Das Internet hat sich neben den anderen Medien und im Alltag der Menschen etabliert. Die Positionierung von Luxusmarken im digitalen Umfeld ist jedoch noch größtenteils unerforscht und die Marketing- und Managementabteilungen von Luxusmarken haben sich im Internet bisher zurückhaltend gezeigt. Sie stehen vor der Entscheidung, ob und in welchem Rahmen sie im Internet bestmöglich agieren. Das Luxussegment sieht sich einem Spannungsfeld zwischen Marktexpansion und dem Wahren der Exklusivität gegenüber. Ziel dieses Beitrages ist es, Herausforderungen und Gestaltungsperspektiven für das Marketingmanagement von Luxusmarken im Internet zu identifizieren. Die unternehmenseigene Webseite sowie Blogs, Social Communities und virtuelle Welten werden auf ihre Eignung für Luxusmarken überprüft. Mit Blick darauf, dass Online-Shopping-Communities ein relativ neues Konzept mit enormem Wachstum darstellen und schon heute erste Luxusmarken innerhalb dieser Communities vertreten sind, werden diese einer genaueren Betrachtung unterzogen und die Chancen und Risiken für Luxusmarken auf Basis einer konzeptionellen und empirischen Analyse aufgedeckt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2012Luxus im Netz
Warum Hersteller ihre Zurückhaltung aufgeben sollten
Louis Vuitton, Chanel, Prada, Gucci - immer häufiger klicken Modebegeisterte auch im Internet nach den Objekten ihrer Träume. Im letzten Jahr suchten 41 Millionen Bundesbürger mindestens einmal online nach Produkten ihrer Wahl, und auch teuerster Geschmack nutzt gern die bequeme Möglichkeit. Die Hersteller von Luxusmarken allerdings scheuen bislang die Präsenz im digitalen Umfeld. Das vermeintliche Eldorado für Schnäppchenjäger scheint kein Feld für ihre Markenstrategie, die durch hohe Preise und knappes Angebot, selektiven Vertrieb, herausgehobene Qualität und spezielle Ästhetik sowie den Verzicht auf Rabatte und Ausverkäufe Exklusivität als wichtigstes Merkmal generiert.
In der wachsenden Offenheit des Internets befürchten Edelfirmen die Verwässerung ihrer Labels und Kontrollverluste über Kommunikation und Distribution, umso mehr, als oft nur einen Klick weiter in unmittelbarer Nachbarschaft Markenfälschungen auftauchen. Doch die Internetbegeisterung der Verbraucher stellt Luxusanbieter immer dringlicher vor die Frage, wie sie ohne Prestigeeinbuße im Netz agieren können.
Die digitalen Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten für Luxusofferten identifiziert jetzt eine empirische Untersuchung aus dem Marketing-Institut der Universität Hannover. Die Forscher gehen seit längerem dem Problem der Wahrnehmung von Luxus nach. Unter der Regie von Institutsleiter Professor Klaus-Peter Wiedmann befragten Nadine Hennigs und Christiane Klarmann Kunden und Hersteller zum Luxus-Shopping im Internet. Sie überprüften unternehmenseigene Websites, Blogs, Social Communities und virtuelle Welten und diskutierten deren Eignung, Luxusgüter zu vermarkten.
Die beiden jungen Wirtschaftswissenschaftlerinnen - die eine 33 und promoviert, die andere 26 und diplomiert - brachten für ihr Projekt nicht nur die Onlineroutine der jungen Generation mit, sondern offensichtlich auch die femininspezifische Begeisterung für Prada und Konsorten. Sie bewegten sich mit ihrer Studie auf Neuland. Denn die digitale Positionierung von Luxusmarken ist bisher weitgehend unbekannt. Das besondere Interesse der beiden Damen galt dem Phänomen des "Social Shopping" in den geschlossenen Zirkeln sogenannter "Shopping Communities". Dort werden originale Luxusmarkenartikel volumenbegrenzt für kurze Aktionszeiträume zu stark reduzierten Preisen angeboten. Die Offerten dieser populären Wachstumsbranche kann nur nutzen, wer registriert ist, und registriert wird nur, wer von einem anderen Mitglied der jeweiligen Shopping Community empfohlen ist.
Hennigs und Klarmann interviewten schriftlich drei Dutzend Mitglieder deutscher Clubs über Einstellungen und Motive, Präferenzen, Nutzungsgewohnheiten und die Affinität zu Luxusmarken. Die Probanden waren durchschnittlich 27,7 Jahre alt, meist studiert, zwei Drittel davon weiblich und generell an Luxusgütern interessiert. Ergänzt wurden diese Aussagen durch Telefoninterviews mit Verantwortlichen von Shopping Communities. Dabei ging es um die Motive und Einflussnahme von Herstellern auf diese Gemeinschaften.
Die Ergebnisse erlaubten Rückschlüsse auf die Kunden von Luxusmarken schlechthin: Luxusaffine Konsumenten scheinen danach intensive Nutzer des Internets zu sein und erwarten ihrerseits speziell von Luxusfirmen eine umfassende Internetpräsenz mit aktuellen Informationen und unterhaltenden Inhalten. Die Autorinnen empfehlen deshalb Luxusherstellern grundsätzlich, ihre Online-Abstinenz aufzugeben und Internetaktivitäten in ihre Markenstrategie einzubauen. Damit könnten sie nicht nur ihre Bekanntheit steigern, sondern auch Altkunden binden, neue Interessenten gewinnen und den Einstieg in den Offline-Verkauf bei ihren Flagship-Stores und ausgewählten Händlern erleichtern.
Konkret raten die beiden Fachfrauen zur Gestaltung einer Website. Auch die neueren Anwendungen des dialogorientierten Web 2.0 wie Blogs, Social Communities und virtuelle Welten seien in Betracht zu ziehen. Allerdings mit Vorsicht: "Aufgrund der immanenten Besonderheiten in Kommunikation und Distribution muss die Sinnhaftigkeit einer aktiven Nutzung der einzelnen Anwendungen situativ überprüft werden", heißt es in etwas verschwurbeltem Marketingdeutsch.
Zumindest die Erfahrungen mit Shopping Communities als Distributionskanal für Luxusproduzenten scheinen der vorliegenden Studie nach durchaus ambivalent. Zwar seien die Communities nach Kräften bemüht, die Exklusivität der Edelmarken zu wahren, sagen Hennigs und Klarmann. "Dennoch wurde deutlich, dass diese Plattformen derzeit überwiegend zum diskreten Abverkauf der Erzeugnisse aus Überproduktion oder Ware aus der letzten Saison genutzt werden." Offen bleibt, ob nach dem günstigen Einkauf von Luxusartikeln in Shopping Communities nicht dauerhaft die Bereitschaft vergeht, reguläre Preise für dieselbe Marke zu bezahlen.
Trotz des nicht zu leugnenden Risikos der Erosion von Marken aus dem Luxussegment im Internet dürfte künftig auch hier die Online-Inszenierung zunehmend darüber entscheiden, wie begehrenswert Offerten für Käufer sind. Denn das Internet hat weltweit eine Konsumentengeneration hervorgebracht, die sich immer häufiger im Netz zum Kauf anregen lässt und sich als smarte Käufer versteht. Dabei wird selbstbewusst persönlicher Luxus definiert und ungeniert Günstiges mit Hochpreisigem gemischt. Schließlich passt ein Gucci-Teil allemal zu H&M-Basics.
ULLA FÖLSING.
Klaus-Peter Wiedmann et al.: Positionierung von Luxusmarken im digitalen Umfeld.
Saarbrücken 2011, 142 Seiten, 79 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Warum Hersteller ihre Zurückhaltung aufgeben sollten
Louis Vuitton, Chanel, Prada, Gucci - immer häufiger klicken Modebegeisterte auch im Internet nach den Objekten ihrer Träume. Im letzten Jahr suchten 41 Millionen Bundesbürger mindestens einmal online nach Produkten ihrer Wahl, und auch teuerster Geschmack nutzt gern die bequeme Möglichkeit. Die Hersteller von Luxusmarken allerdings scheuen bislang die Präsenz im digitalen Umfeld. Das vermeintliche Eldorado für Schnäppchenjäger scheint kein Feld für ihre Markenstrategie, die durch hohe Preise und knappes Angebot, selektiven Vertrieb, herausgehobene Qualität und spezielle Ästhetik sowie den Verzicht auf Rabatte und Ausverkäufe Exklusivität als wichtigstes Merkmal generiert.
In der wachsenden Offenheit des Internets befürchten Edelfirmen die Verwässerung ihrer Labels und Kontrollverluste über Kommunikation und Distribution, umso mehr, als oft nur einen Klick weiter in unmittelbarer Nachbarschaft Markenfälschungen auftauchen. Doch die Internetbegeisterung der Verbraucher stellt Luxusanbieter immer dringlicher vor die Frage, wie sie ohne Prestigeeinbuße im Netz agieren können.
Die digitalen Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten für Luxusofferten identifiziert jetzt eine empirische Untersuchung aus dem Marketing-Institut der Universität Hannover. Die Forscher gehen seit längerem dem Problem der Wahrnehmung von Luxus nach. Unter der Regie von Institutsleiter Professor Klaus-Peter Wiedmann befragten Nadine Hennigs und Christiane Klarmann Kunden und Hersteller zum Luxus-Shopping im Internet. Sie überprüften unternehmenseigene Websites, Blogs, Social Communities und virtuelle Welten und diskutierten deren Eignung, Luxusgüter zu vermarkten.
Die beiden jungen Wirtschaftswissenschaftlerinnen - die eine 33 und promoviert, die andere 26 und diplomiert - brachten für ihr Projekt nicht nur die Onlineroutine der jungen Generation mit, sondern offensichtlich auch die femininspezifische Begeisterung für Prada und Konsorten. Sie bewegten sich mit ihrer Studie auf Neuland. Denn die digitale Positionierung von Luxusmarken ist bisher weitgehend unbekannt. Das besondere Interesse der beiden Damen galt dem Phänomen des "Social Shopping" in den geschlossenen Zirkeln sogenannter "Shopping Communities". Dort werden originale Luxusmarkenartikel volumenbegrenzt für kurze Aktionszeiträume zu stark reduzierten Preisen angeboten. Die Offerten dieser populären Wachstumsbranche kann nur nutzen, wer registriert ist, und registriert wird nur, wer von einem anderen Mitglied der jeweiligen Shopping Community empfohlen ist.
Hennigs und Klarmann interviewten schriftlich drei Dutzend Mitglieder deutscher Clubs über Einstellungen und Motive, Präferenzen, Nutzungsgewohnheiten und die Affinität zu Luxusmarken. Die Probanden waren durchschnittlich 27,7 Jahre alt, meist studiert, zwei Drittel davon weiblich und generell an Luxusgütern interessiert. Ergänzt wurden diese Aussagen durch Telefoninterviews mit Verantwortlichen von Shopping Communities. Dabei ging es um die Motive und Einflussnahme von Herstellern auf diese Gemeinschaften.
Die Ergebnisse erlaubten Rückschlüsse auf die Kunden von Luxusmarken schlechthin: Luxusaffine Konsumenten scheinen danach intensive Nutzer des Internets zu sein und erwarten ihrerseits speziell von Luxusfirmen eine umfassende Internetpräsenz mit aktuellen Informationen und unterhaltenden Inhalten. Die Autorinnen empfehlen deshalb Luxusherstellern grundsätzlich, ihre Online-Abstinenz aufzugeben und Internetaktivitäten in ihre Markenstrategie einzubauen. Damit könnten sie nicht nur ihre Bekanntheit steigern, sondern auch Altkunden binden, neue Interessenten gewinnen und den Einstieg in den Offline-Verkauf bei ihren Flagship-Stores und ausgewählten Händlern erleichtern.
Konkret raten die beiden Fachfrauen zur Gestaltung einer Website. Auch die neueren Anwendungen des dialogorientierten Web 2.0 wie Blogs, Social Communities und virtuelle Welten seien in Betracht zu ziehen. Allerdings mit Vorsicht: "Aufgrund der immanenten Besonderheiten in Kommunikation und Distribution muss die Sinnhaftigkeit einer aktiven Nutzung der einzelnen Anwendungen situativ überprüft werden", heißt es in etwas verschwurbeltem Marketingdeutsch.
Zumindest die Erfahrungen mit Shopping Communities als Distributionskanal für Luxusproduzenten scheinen der vorliegenden Studie nach durchaus ambivalent. Zwar seien die Communities nach Kräften bemüht, die Exklusivität der Edelmarken zu wahren, sagen Hennigs und Klarmann. "Dennoch wurde deutlich, dass diese Plattformen derzeit überwiegend zum diskreten Abverkauf der Erzeugnisse aus Überproduktion oder Ware aus der letzten Saison genutzt werden." Offen bleibt, ob nach dem günstigen Einkauf von Luxusartikeln in Shopping Communities nicht dauerhaft die Bereitschaft vergeht, reguläre Preise für dieselbe Marke zu bezahlen.
Trotz des nicht zu leugnenden Risikos der Erosion von Marken aus dem Luxussegment im Internet dürfte künftig auch hier die Online-Inszenierung zunehmend darüber entscheiden, wie begehrenswert Offerten für Käufer sind. Denn das Internet hat weltweit eine Konsumentengeneration hervorgebracht, die sich immer häufiger im Netz zum Kauf anregen lässt und sich als smarte Käufer versteht. Dabei wird selbstbewusst persönlicher Luxus definiert und ungeniert Günstiges mit Hochpreisigem gemischt. Schließlich passt ein Gucci-Teil allemal zu H&M-Basics.
ULLA FÖLSING.
Klaus-Peter Wiedmann et al.: Positionierung von Luxusmarken im digitalen Umfeld.
Saarbrücken 2011, 142 Seiten, 79 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main