Diese Sammlung zeichnet die sprunghafte Karriere der Postmoderne in der deutschen Literatur seit 1960 nach.»Die Moderne ist hundert Jahre alt. Sie gehört der Geschichte an«, schrieb Hans Magnus Enzensberger 1960 in seinem Nachwort zur Sammlung »Museum der modernen Poesie«. Auch wenn er hier den Begriff »Postmoderne« noch nicht gebraucht, kann dieser Text als Beginn der Diskussion zum Thema im deutschsprachigen Raum angesehen werden, die zeitgleich auch in den USA in Gang kam. Was - mit allem Respekt - als »Moderne« verstanden wurde, schien plötzlich »ermüdet«, es konnte nun nicht mehr einfach für das Neue (Gute) im Gegensatz zum Traditionellen stehen, sondern wurde selbst in seiner Geschichtlichkeit gesehen. Aber es brauchte in Deutschland bis 1968, als der amerikanische Literaturwissenschaftler Leslie Fiedler mit seinem Freiburger Vortrag über »Das Zeitalter der neuen Literatur« (auf Englisch gedruckt im »Playboy«, auf Deutsch in »Christ und Welt«) eine über Monate geführte hitzige Diskussion auslöste - von den »Alten« Robert Neumann und Hans Egon Holthusen bis zu den damals »Jungen« Rolf Dieter Brinkmann, Martin Walser und Jürgen Becker. Sie wird hier erstmals komplett in Buchform wiedergegeben.Weitere Autoren (u.a.): Heiner Müller, Hanns-Josef Ortheil, Christoph Ransmayr, Sten Nadolny, Daniel Kehlmann, Durs Grünbein.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2016Museum der Postmoderne
Die Debatte um die Postmoderne? Könne man getrost "verschlafen", versuchte der Literaturkritiker Reinhard Baumgart 1987 die "Zeit"-Leser zu beruhigen. Zu spät: Denn mit einiger Verzögerung und im Windschatten von Bucherfolgen Umberto Ecos, Patrick Süskinds oder Paul Austers begann man damals auch hierzulande, über die Ideen der Postmoderne zu diskutieren. Noch die ganzen siebziger Jahre hindurch hatte das deutsche Feuilleton sie erfolgreich ignoriert, als hätte Leslie Fiedler seine provozierende Freiburger Rede "The Case for Post-Modernism" nie gehalten. Wer diese wiederliest, wird überrascht: Was der Amerikaner 1968 forderte, war weniger eine neue Literatur (denn die gab es ja längst, zumindest in Amerika) als vielmehr eine neue Kritik: keinen elitären Kunstrichter mehr, sondern einen Rezensenten, der auch mit den Formen der Pop-Kunst vertraut ist und auf Augenhöhe mit dem Leser urteilt. Womit recht genau die heute in den Qualitätsfeuilletons praktizierte Literaturkritik beschrieben ist. Noch eine zweite Überraschung bietet ein von Uwe Wittstock herausgegebener Sammelband mit einschlägigen Essays und Kommentaren deutschsprachiger Autoren aus fünfzig Jahren: Verspätete Ankunft der Postmoderne hierzulande hin oder her, es war ein deutscher Autor, der die Ära der Postmoderne ausrief, als es den Begriff noch gar nicht gab: Hans Magnus Enzensberger im Nachwort der 1960 erschienenen Anthologie "Museum der modernen Poesie": "Die moderne Poesie ist hundert Jahre alt. Sie gehört der Geschichte an." Die Neuausgabe von Wittstocks Reader (zuerst 1994 im Reclam Verlag erschienen und nunmehr bearbeitet, aktualisiert und erweitert bei Wallstein) ist ein guter Hinweis darauf, dass inzwischen auch die Postmoderne der Geschichte angehört.
O.P.
"Postmoderne in der deutschen Literatur". Lockerungsübungen aus 50 Jahren. Hrsg. von Uwe Wittstock.
Wallstein Verlag, Göttingen 2015.
414 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Debatte um die Postmoderne? Könne man getrost "verschlafen", versuchte der Literaturkritiker Reinhard Baumgart 1987 die "Zeit"-Leser zu beruhigen. Zu spät: Denn mit einiger Verzögerung und im Windschatten von Bucherfolgen Umberto Ecos, Patrick Süskinds oder Paul Austers begann man damals auch hierzulande, über die Ideen der Postmoderne zu diskutieren. Noch die ganzen siebziger Jahre hindurch hatte das deutsche Feuilleton sie erfolgreich ignoriert, als hätte Leslie Fiedler seine provozierende Freiburger Rede "The Case for Post-Modernism" nie gehalten. Wer diese wiederliest, wird überrascht: Was der Amerikaner 1968 forderte, war weniger eine neue Literatur (denn die gab es ja längst, zumindest in Amerika) als vielmehr eine neue Kritik: keinen elitären Kunstrichter mehr, sondern einen Rezensenten, der auch mit den Formen der Pop-Kunst vertraut ist und auf Augenhöhe mit dem Leser urteilt. Womit recht genau die heute in den Qualitätsfeuilletons praktizierte Literaturkritik beschrieben ist. Noch eine zweite Überraschung bietet ein von Uwe Wittstock herausgegebener Sammelband mit einschlägigen Essays und Kommentaren deutschsprachiger Autoren aus fünfzig Jahren: Verspätete Ankunft der Postmoderne hierzulande hin oder her, es war ein deutscher Autor, der die Ära der Postmoderne ausrief, als es den Begriff noch gar nicht gab: Hans Magnus Enzensberger im Nachwort der 1960 erschienenen Anthologie "Museum der modernen Poesie": "Die moderne Poesie ist hundert Jahre alt. Sie gehört der Geschichte an." Die Neuausgabe von Wittstocks Reader (zuerst 1994 im Reclam Verlag erschienen und nunmehr bearbeitet, aktualisiert und erweitert bei Wallstein) ist ein guter Hinweis darauf, dass inzwischen auch die Postmoderne der Geschichte angehört.
O.P.
"Postmoderne in der deutschen Literatur". Lockerungsübungen aus 50 Jahren. Hrsg. von Uwe Wittstock.
Wallstein Verlag, Göttingen 2015.
414 S., geb., 24,90 [Euro].
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