruppen gewinnen wollen. Nach dem Ansatz der Österreichische Schule indes heißt die Frage: "Wie muß eine politische Ordnung gestaltet sein, damit in ihr ein ,innovationsfreundliches Klima' herrscht, das die Entdeckung politischer Lösungen für gesellschaftspolitische Problemlagen zuläßt?"
Welcher Schule das Herz des Autors offenkundig gehört, ohne daß er es ausdrücklich bekennt, ist klar und wenig überraschend: Es ist die österreichische. Eine politische Ordnung auf ihrer Grundlage muß ergebnisoffen sein, muß darauf zielen, Freiheiten zu schaffen und zu erhalten. Sie muß nicht nur Wettbewerb um Wählerstimmen, sondern auch den Zugang zu diesem Wettbewerb ermöglichen und dadurch für die politischen Unternehmer Anreize setzen, im Eigeninteresse zu handeln und dabei für das Gemeininteresse zu wirken. Ihr Wert liegt vor allem darin, Beschränkungen des politischen Wettbewerbs zu identifizieren und darauf hinzuwirken, diese zurückzudrängen. (Franz Beitzinger: Politische Ökonomie des Politikbetriebs. Die konzeptionellen Unterschiede verschiedener ökonomischer Theorietraditionen in Analyse und Bewertung politischer Ordnungen. Verlag Lucius & Lucius, Stuttgart 2004, 170 Seiten, 38 Euro.)
ANDREAS MIHM.
KLAUS PETER KRAUSE
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