Grombrowiczs raffiniertester und provozierendster Roman: Zwei ältere Herren meinen zwischen der junge Henia und dem Burschen Karol erotische Spannungen wahrzunehmen und inszenieren einen frivolen Schwank. Henia soll ihren Verlobten Waclaw, einen langweilen Advokaten, verlassen und dem unschuldigen Karol in die Arme fallen. Das vermeintlich harmlose Spiel endet mit einem raffiniert eingefädelten politischen Mord. Der moderne Klassiker jetzt mit einem Essay zu Leben und Werk Gombrowiczs von Paul Vad.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ein "wahres intellektuelles und literarisches Vergnügen" sieht Marta Kijowska in Witold Gombrowicz' Roman "Pornografie", der jetzt in einer Neuauflage vorliegt. Als eine der Triebfedern von Gombrowicz' Schaffen beschreibt sie dessen mit einer permanenten Rebellion gegen die Form einhergehenden Selbsterkundungsdrang. Kijowska zufolge wollte das "Enfant terrible der polnischen Literatur" Formen zerbrechen und Normen und Erstarrungen zerstören, um hinter Rollen und Masken zu schauen. Dies vornehmlich mit den Mitteln der Groteske, der Karikatur, der Parodie. So auch im Roman "Pornografie", den Kijowska eine "Mischung aus philosophischem Traktat und Kriminalgeschichte" nennt, in der Gombrowicz eine eigenwillige Interpretation der Begriffe "Jugend" und "Vollkommenheit" liefere, wobei hier das Bedürfnis des Menschen "nach Nicht-Vollendetem, nach Unvollkommenem, nach Nieder-Sein, nach Jugend" im Vordergrund stehe. So wollen im Jahre 1943 im okkupierten Polen zwei Warschauer Intellektuelle, die einige Tage auf dem Gut eines Freundes verbringen, der Eintönigkeit des Landlebens dadurch entfliehen, dass sie die Tochter des Gastgebers und den Sohn des Gutsverwalters einander in die Arme zu treiben suchen, was schließlich in einem Doppelmord mündet. "Durch das regieartige Eingreifen der beiden Hauptprotagonisten, sprachliche Steigerungen und Wiederholungen und die bis zur Absurdität eingehaltene Logik der Handlungsführung", so die Rezensentin, "erzielt Gombrowicz eine bühnengerechte Dynamik und einen unnachahmlich komischen Effekt."
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Gombrowicz ist ausgestattet mit dem schöpferischen Willen eines melancholischen Egomanen, pechschwarzem polnischem Humor und einem notorischen Hass, der in seinem agressiven Pathos vor keiner Ideologie, Institution oder Person zurückschreckt, nicht einmal vor sich selbst." Mathias Schnitzler, Berliner Zeitung, 04.08.2004. "Man kann Gombrowicz nicht beschreiben, mit Artikelchen erfassen, mit Essaylein aktualisieren, präsentieren, stolatisieren. Nur lesen: Ferdydurke, Pornographie, Tagebuch. Komm, Leserchen, put, put, put." Richard Kämmerlings, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.07.2004