Während innerhalb Russlands das Verbot kritischer Medien und die Gleichschaltung der verstaatlichten Sender eine beinahe karikaturhafte Erzählung über traditionelle Werte und die Notwendigkeit der »Militärischen Spezialoperation« hervorbringen, arbeiten sorgfältig geplante Propagandaaktionen im Rest der Welt an der Destabilisierung demokratischer Gesellschaften. Ein planmäßiger Wahnsinn überzieht das Land. Er zeigt sich in inflationär gebrauchten Euphemismen und Hassrede, als Denunziation und in einem bis ins Subtilste durchdachten Strafregime. Und es ist ein Wahnsinn mit Geschichte. Denn die Gewalt, die die russische Gesellschaft unerbittlich im Griff hat, ist eine Fortführung der paranoiden Suche nach Feinden, der nächtlichen Verhaftungen, Durchsuchungen und Folterungen sowie der Gulags aus dem Sowjetregime - in grellem, neuem Gewand und verschmolzen mit dem Gangstertum der Neunzigerjahre.
In ihrem einzigartigen Ton, der so präzise wie ironisch ist, zeigt Irina Rastorgueva in einer Montage aus Zeitungsfundstücken und unabhängigen Berichten, aus der eigenen Erfahrung genauso wie aus der Analyse kremlkritischer und russlandtreuer Autoren das Wirken der russischen Selbstvergiftung.
In ihrem einzigartigen Ton, der so präzise wie ironisch ist, zeigt Irina Rastorgueva in einer Montage aus Zeitungsfundstücken und unabhängigen Berichten, aus der eigenen Erfahrung genauso wie aus der Analyse kremlkritischer und russlandtreuer Autoren das Wirken der russischen Selbstvergiftung.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Irina Rastorgueva sammelt und dokumentiert Lügen, erklärt Rezensent Stefan Plaggenborg - Verschwörungsmythen, Fake-News, Propaganda, Hass- und Hetzreden voller absurder Behauptungen, Anschuldigungen und Misinterpretationen, in den Medien, in der Schule, im Gericht, in Kirche, Film, Privatleben - mit größter Sorgfalt führt uns die im Exil lebende russische Autorin die Allgegenwärtigkeit der Falschinformationen und der Gewalt in Russland vor Augen, sowie deren fatale Folgen für die Menschen, insbesondere für die Minderheiten in diesem Land. Derart komprimiert entwickelt diese Masse an Lügen, dieses "Zeugnis einer Scheinwelt" eine ungeheure, nahezu erdrückende Wucht, beschreibt der Rezensent, dazu bedarf es keiner Analysen, die schnörkellose Beschreibung allein genügt, um sich zu fragen: Wo soll hier jemals Widerstand entstehen können, wenn die Opposition zersplittert, tot, im Exil oder im Gefängnis ist? Es ist ein deprimierendes, ein realitätsschweres Buch, so der Rezensent, dem das postmodern plauderhafte Nachwort leider so gar nicht steht. Angemessen hingegen findet der Rezensent das chaotische Vorgehen bei der Transliteration russischer Begriffe.
© Perlentaucher Medien GmbH
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