Anlässlich einer Besprechung seiner großen Monographie »Arbeit am Mythos« schreibt Hans Blumenberg am 20. Juli 1981 an den Rezensenten Götz Müller: »Schwer fällt es mir immer, auf Rezensionen etwas zu sagen. Es ist allemal zu spät. Doch fühle ich mich von Ihnen zu Recht getroffen. Dem Buch fehlt ein Kapitel, das im Manuskript schon vorlag, mir aber den Geschmack an dem Buch ganz und gar verdorben hatte. Ich habe es zurückgehalten. Man mag nach mir damit machen, was man will.« Müller hatte Blumenberg dafür kritisiert, den modernen politischen Mythen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Das nun im Nachlass entdeckte »Manuskript« zeigt jedoch, dass Blumenbergs Theorie des Mythos durchaus im Kontext einer intensiven Auseinandersetzung mit den politischen Verwendungen mythischer Denkfiguren entstanden ist. Während in »Arbeit am Mythos« der Totalitarismus des 20. Jahrhunderts nur am Rande erwähnt wird, rückt dieser Text Hitlers und Goebbels' Mythengebrauch ins Zentrum. In »Präfiguration« führt Blumenberg vor, dass diese nicht etwa geschickte Propagandisten waren, die historische Mythen nur instrumentalisierten, sondern in wahnhafter Bezugnahme auf Figuren wie Alexander, Friedrich der Große und Napoleon eine übertrumpfende Wiederholung zu inszenieren suchten. Diese Analysen gewinnen ihre besondere Bedeutung nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über das Verhältnis von Gewalt, Mythos und Monotheismus.