Die Ur- und Frühgeschichte als wissenschaftliche Disziplin widmete sich in der NS-Zeit zu einem erheblichen Teil der Erforschung einer vermeintlich germanischen Frühzeit, der Leitvorstellungen wie Gefolgschaft, Führer- und Kriegertum, letztlich ein Großteil des Kernbestands der NS-Weltanschauung, zugeschrieben wurden. Die Frage nach der Bedeutung der Prähistorie für die nationalsozialistische Ideologie und ihrer Funktionalisierung durch das NS-Regime wurde jedoch in den Nachkriegsjahren erfolgreich verdrängt und auch in der Folgezeit nie umfassend thematisiert. Erst im Zuge der deutschen Vereinigung und der damit einhergehenden Öffnung zahlreicher bis dahin unzugänglicher Archive stellte sich die europäische Prähistorie zunehmend dieser fachgeschichtlichen Herausforderung. Einen Meilenstein in dieser Entwicklung markierte eine internationale Tagung, die auf Initiative von Achim Leube im November 1998 an der Humboldt-Universität zu Berlin stattfand.
Die dort gehaltenen Vorträge bilden die Grundlage des vorliegenden Bandes, in dem nicht nur Vertreter der deutschen Frühgeschichtsforschung, sondern auch Prähistoriker aus Frankreich, Norwegen, Schweden, Österreich, Rußland, Polen, der Slowakei und der Tschechischen Republik zu Wort kommen. Er fügt der Aufarbeitung der Wissenschafts- und Ideologiegeschichte der NS-Zeit ein wesentliches Kapitel hinzu und dokumentiert zugleich einen exemplarischen Prozeß fachgeschichtlicher Selbstreflexion.
Aus dem Inhalt
REINHARD BOLLMUS: Das "Amt Rosenberg", das "Ahnenerbe" und die Prähistoriker; UWE PUSCHNER: Grundzüge völkischer Rassenideologie; INGWIWJORRA: "Ex oriente lux" - "Ex septentrione lux"; HENNING HASSMANN: Archäologie und Jugend im "Dritten Reich"; MARTIN SCHMIDT: Die Rolle der musealen Vermittlung in der nationalsozialistischen Bildungspolitik; WOLFGANG PAPE: Zur Entwicklung des Faches Ur- und Frühgeschichte in Deutschland bis 1945; DIETWULF BAATZ: Limesforschung zwischen den Weltkriegen; UTA HALLE: Die Externsteine; MARION BERTRAM: Wilhelm Unverzagt; MICHAEL STROBEL: Die Ausgrabungen des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte; MARIA MAGDALENA BLOMBERGOWA: Archäologische Funde im Dienst der Propaganda; SABINE HEINZ: Julius Pokorny; HEINZ GRÜNERT: Gustaf Kossinna _ ein Wegbereiter der nationalsozialistischen Ideologie; GUNTER SCHÖBEL: Hans Reinerth; GÜNTER WEGNER: Karl Hermann Jacob-Friesen und Hans Reinerth; IRENE ZIEHE: Hans Hahne; VEIT STÜRMER: Hans Schleif; JÖRN JACOBS: Peter Paulsen; HELMUT SWOZILEK: Vorarlberg und die prähistorische Forschung; KARLA MOTYKOVÁ: Die Ur- und Frühgeschichtsforschung in Böhmen; TITUS KOLNÍK: Prähistorische Forschung in der Slowakei; BOGUSLAW GEDIGA: Die Ur- und Frühgeschichte in Breslau; MAGDALENA MACZYNSKA: Ur- und Frühgeschichte in Kraków; TADEUSZ MAKIEWICZ: Archäologische Forschung in Poznan; VLADIMIR I. KULAKOV: Archäologische Forschungen im Baltikum; ANJA HEUSS: Prähistorische "Raubgrabungen" in der Ukraine; MARTIJN EICKHOFF: Bedeu-tung der Archäologie während der deutschen Besetzung der Niederlande; LAURENT OLIVIER: L'archéologie du " 3ème Reich " et la France; JES MARTENS: Die Nordische Archäologie und das "Dritte Reich"; OLAV SVERRE JOHANSEN: Anmerkungen zur archäologischen Tätigkeit in Norwegen; MAGDALENA MACZYNSKA: Lehren aus der Vergangenheit; HEINNEUMAYER: Tagungsbericht; TIMM WESKI: Schlussbemerkungen; MARTIN MAISCHBERGER: Das Projekt "Archives of European Archaeology" (AREA); Über die Autoren; Abkürzungsverzeichnis; Namenregister
Die dort gehaltenen Vorträge bilden die Grundlage des vorliegenden Bandes, in dem nicht nur Vertreter der deutschen Frühgeschichtsforschung, sondern auch Prähistoriker aus Frankreich, Norwegen, Schweden, Österreich, Rußland, Polen, der Slowakei und der Tschechischen Republik zu Wort kommen. Er fügt der Aufarbeitung der Wissenschafts- und Ideologiegeschichte der NS-Zeit ein wesentliches Kapitel hinzu und dokumentiert zugleich einen exemplarischen Prozeß fachgeschichtlicher Selbstreflexion.
Aus dem Inhalt
REINHARD BOLLMUS: Das "Amt Rosenberg", das "Ahnenerbe" und die Prähistoriker; UWE PUSCHNER: Grundzüge völkischer Rassenideologie; INGWIWJORRA: "Ex oriente lux" - "Ex septentrione lux"; HENNING HASSMANN: Archäologie und Jugend im "Dritten Reich"; MARTIN SCHMIDT: Die Rolle der musealen Vermittlung in der nationalsozialistischen Bildungspolitik; WOLFGANG PAPE: Zur Entwicklung des Faches Ur- und Frühgeschichte in Deutschland bis 1945; DIETWULF BAATZ: Limesforschung zwischen den Weltkriegen; UTA HALLE: Die Externsteine; MARION BERTRAM: Wilhelm Unverzagt; MICHAEL STROBEL: Die Ausgrabungen des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte; MARIA MAGDALENA BLOMBERGOWA: Archäologische Funde im Dienst der Propaganda; SABINE HEINZ: Julius Pokorny; HEINZ GRÜNERT: Gustaf Kossinna _ ein Wegbereiter der nationalsozialistischen Ideologie; GUNTER SCHÖBEL: Hans Reinerth; GÜNTER WEGNER: Karl Hermann Jacob-Friesen und Hans Reinerth; IRENE ZIEHE: Hans Hahne; VEIT STÜRMER: Hans Schleif; JÖRN JACOBS: Peter Paulsen; HELMUT SWOZILEK: Vorarlberg und die prähistorische Forschung; KARLA MOTYKOVÁ: Die Ur- und Frühgeschichtsforschung in Böhmen; TITUS KOLNÍK: Prähistorische Forschung in der Slowakei; BOGUSLAW GEDIGA: Die Ur- und Frühgeschichte in Breslau; MAGDALENA MACZYNSKA: Ur- und Frühgeschichte in Kraków; TADEUSZ MAKIEWICZ: Archäologische Forschung in Poznan; VLADIMIR I. KULAKOV: Archäologische Forschungen im Baltikum; ANJA HEUSS: Prähistorische "Raubgrabungen" in der Ukraine; MARTIJN EICKHOFF: Bedeu-tung der Archäologie während der deutschen Besetzung der Niederlande; LAURENT OLIVIER: L'archéologie du " 3ème Reich " et la France; JES MARTENS: Die Nordische Archäologie und das "Dritte Reich"; OLAV SVERRE JOHANSEN: Anmerkungen zur archäologischen Tätigkeit in Norwegen; MAGDALENA MACZYNSKA: Lehren aus der Vergangenheit; HEINNEUMAYER: Tagungsbericht; TIMM WESKI: Schlussbemerkungen; MARTIN MAISCHBERGER: Das Projekt "Archives of European Archaeology" (AREA); Über die Autoren; Abkürzungsverzeichnis; Namenregister
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Der Band ist die schriftliche Version einer Tagung von deutschen und osteuropäischen Fachleuten an der Humboldt-Universität. Illustriert wird, in welchem Ausmaß die nationalsozialistische Ideologie die Vorgeschichte zu instrumentalisieren versuchten - und auch der Umfang, in dem sich die Wissenschaftler in weit gehendem nationalistischem Einverständnis dafür benutzen ließen. Die Wissenschaftler aus Osteuropa berichten von erstaunlichen Beutezügen der Nazis: Neben dem "Kunstraub" hat auch "Kulturraub" in großem Maßstab stattgefunden. So wurden wissenschaftliche Schriften ebenso wie mindestens 550.000 Objekte aus Museumsbeständen nach Deutschland verbracht. Besonders kurios: 20.000 bemalte Ostereier wurden gestohlen und in Deutschland mit Hakenkreuzen verziert, um die Kontinuität "germanischer" Symbole zu belegen. Der Rezensent Matthias Hennies konstatiert die deutliche Zurückhaltung des Herausgebers Achim Leube in der Verurteilung der damaligen Fachkollegen - dass sie mehr oder weniger bereitwillig mitwirkten an der "propagandistischen Rechtfertigung" der Nazi-Ideologie, will allerdings niemand bestreiten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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