Drei Dinge wissen wir: Der Kapitalismus hat den Feudalismus abgelöst; seither durchlief er zyklische Tiefs, spätestens seit 2008 stottert der Motor. Was wir nicht wissen: Erleben wir eine der üblichen Krisen oder den Anbruch einer postkapitalistischen Ordnung?
Paul Mason blickt auf die Daten, sichtet Krisentheorien - und sagt: Wir stehen am Anfang von etwas Neuem. Er nimmt dabei Überlegungen auf, die vor über 150 Jahren in einer Londoner Bibliothek entwickelt wurden und laut denen Wissen und intelligente Maschinen den Kapitalismus eines Tages »in die Luft sprengen« könnten. Im Zeitalter des Stahls und der Schrauben, der Hierarchien und der Knappheit war diese Vision so radikal, dass Marx sie schnell in der Schublade verschwinden ließ. In der Welt der Netzwerke, der Kooperation und des digitalen Überflusses ist sie aktueller denn je.
In seinem atemberaubenden Buch führt Paul Mason durch Schreibstuben, Gefängniszellen, Flugzeugfabriken und an die Orte, an denen sich der Widerstand Bahn bricht. Mason verknüpft das Abstrakte mit dem Konkreten, bündelt die Überlegungen von Autoren wie Thomas Piketty, David Graeber, Jeremy Rifkin und Antonio Negri und zeigt, wie wir aus den Trümmern des Neoliberalismus eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft errichten können.
Paul Mason blickt auf die Daten, sichtet Krisentheorien - und sagt: Wir stehen am Anfang von etwas Neuem. Er nimmt dabei Überlegungen auf, die vor über 150 Jahren in einer Londoner Bibliothek entwickelt wurden und laut denen Wissen und intelligente Maschinen den Kapitalismus eines Tages »in die Luft sprengen« könnten. Im Zeitalter des Stahls und der Schrauben, der Hierarchien und der Knappheit war diese Vision so radikal, dass Marx sie schnell in der Schublade verschwinden ließ. In der Welt der Netzwerke, der Kooperation und des digitalen Überflusses ist sie aktueller denn je.
In seinem atemberaubenden Buch führt Paul Mason durch Schreibstuben, Gefängniszellen, Flugzeugfabriken und an die Orte, an denen sich der Widerstand Bahn bricht. Mason verknüpft das Abstrakte mit dem Konkreten, bündelt die Überlegungen von Autoren wie Thomas Piketty, David Graeber, Jeremy Rifkin und Antonio Negri und zeigt, wie wir aus den Trümmern des Neoliberalismus eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft errichten können.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mehr als bloße Thesen kann Werner Plumpe den beiden Neuerscheinungen zur Überwindung des Kapitalismus leider nicht entnehmen. Während der Kritiker Robert Misiks "Kaputtalismus" immerhin noch einigermaßen folgen kann, erscheint ihm Paul Masons "Postkapitalismus" größtenteils als Erzählung einer "endzeitlichen Erlösung", in der alles schlicht passend gemacht wird, um seine Thesen zu unterstützen: Die moderne Informationstechnologie könne und müsse die Marktwirtschaft restlos beseitigen, zunächst über rigorose Verstaatlichung bis auch der Staat im letzten Schritt abgeschafft werden könne, liest der Rezensent bei dem Journalisten. Gegenargumente und Logik scheinen dem Autor bei den radikalen Ausführungen seiner Thesen völlig egal zu sein, moniert Plumpe.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2016Der Markt ist tot, es lebe das Netz
Der Staat soll helfen, und das Internet wird alles richten: Die Journalisten Paul Mason und Robert Misik glauben zu wissen, was nach dem bevorstehenden Ende des Kapitalismus kommt.
Der Kapitalismus ist am Ende, so sieht es zumindest der englische Fernsehjournalist Paul Mason. Die moderne Informationstechnologie entziehe ihm den Boden. Doch der Kapitalismus wehre sich, und das mache ihn gefährlich. Seine neoliberale Abwehrstrategie löse Schocks und Katastrophen aus, wie die Verschuldung und die Klimaerwärmung. Dagegen helfe nur "revolutionärer Reformismus", der mit staatlichen Zwangsmaßnahmen die drohende Katastrophe verhindere, indem er die Regeln der Marktwirtschaft aushebele und den Neoliberalismus entmachte. Möglich soll das sein wegen der Informationstechnologie, die nicht nur den Kapitalismus bedroht, sondern auch in die Zukunft weist. Sie mache Marktwirtschaft und Ausbeutung überflüssig, da die notwendigen Güter ohne Arbeit im Überfluss zur Verfügung stehen könnten. Zu deren Verteilung sei auch kein Markt mehr nötig. Jeder nimmt sich, was er braucht.
Dazu allerdings muss der Kapitalismus erst einmal weg. Abschaffen kann ihn allerdings nicht mehr die "Arbeiterklasse", die sich auf seine Seite geschlagen hat, sofern es sie überhaupt noch gibt. Das "revolutionäre Subjekt" ist für Mason vielmehr die "vernetzte Menschheit", die zu staatlichen Mitteln greift, um der Marktwirtschaft das verdiente Ende zu bereiten. An deren Stelle träten dann Allmendeproduktion und das Internet der Dinge, die für kostenlosen Überfluss sorgten. Bis dorthin, das gesteht Mason zu, ist es kein einfacher Weg. Deshalb braucht die "vernetzte Menschheit" den Staat, der das Gute (Grundeinkommen, Vernetzung, Allmendeproduktion) fördert und das Schlechte (Energieverbrauch, Finanzkapital, Schulden, Markt) bekämpft.
Verstaatlichung spielt hier für den Weg zum Postkapitalismus insofern eine große Rolle (Energie, Infrastruktur, Wohnen, Finanzen), Steuerung auch. Und wer da nicht mitmacht, der müsse bekämpft werden "wie Al Qaida". Da kennt Mason keine Bedenken, wie auch zum Abbau der Schulden das Publikum kurzerhand enteignet werden soll. Schließlich, wenn der Staat das Böse beseitigt und das Gute lebensfähig gemacht habe, könne er absterben: Die vernetzte Menschheit komme zu sich selbst.
Aber hier ist das Buch dann bereits eine Erzählung von endzeitlicher Erlösung. Es ist journalistisch geschrieben, bedient sich dessen, was Mason ohnehin anpreist, nämlich der Informationswelt des Netzes, die hier aus Schnipseln zusammengestückelt wird, die irgendwie zur These zu passen scheinen. Gegenargumente kennt dieser Autor nicht. Kontrovers ist nichts, sondern alles längst klar. Logik spielt keine Rolle, und ob es um Unternehmer, Kapitalisten, Neoliberale oder Banker geht - alles das Gleiche.
Dass zwischen den Regeln der kapitalistischen Wirtschaft und den Motiven und Handlungen einzelner Unternehmen keine Identität besteht, ja massive Konflikte möglich sind, kommt Mason nicht in den Sinn. Für ihn ist alles, was er ablehnt, Ausdruck des Systems, alles was er gut findet, ein Schritt auf dem Weg zum Postkapitalismus. Dass auch eine Überflussgesellschaft mit neun Milliarden Menschen Rohstoffe benötigt, die nicht kostenlos sind: egal.
So wie Mason plädiert auch der österreichische Journalist Robert Misik in seinem Buch dafür, den Kapitalismus durch Förderung von kostengünstiger und profitloser share-economy und Allmendeproduktion zu überwinden. Und auch er beginnt mit Beschreibungen der sozialen Folgen der Finanzmarktkrise in Südeuropa, die für ihn Zeichen des Untergangs des Kapitalismus sind. Die Krise ist insofern für ihn nur Symptom eines Niedergangs, der wegen des Sinkens der industriellen Profitraten bereits in den siebziger Jahren begonnen habe. Das Kapital habe sich seither aus der eigentlichen Produktion zurückgezogen und sei auf der Suche nach höheren Gewinnen in die Finanzmärkte geflohen, habe dort aber letztlich die ohnehin gegebene Instabilität des Finanzkapitalismus nur weiter verschärft.
Der Neoliberalismus habe auf die Krise von 2008 mit Bankenrettung einerseits, harter Austeritätspolitik andererseits reagiert und so Staaten wie Griechenland, Spanien und Portugal in die Katastrophe getrieben. Doch dort bilde sich Widerstand, den "der oberste Sowjet des europäischen Neoliberalismus" - Misik meint den Rat der Finanzminister der Eurogruppe unter Schäubles Führung - brutal unterdrücke. Der Kapitalismus kämpfe also mit allen Mitteln ums Überleben, doch sei das nicht mehr wirklich erfolgreich, zumal in den zahlreichen Experimenten von Allmendeproduktion und share-economy sich die Rettung bereits abzeichne. Was daraus werde, sei zwar noch offen; der Kapitalismus aber sei definitiv am Ende, und die vernetzte Menschheit habe im Grunde alle Möglichkeiten, die es durch einen revolutionären Reformismus zu nutzen gelte.
Misik predigt nicht, doch schreibt auch er auf These. Der Niedergang der kapitalistischen Dynamik wird durch einen Vergleich der gegenwärtigen Wachstumsraten mit denen der Wiederaufbauzeit nach dem Krieg belegt. Das Ergebnis ist so wenig überraschend wie überzeugend. Die langfristigen Produktivitätsdaten deuten gerade nicht auf ein Nachlassen des Produktivitätswachstums hin. Das weiß Misik, doch bestreitet er kurzerhand die Angemessenheit der Daten, die ihn nicht stützen. Wortreich geißelt er die Austeritätspolitik der Gegenwart und beklagt die niedrige Lohnquote als Moment der Krise, verschweigt aber, dass in den hochgelobten Wachstumsphasen der Nachkriegszeit die Lohnquoten deutlich niedriger, die Investitionsquoten aber erheblich höher waren als in den siebziger und achtziger Jahren, als die Dynamik des Kapitalismus nach Misik zusammenbrach.
Den Neoliberalismus macht Misik auch für die große Ungleichheit verantwortlich, wobei er sich auf Thomas Piketty beruft. Immerhin deutet er an, dass Pikettys Konzept Schwächen hat und nicht nur auf Zustimmung stieß; doch wischt er das alles beiseite. Zu wichtig ist ihm, dass der Kapitalismus notwendig in eine soziale Katastrophe mündet, auch wenn amerikanische und deutsche Ökonomen jüngst gezeigt haben, dass die Schere der Vermögen sich ohne Berücksichtigung der Immobilienvermögen seit den sechziger Jahren kaum verändert hat.
Im Kampf zwischen neoliberaler Elitenpolitik und vernetzter Menschheit sind für Misik "Zwischentöne indes nur Krampf im Klassenkampf". Er plädiert nachhaltig für linken Populismus. So ist das Buch auch geschrieben, in dem persönliche Reportagen, Lektüren - wie der Texte Pikettys oder eben Masons - und starke Thesen miteinander verknüpft werden. Auf diese Weise wird das eigentliche Problem gar nicht adressiert, das in beiden Büchern hinter der unterschiedslosen Verwendung von Neoliberalismus, Kapitalismus und Austeritätspolitik versteckt bleibt. Die Lage der Weltwirtschaft interessiert beide Autoren, die sich vor allem an westeuropäisch-nordamerikanische Milieus wenden, in denen das Urteil längst gefallen sein soll, nicht wirklich. Der Kapitalismus in seiner neoliberalen Radikalität ist der Übeltäter, die Allmendeproduktion der Ausweg.
Ob die Situation in Japan so beschrieben ist, ob die Bedeutung Chinas sich so erfassen lässt, ob sich "das" Kapital so klar darüber ist, was "es" will, und ob Regierungen dann das tun, was sie sollen, wird nicht gezeigt, sondern ebenso schlicht vorausgesetzt wie unterstellt wird, das Internet der Dinge mache die kapitalistisch organisierte Warenproduktion überflüssig. Ob aber etwa Griechenland so geholfen wäre, wird nicht gezeigt. Denn Griechenland ist ja nicht schlicht Opfer einer rigiden Austeritätspolitik, sondern einer unverantwortlichen Politik griechischer Regierungen der letzten Jahrzehnte, die das Land in eine Strukturkrise manövrierten, in der es nur noch gegen Auflagen Geld bekommt.
Der eigentliche Hoffnungskern beider Bücher ist das Internet der Dinge als Überwinder des Kapitalismus, der zugleich die Fehler des bürokratischen Sozialismus vermeiden kann. Aber die Behauptung, moderne Informationstechnologie mache kapitalistische Warenproduktion überflüssig, überzeugt angesichts des Bedarfs von Milliarden Menschen, der nicht mit dem 3D-Drucker befriedigt werden kann, ebenso wenig wie die Vorstellung eines Überflusses, bei dem jeder sich nehmen kann, was er braucht. So anregend utopisches Denken manchmal auch sein mag; einen Realitäts-Check, um in der Sprache des Fernsehens zu reden, ersetzt es nicht.
WERNER PLUMPE
Paul Mason: "Postkapitalismus". Grundrisse einer kommenden Ökonomie.
Aus dem Englischen von Stephan Gebauer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 430 S., geb., 26,95 [Euro].
Robert Misik:
"Kaputtalismus".
Aufbau Verlag, Berlin 2016. 224 S., br., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Staat soll helfen, und das Internet wird alles richten: Die Journalisten Paul Mason und Robert Misik glauben zu wissen, was nach dem bevorstehenden Ende des Kapitalismus kommt.
Der Kapitalismus ist am Ende, so sieht es zumindest der englische Fernsehjournalist Paul Mason. Die moderne Informationstechnologie entziehe ihm den Boden. Doch der Kapitalismus wehre sich, und das mache ihn gefährlich. Seine neoliberale Abwehrstrategie löse Schocks und Katastrophen aus, wie die Verschuldung und die Klimaerwärmung. Dagegen helfe nur "revolutionärer Reformismus", der mit staatlichen Zwangsmaßnahmen die drohende Katastrophe verhindere, indem er die Regeln der Marktwirtschaft aushebele und den Neoliberalismus entmachte. Möglich soll das sein wegen der Informationstechnologie, die nicht nur den Kapitalismus bedroht, sondern auch in die Zukunft weist. Sie mache Marktwirtschaft und Ausbeutung überflüssig, da die notwendigen Güter ohne Arbeit im Überfluss zur Verfügung stehen könnten. Zu deren Verteilung sei auch kein Markt mehr nötig. Jeder nimmt sich, was er braucht.
Dazu allerdings muss der Kapitalismus erst einmal weg. Abschaffen kann ihn allerdings nicht mehr die "Arbeiterklasse", die sich auf seine Seite geschlagen hat, sofern es sie überhaupt noch gibt. Das "revolutionäre Subjekt" ist für Mason vielmehr die "vernetzte Menschheit", die zu staatlichen Mitteln greift, um der Marktwirtschaft das verdiente Ende zu bereiten. An deren Stelle träten dann Allmendeproduktion und das Internet der Dinge, die für kostenlosen Überfluss sorgten. Bis dorthin, das gesteht Mason zu, ist es kein einfacher Weg. Deshalb braucht die "vernetzte Menschheit" den Staat, der das Gute (Grundeinkommen, Vernetzung, Allmendeproduktion) fördert und das Schlechte (Energieverbrauch, Finanzkapital, Schulden, Markt) bekämpft.
Verstaatlichung spielt hier für den Weg zum Postkapitalismus insofern eine große Rolle (Energie, Infrastruktur, Wohnen, Finanzen), Steuerung auch. Und wer da nicht mitmacht, der müsse bekämpft werden "wie Al Qaida". Da kennt Mason keine Bedenken, wie auch zum Abbau der Schulden das Publikum kurzerhand enteignet werden soll. Schließlich, wenn der Staat das Böse beseitigt und das Gute lebensfähig gemacht habe, könne er absterben: Die vernetzte Menschheit komme zu sich selbst.
Aber hier ist das Buch dann bereits eine Erzählung von endzeitlicher Erlösung. Es ist journalistisch geschrieben, bedient sich dessen, was Mason ohnehin anpreist, nämlich der Informationswelt des Netzes, die hier aus Schnipseln zusammengestückelt wird, die irgendwie zur These zu passen scheinen. Gegenargumente kennt dieser Autor nicht. Kontrovers ist nichts, sondern alles längst klar. Logik spielt keine Rolle, und ob es um Unternehmer, Kapitalisten, Neoliberale oder Banker geht - alles das Gleiche.
Dass zwischen den Regeln der kapitalistischen Wirtschaft und den Motiven und Handlungen einzelner Unternehmen keine Identität besteht, ja massive Konflikte möglich sind, kommt Mason nicht in den Sinn. Für ihn ist alles, was er ablehnt, Ausdruck des Systems, alles was er gut findet, ein Schritt auf dem Weg zum Postkapitalismus. Dass auch eine Überflussgesellschaft mit neun Milliarden Menschen Rohstoffe benötigt, die nicht kostenlos sind: egal.
So wie Mason plädiert auch der österreichische Journalist Robert Misik in seinem Buch dafür, den Kapitalismus durch Förderung von kostengünstiger und profitloser share-economy und Allmendeproduktion zu überwinden. Und auch er beginnt mit Beschreibungen der sozialen Folgen der Finanzmarktkrise in Südeuropa, die für ihn Zeichen des Untergangs des Kapitalismus sind. Die Krise ist insofern für ihn nur Symptom eines Niedergangs, der wegen des Sinkens der industriellen Profitraten bereits in den siebziger Jahren begonnen habe. Das Kapital habe sich seither aus der eigentlichen Produktion zurückgezogen und sei auf der Suche nach höheren Gewinnen in die Finanzmärkte geflohen, habe dort aber letztlich die ohnehin gegebene Instabilität des Finanzkapitalismus nur weiter verschärft.
Der Neoliberalismus habe auf die Krise von 2008 mit Bankenrettung einerseits, harter Austeritätspolitik andererseits reagiert und so Staaten wie Griechenland, Spanien und Portugal in die Katastrophe getrieben. Doch dort bilde sich Widerstand, den "der oberste Sowjet des europäischen Neoliberalismus" - Misik meint den Rat der Finanzminister der Eurogruppe unter Schäubles Führung - brutal unterdrücke. Der Kapitalismus kämpfe also mit allen Mitteln ums Überleben, doch sei das nicht mehr wirklich erfolgreich, zumal in den zahlreichen Experimenten von Allmendeproduktion und share-economy sich die Rettung bereits abzeichne. Was daraus werde, sei zwar noch offen; der Kapitalismus aber sei definitiv am Ende, und die vernetzte Menschheit habe im Grunde alle Möglichkeiten, die es durch einen revolutionären Reformismus zu nutzen gelte.
Misik predigt nicht, doch schreibt auch er auf These. Der Niedergang der kapitalistischen Dynamik wird durch einen Vergleich der gegenwärtigen Wachstumsraten mit denen der Wiederaufbauzeit nach dem Krieg belegt. Das Ergebnis ist so wenig überraschend wie überzeugend. Die langfristigen Produktivitätsdaten deuten gerade nicht auf ein Nachlassen des Produktivitätswachstums hin. Das weiß Misik, doch bestreitet er kurzerhand die Angemessenheit der Daten, die ihn nicht stützen. Wortreich geißelt er die Austeritätspolitik der Gegenwart und beklagt die niedrige Lohnquote als Moment der Krise, verschweigt aber, dass in den hochgelobten Wachstumsphasen der Nachkriegszeit die Lohnquoten deutlich niedriger, die Investitionsquoten aber erheblich höher waren als in den siebziger und achtziger Jahren, als die Dynamik des Kapitalismus nach Misik zusammenbrach.
Den Neoliberalismus macht Misik auch für die große Ungleichheit verantwortlich, wobei er sich auf Thomas Piketty beruft. Immerhin deutet er an, dass Pikettys Konzept Schwächen hat und nicht nur auf Zustimmung stieß; doch wischt er das alles beiseite. Zu wichtig ist ihm, dass der Kapitalismus notwendig in eine soziale Katastrophe mündet, auch wenn amerikanische und deutsche Ökonomen jüngst gezeigt haben, dass die Schere der Vermögen sich ohne Berücksichtigung der Immobilienvermögen seit den sechziger Jahren kaum verändert hat.
Im Kampf zwischen neoliberaler Elitenpolitik und vernetzter Menschheit sind für Misik "Zwischentöne indes nur Krampf im Klassenkampf". Er plädiert nachhaltig für linken Populismus. So ist das Buch auch geschrieben, in dem persönliche Reportagen, Lektüren - wie der Texte Pikettys oder eben Masons - und starke Thesen miteinander verknüpft werden. Auf diese Weise wird das eigentliche Problem gar nicht adressiert, das in beiden Büchern hinter der unterschiedslosen Verwendung von Neoliberalismus, Kapitalismus und Austeritätspolitik versteckt bleibt. Die Lage der Weltwirtschaft interessiert beide Autoren, die sich vor allem an westeuropäisch-nordamerikanische Milieus wenden, in denen das Urteil längst gefallen sein soll, nicht wirklich. Der Kapitalismus in seiner neoliberalen Radikalität ist der Übeltäter, die Allmendeproduktion der Ausweg.
Ob die Situation in Japan so beschrieben ist, ob die Bedeutung Chinas sich so erfassen lässt, ob sich "das" Kapital so klar darüber ist, was "es" will, und ob Regierungen dann das tun, was sie sollen, wird nicht gezeigt, sondern ebenso schlicht vorausgesetzt wie unterstellt wird, das Internet der Dinge mache die kapitalistisch organisierte Warenproduktion überflüssig. Ob aber etwa Griechenland so geholfen wäre, wird nicht gezeigt. Denn Griechenland ist ja nicht schlicht Opfer einer rigiden Austeritätspolitik, sondern einer unverantwortlichen Politik griechischer Regierungen der letzten Jahrzehnte, die das Land in eine Strukturkrise manövrierten, in der es nur noch gegen Auflagen Geld bekommt.
Der eigentliche Hoffnungskern beider Bücher ist das Internet der Dinge als Überwinder des Kapitalismus, der zugleich die Fehler des bürokratischen Sozialismus vermeiden kann. Aber die Behauptung, moderne Informationstechnologie mache kapitalistische Warenproduktion überflüssig, überzeugt angesichts des Bedarfs von Milliarden Menschen, der nicht mit dem 3D-Drucker befriedigt werden kann, ebenso wenig wie die Vorstellung eines Überflusses, bei dem jeder sich nehmen kann, was er braucht. So anregend utopisches Denken manchmal auch sein mag; einen Realitäts-Check, um in der Sprache des Fernsehens zu reden, ersetzt es nicht.
WERNER PLUMPE
Paul Mason: "Postkapitalismus". Grundrisse einer kommenden Ökonomie.
Aus dem Englischen von Stephan Gebauer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 430 S., geb., 26,95 [Euro].
Robert Misik:
"Kaputtalismus".
Aufbau Verlag, Berlin 2016. 224 S., br., 16,95 [Euro].
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»Ein unschlagbares Buch: ein Zündfunke für die Vorstellungskraft, mit Röntgenstrahlen durchleuchtet es die Art und Weise, wie wir heute leben. In dieser Hinsicht ist Mason ein würdiger Nachfolger von Marx. « The Guardian 20150815