Produktdetails
  • Verlag: Brandstätter
  • Seitenzahl: 80
  • Erscheinungstermin: April 2007
  • Deutsch
  • Abmessung: 270mm x 270mm x 12mm
  • Gewicht: 748g
  • ISBN-13: 9783850330497
  • ISBN-10: 3850330494
  • Artikelnr.: 22498191
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Prof. Gerhard Trumler, geboren 1937 in Wien; seit 1969 freischaffender Photograph, seine Arbeiten erscheinen in internationalen Kunst- und Kulturmagazinen, u. a. die Monographie Photographien 1970 - 2000. Der Künstler in Wien und im Waldviertel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2007

Die schwarzen und die heitern Lose

"Ohne Überlegung standen sie da, wie Unkraut ... dort ein halbes, schiefwinkliges Haus mit zurückspringender Stirn ..." - so hat Gustav Meyrink die Judenstadt von Prag und ihre gespenstischen Erscheinungsformen in seinem Roman "Der Golem" ausgemalt. Von diesem Quartier sind nur noch die Synagogen und der historische Friedhof übrig, anstelle der winkligen Gassen ziehen sich die geraden Straßen der neuen Josefstadt vom Altstädter Ring zum Moldaubogen. Trotzdem wird in Gerhard Trumlers fotografischem Stadtporträt "Prag. Golem - Kafka - Schwejk" mit Romanzitaten und suggestiven Fotos der Geist dieser vergangenen Epoche beschworen. Bettler mit zottigen Hunden und ebensolchen Bärten halten noch die Erinnerung wach an die bizarre Gesellschaft, spitze Fensterbogen und barocke Balustraden, im nassen Asphalt gespiegelte Figuren oder die über der Altstadt aufragenden Zinnen der Teyn-Kirche beschwören die manieristische Kulisse der traumatischen Geschichte. Die Kulisse, die Kafka beim Verfassen seiner Romane und Erzählungen vor Augen hatte, sind in der weitgehend konservierten Architektur der vorletzten Jahrhundertwende noch präsent. Zur Hauswand mit bilderreicher Handwerkerreklame über dem abblätternden Putz, dem verbogenen Jugendstilkandelaber und dem allgegenwärtigen Turmspitzengebirge von Burg und Dom kommen die Schattenspiele in Fußgängerpassagen oder die Ornamente der Graffiti. Die Textauswahl konzentriert sich auf Alltagsbeobachtungen, die von Kafka literarisch veredelt wurden. Nach dem Streifzug durch Straßenwinkel, Unterführungen und Ladenpassagen und den Auseinandersetzungen mit einer Gesellschaft der Bürokraten, Spitzel und Speichellecker wendet sich die Reise zumindest im Text versöhnlicheren Regionen zu, lässt im "Schwejk" die Säufer, Spitzbuben und Zuhälter zu Wort kommen, amüsiert weniger mit deren Schandtaten als mit einer Weltsicht aus entwaffnendem Egoismus und imponierender Renitenz. Aus asozialen Instinkten und sozialen Katastrophen wird ein kurioses Panorama gestaltet, zu dem die Schnappschüsse aus Straßen und Bahnen, von Schaufenstern und Kneipen das nicht immer versöhnlich wirkende Idyll liefern. Auch wenn die Bilder mit der Distanz zur wahrzeichentauglichen Architektur und der direkten Konfrontation zur Seitenstraßentristesse das Gegenteil des Glamour abbilden, den der Reisende in der Regel sucht und aufsucht - am Ende ist es doch meist der Musenort, von dem der Gast sich mystische, gespenstische oder dekadente Visionen verspricht, auch wenn sie sich nicht zu literarischer Qualität verdichten. Wer sich auf die Spuren der Prager Legenden begibt, wird im Gewimmel der Gäste aus Asien oder Nordamerika nicht viel von Golem, Kafka oder Schwejk sehen, wird eher deren jüngeren Kollegen Hurvinek und Spejbl als Marionetten in den Souvenirläden begegnen. Oder er lässt sich anregen zur Entdeckung in der frühen Morgendämmerung, deren Einsamkeit und Lichtverhältnisse die meisten Bilder dieses Buchs prägen.

ric.

"Prag. Golem - Kafka - Schwejk" von Gerhard Trumler. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2007. 84 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 29,90 Euro.

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