Pommfritz, der Ich-Erzähler des neuen Romans von Lioba Happel, schreibt an seinen »Vatter in den Emmentälern«, den er vor langer Zeit einmal zu Gesicht bekommen hat, aus der Hölle seines Lebens. Er berichtet von der Kindheit, die er, angebunden an ein Tischbein, fliegentötend, bei einer gewalttätigen, schweigsamen, Grillhühnchen und Pommes verschlingenden Mutter verbringt; von den Besuchen der Angelina vom Sozialamt, einem Wesen zwischen Rosenduft und Formularfrust, und wie die Mutter sie »in die Pfanne haut«; von härtesten Prüfungen unter den Jugendlichen in der Spezialschule; von seiner Liebe zur Prügellilly, deren schlagkräftige Zärtlichkeit die der Mutter noch übertrifft; und von der Einzelhaft im Gefängnis, wo er auf der untersten Stufe der Verbrechen steht - denn er hat seine Mutter getötet und danach verspeist - »naja, Stückchen von ihr, ne Kuppe vom Finger«. Pommfritz, der »in Lachen ausbricht, wenn sich die Hölle auftut«, ist ein Anti-Held, wie es in der Literatur nicht viele gibt, ein unglückseliges Monster. Lioba Happel, die 2021 den Alice-Salomon-Poetik-Preis erhielt, ist eine Dichterin des Randständigen. In ihrem halsbrecherischen Roman an der Grenze zum Gesagten und Sagbaren spannt sie ein schwankendes Erzählseil über den Abgrund des Schweigens. Auch der Briefeschreiber Pommfritz bekommt keine Antwort. (Jan Koneffke)