Diese gewaltigen Verse tönen bisweilen wie das Echo von Klängen weit zurückliegender Zeiten, denn sie wissen, dass Gegenwart immer geprägt ist in einer Legierung von Geschichte und Erwartung. Wir, die Leser dieser Gedichte, sind auch ihr Gegenstand. Verhandelt wird das Hier und Heute, gesprochen wie mit der sonoren Stimme eines antiken Propheten. Diese Gedichte, großartig und streng wie Psalmen, haben etwas Unausweichliches. Dimitri Analis ist lange Zeit im diplomatischen Dienst seiner griechischen Heimat gestanden. Die letzten Jahre verbrachte er wechselnd in Piräus und Paris und starb im Winter 2012. Er war in beiden Sprachen zu Hause den hier vorliegenden Zyklus von sechzehn Gedichten, seine letzte Arbeit, hat er auf Französisch geschrieben. Man kann ihn als Vermächtnis dieses bedeutenden europäischen Dichters lesen, sicher aber als Summe seiner Erfahrungen mit Sprache und Leben in einer sich verändernden Welt. Peter Handke hat sie ins Deutsche übertragen, und Walter Pichler hat jedem Gedicht eine elementare Zeichnung beigegeben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2012Ein verlorener Dichter
Die Kenntnis des griechischen Dichters Dimitri T. Analis verdanken wir Peter Handke. Unter dem Titel "Land für sich" hat Handke 1999 eine zweisprachige Auswahl der Gedichte seines Freundes herausgegeben, der hauptberuflich für Griechenland im diplomatischen Dienst tätig war und abwechselnd in Paris und Piräus lebte, wo er am 9. Februar 2012 gestorben ist. Dem neuen, wiederum zweisprachigen Band, der Gedichte aus den letzten Jahren des Dichters Analis enthält, hat Handke eine "Erinnerung an Dimitri A." beigefügt, der ein "Herr" gewesen sei, stets aber auch ein "Kind" voller "Trauer und Verschmitztheit". Diese beiden Seiten seiner Persönlichkeit sind in seinen Versen zugegen. "Eingeschlossen in deine Bleibe, horch auf den Lärm / Der Stadt, schließ dann die Fenster und betrachte / Da, die Gravur aus deiner Kinderzeit, als das Morgenwerden / Nur ein Bild war. Und sag dir, / Daß all das, die Gravur, der Lärm der Stadt, die Schatten / Und auch die paar Farben, da, des Zimmers und / Die ganze abgeschlossene Welt da, das ist, was dir bleibt. // Sei glücklich, all das ist dein, aber du / Wirst es niemals besitzen." Ein "verlorener Dichter" sei Analis, sagt Handke; aber das habe ihn durchaus nicht verbittert. Denn: "Ein verlorener Dichter zu sein - gehört sich das heute nicht fast? Und tut der heute nicht not, und nicht bloß ,fast'?" Den Band schmücken 16 Zeichnungen von Walter Pichler, der am 16. Juli dieses Jahres ebenfalls verstarb, so dass dieses ungewöhnlich schön gestaltete Buch unversehens zu einem doppelten "In memoriam" geworden ist. (Dimitri T. Analis: "Präludium zur neuen Kälte der Welt. Gedichte." Aus dem Französischen von Peter Handke. Mit Zeichnungen von Walter Pichler. Jung und Jung Verlag, Salzburg und Wien 2012. 72 S., geb., 20,- [Euro].) WSg.
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Die Kenntnis des griechischen Dichters Dimitri T. Analis verdanken wir Peter Handke. Unter dem Titel "Land für sich" hat Handke 1999 eine zweisprachige Auswahl der Gedichte seines Freundes herausgegeben, der hauptberuflich für Griechenland im diplomatischen Dienst tätig war und abwechselnd in Paris und Piräus lebte, wo er am 9. Februar 2012 gestorben ist. Dem neuen, wiederum zweisprachigen Band, der Gedichte aus den letzten Jahren des Dichters Analis enthält, hat Handke eine "Erinnerung an Dimitri A." beigefügt, der ein "Herr" gewesen sei, stets aber auch ein "Kind" voller "Trauer und Verschmitztheit". Diese beiden Seiten seiner Persönlichkeit sind in seinen Versen zugegen. "Eingeschlossen in deine Bleibe, horch auf den Lärm / Der Stadt, schließ dann die Fenster und betrachte / Da, die Gravur aus deiner Kinderzeit, als das Morgenwerden / Nur ein Bild war. Und sag dir, / Daß all das, die Gravur, der Lärm der Stadt, die Schatten / Und auch die paar Farben, da, des Zimmers und / Die ganze abgeschlossene Welt da, das ist, was dir bleibt. // Sei glücklich, all das ist dein, aber du / Wirst es niemals besitzen." Ein "verlorener Dichter" sei Analis, sagt Handke; aber das habe ihn durchaus nicht verbittert. Denn: "Ein verlorener Dichter zu sein - gehört sich das heute nicht fast? Und tut der heute nicht not, und nicht bloß ,fast'?" Den Band schmücken 16 Zeichnungen von Walter Pichler, der am 16. Juli dieses Jahres ebenfalls verstarb, so dass dieses ungewöhnlich schön gestaltete Buch unversehens zu einem doppelten "In memoriam" geworden ist. (Dimitri T. Analis: "Präludium zur neuen Kälte der Welt. Gedichte." Aus dem Französischen von Peter Handke. Mit Zeichnungen von Walter Pichler. Jung und Jung Verlag, Salzburg und Wien 2012. 72 S., geb., 20,- [Euro].) WSg.
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