Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 0,60 €
  • Gebundenes Buch

Südschweden, Frühling 2008: Nur noch wenige Minuten bis zur digitalen Übertragung von La Boheme aus der New Yorker Metropolitan Opera in einem kleinen Kino auf dem Lande. Minuten, die Claes' Leben schlagartig durcheinanderbringen, denn im Foyer trifft er auf Madeleine, mit der ihn in den fernen 80er Jahren eine düstere Geschichte verband. Und so wird er in eine Zeit zurückversetzt, die er längst hinter sich glaubte, ist mit einem Mal wieder mitten drin in dieser glitzernden Dekade voller Verheißungen, schnellem Geld und tiefgreifenden Veränderungen. In jenen Jahren lernte Claes auch den…mehr

Produktbeschreibung
Südschweden, Frühling 2008: Nur noch wenige Minuten
bis zur digitalen Übertragung von La Boheme aus der
New Yorker Metropolitan Opera in einem kleinen Kino
auf dem Lande. Minuten, die Claes' Leben schlagartig
durcheinanderbringen, denn im Foyer trifft er auf Madeleine,
mit der ihn in den fernen 80er Jahren eine düstere
Geschichte verband. Und so wird er in eine Zeit zurückversetzt,
die er längst hinter sich glaubte, ist mit einem Mal
wieder mitten drin in dieser glitzernden Dekade voller
Verheißungen, schnellem Geld und tiefgreifenden Veränderungen.
In jenen Jahren lernte Claes auch den ambitionierten
Künstler Jörgen kennen, der eine große Faszination
auf ihn ausübte und ihn schon bald in ein Projekt hineinzog,
das mit einem makabren Übergriff im Namen der
Kunst endete und für Claes schließlich in einer persönlichen
Katastrophe mündete. Erneut mit den Ereignissen
konfrontiert, unternimmt er einen letzten, mühsamen
Versuch, die Verflechtungen von Leidenschaft, Liebe und
Wahrheit in seinem eigenen Leben zu entwirren.
Autorenporträt
Klas Östergren, geboren 1955, schrieb mit zwanzig Jahren seinen ersten Roman "Attila", der von der schwedischen Literaturkritik sogleich gefeiert wurde. Der mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnete Kultautor lebt mit seiner Frau und vier Kindern in Südschweden.

Regine Elsässer hat in Finnland studiert und übersetzt schwedische, dänische und norwegische Autoren. 2014 wurde sie zur "BücherFrau des Jahres" gewählt. Sie ist ein langjähriges Mitglied der BücherFrauen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2011

Paradigmenwechsel aus Seide

Mit seinem "Porträt eines Dandys" zeichnet der schwedische Autor Klas Östergren weniger das Bild eines Mannes als das einer Epoche - der achtziger Jahre.

Der Dandy. Oscar Wilde war einer. Desgleichen Charles Baudelaire und Truman Capote. Und Jörgen war wohl der letzte Vertreter dieser Spezies, ein Meister der Selbstinszenierung, allergisch gegen alle bürgerlichen Normen und Zwänge und einer der Protagonisten im neuen Roman des sechsundfünfzigjährigen Schweden Klas Östergren. Zusammen mit Madeleine und dem Ich-Erzähler Claes wurschtelt er sich durch die achtziger Jahre, bastelt an einer Karriere, die sich "auf Kunst oder Kapital gründete, alternativ, sowohl als auch".

Als echtem Dandy gelingt Jörgen gar das Bravourstück, in die Kunstgeschichte einzugehen, ohne je ein Werk vorgelegt zu haben. Durch sein ganzes kurzes Leben zieht sich die Idee einer spektakulären Installation, mit der er die Grenzen der Kunst neu ausloten will. Er wusste, dass "er eine schwere Straftat beging. Dass diese Illegalität ihrerseits das Motiv seiner Kunst war. Gegen Tabus zu verstoßen."

Der Tabuverstoß ist eines der zentralen Motive in diesem ebenso umfangreichen wie gehaltvollen Roman. Die Achtziger stehen für einen Paradigmenwechsel, alte Grabenkämpfe können so nicht weiter ausgefochten werden, weil Werte neu definiert werden, manch tradierter Konsens aufgegeben wird. Nicht nur in Schweden, sondern in ganz Europa. Soziologische Erklärungen für die persönliche Vita haben ausgedient, an ihre Stelle treten psychologische. Das Individuum wird neu in die Verantwortung genommen, mit allen Vor- und Nachteilen. Jeder ist seines Glückes, seines Unglückes eigener Schmied. Und da Östergren weitgehend auf Realien verzichtet, diesen Umbruch vor allem atmosphärisch ausleuchtet, könnte seine Geschichte statt in Stockholm auch in London oder Berlin spielen.

Hierzulande kam in den achtziger Jahren da das Wort von der "geistig-moralischen Wende" auf. Östergren gelingt es beispielhaft, diese Zeit in ihrem Fluss heraufzubeschwören. Noch wird um Grenzen gerungen. Noch bedeutet ein Auftritt in Schlips und Kragen für Claes einen "Paradigmenwechsel aus sechzig Gramm Seide", mit dem er sich "Feinde in meiner nächsten Umgebung" und "Freunde weit außerhalb meines Lagers" macht. Noch kann Jörgen mit seiner geplanten Installation "gegen Moral und guten Geschmack" verstoßen. Noch. Um die Pointe nicht platzen zu lassen, sei hier auf die Installation selbst nicht näher eingegangen - doch gut fünfundzwanzig Jahre später sind vergleichbare Bilder in James-Bond-Filmen angekommen.

Literarisch, und hier wird viel über Literatur und andere Kunstformen reflektiert, stehen die Achtziger für ein "Erzählen mit namenlosen Helden ohne besondere Charakterzüge". Im Grunde trifft das auch auf diesen Text zu, denn auch hier wird nur einmal der Vorname des Ich-Erzählers erwähnt. Claes ist bei Jörgens letzten Installationsvorbereitungen dabei, als Zeuge und Chronist, als künftiger Verfasser des Katalogs. Die Situation löst widersprüchliche Gefühle in Claes aus, er empfindet sie fast als sakralen Moment, meint jedoch auch, sich einer Unterlassungssünde schuldig zu machen, weil er nicht eingreift. Als dann jedoch tatsächlich von außen ein Schuldvorwurf an ihn herangetragen wird, muss er, um juristischen Konsequenzen zu entgehen, darlegen, wie und warum es zu alldem kommen konnte. Der Bericht soll zu einer Katharsis und einem Wendepunkt in seinem Leben werden - zusammen mit der Geschichte dieser Zeit, die er in der Rückschau erzählt, nachdem er Madeleine nach mehr als fünfzehn Jahren 2008 unvermutet wiedertrifft.

So gelungen der Roman ansonsten ist, zwei Schwächen lassen sich nicht übersehen. Östergren versteht es vorzüglich, Spannung aufzubauen. Antwort auf die Frage zu erhalten, was Claes widerfahren ist, wird mit fortschreitender Lektüre immer dringender. Beinah wie bei einem Krimi, aber nicht: Wer ist der Täter?, sondern: Was ist die Katastrophe? Die Auflösung verpufft ein wenig, wird gerafft und zum Teil mit phantastischen Elementen angereichert, die sich in dem durchgängig realistischen Text fremd ausnehmen.

Der andere Schwachpunkt sind die Passagen, die der Innenschau des Erzählers vorbehalten sind und ins Essayistische übergehen. Da wird dann über Kunst und über Wirtschaft reflektiert, und man möchte ihm zurufen, doch ökonomischer zu schreiben. Gerade die Abschnitte zur Wirtschaft finden in der Geschichte kaum ein Gegenstück, da Jörgen zwar schillernd und zwielichtig dargestellt wird, zuletzt aber meist als Künstler, nicht als Spekulant oder Börsenmakler. Beides sind wohl eher lässliche Sünden.

In seinem Heimatland ist Östergren seit Jahren eine feste Größe. International wird die schwedische Literatur heute vor allem durch Krimis wahrgenommen. Dieses Genre hat sich längst vom Whodunit-Schema abgewendet und bietet viel von der Sozialkritik, die sich einst im traditionellen Roman fand. Weil dort nur noch der Ich-Erzähler gejagt wird? Doch so oder so, im Krimi wird der Täter oder die Täterin gejagt, meist gefunden, nicht immer geschnappt. Selbst bei nichterfolgter Verhaftung tritt die Gesellschaftskritik hinter die Zufriedenheit zurück, dass das Rätsel gelöst ist. Das ist bei Östergren nicht der Fall. Sein Roman bleibt von der ersten bis zur letzten Zeile kritisch, gesellschaftlich wie individuell, und mündet in ein Plädoyer für unerschrockenes Denken jenseits vorgegebener Gräben.

Und es ist ein Roman, der den Menschen wieder in der Geschichte verortet. Das "Porträt eines Dandys" bringt meisterlich in Erinnerung, dass nicht immer die Gegenwart beschrieben werden muss, um etwas über heute auszusagen. Östergren spricht von den achtziger Jahren, und hält uns im Hier und Jetzt den Spiegel vor.

CHRISTIANE PÖHLMANN

Klas Östergren: "Porträt eines Dandys". Roman.

Aus dem Schwedischen von Regine Elsässer. Verlag Kein & Aber, Zürich 2011. 545 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Roman spielt im Schweden der achtziger Jahre, zu einer Zeit, als altmodische sozialdemokratische Bescheidenheit von politischer und wirtschaftlicher Profigier und künstlerischen postmodernen Spielereien abgelöst wurden, schreibt Rezensent Aldo Keel. Hauptfigur ist der "Konzeptkünstler und Yuppi" Jörgen, der ein sündhaft teures Gemälde ersteigern und übermalen will. Als ihm dies nicht gelingt, stellt er es mit allerhand Mätzchen nach. Keel fand das Buch, das mit allerhand grundsätzlichen Überlegungen zu Kunst und Geld durchzogen zu sein scheint, "anregend".

© Perlentaucher Medien GmbH