Die Prager waren schon immer Ästheten, Kunst- und Kulturliebhaber. Die böhmische Kunst - oft gepaart mit einem subtilen Nationalismus - hat den einzigartigen Geist geschaffen, der die Stadt durchströmt. Um die Jahrhundertwende war aus den drei Kulturen, der tschechischen, deutschen und jüdischen, eine außergewöhnlich fruchtbare Mischung entstanden, die der österreichisch-ungarischen Monarchie eine letzte Blüte bescherte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die unabhängige Tschechoslowakei geboren. Auf eine kurze Periode der Demokratie während der Ersten Republik folgten die Besetzung durch die Nazis, das kommunistische Regime, die dunklen Jahre der "Normalisierung" und die Samtene Revolution. Geprägt durch diese Erfahrungen haben sich die Prager stets besonders um ihre Selbstdarstellung bemüht. In ihrem Bestreben um Unabhängigkeit haben sie eine der bedeutendsten Kulturstädte der Welt geschaffen, die ein Gefühl von Unschuld und Ausgelassenheit ausstrahlt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.1998Europa
"Prag - Das turbulente Jahrhundert" von Jan Kaplan und Krystyna Nosarzewska. Könemann Verlagsgesellschaft, Köln 1997. 360 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 49,90 Mark. ISBN 3-89508-528-6.
In gleicher Aufmachung ist der Band "Sankt Petersburg" von Alexandre Orloff und Dimitrij Chwidkowskij erschienen.
Was kann man von einem Bildband über Prag erwarten? Die immergleichen Ansichten der Karlsbrücke, des Hradschin, Moldau am Morgen und Wenzelsplatz am Abend? Weit gefehlt, denn dieser voluminöse Band ist eine Fundgrube für historisch Interessierte und natürlich für alle, die die Stadt als die schönste Europas in ihr Herz geschlossen haben. Ein wahrhaft turbulentes Jahrhundert liegt hinter der tschechischen Metropole, eine Zeit voller Leiden und Bewährungsproben, in der die Prager fünf Staats- und Regierungsformen, drei gewaltsame Invasionen und jahrzehntelange Fremdherrschaft erdulden mußten. Zeugnisse all dieser Epochen präsentiert dieser Band, kuriose, schreckliche, bedrückende und amüsante. Nicht von ungefähr tragen die Kapitel den wechselnden Machtverhältnissen Rechnung: "Unter dem Doppeladler", "Unter der Regentschaft des tschechischen Löwen", "Unter dem Hakenkreuz", "Im Schatten des Roten Stern". Die Bilder zeigen, knapp kommentiert, das immer schwierigere Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, den von Anfang an gefährdeten Nationalstaat in den zwanziger und dreißiger Jahren bis zum Einmarsch der deutschen Truppen und der brutalen Herrschaft Heydrichs, die scheinbare Befreiung durch die Rote Armee, deren Invasion im tschechischen Schicksalsjahr 1968 und schließlich die "Samtene Revolution" des Jahres 1989 mit der anschließenden friedlichen Auflösung der Tschechoslowakei in zwei unabhängige Nationalstaaten. Plakate, Alltagsszenen, Filmbilder, Schnappschüsse und eine Vielzahl historischer Aufnahmen machen den Band zu einer durchweg spannenden Lektüre, einer Hommage an den Überlebenswillen und das Durchhaltevermögen der Prager und der Tschechen, wie es Krystyna Nosarzewska in ihrem Vorwort schreibt: "Prag ist eine Stadt, die Vernunft mit dem Absurden, Pragmatismus mit einem Sinn für Humor und harte Arbeit mit Verspieltheit und Flexibilität verbindet." (mab)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Prag - Das turbulente Jahrhundert" von Jan Kaplan und Krystyna Nosarzewska. Könemann Verlagsgesellschaft, Köln 1997. 360 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 49,90 Mark. ISBN 3-89508-528-6.
In gleicher Aufmachung ist der Band "Sankt Petersburg" von Alexandre Orloff und Dimitrij Chwidkowskij erschienen.
Was kann man von einem Bildband über Prag erwarten? Die immergleichen Ansichten der Karlsbrücke, des Hradschin, Moldau am Morgen und Wenzelsplatz am Abend? Weit gefehlt, denn dieser voluminöse Band ist eine Fundgrube für historisch Interessierte und natürlich für alle, die die Stadt als die schönste Europas in ihr Herz geschlossen haben. Ein wahrhaft turbulentes Jahrhundert liegt hinter der tschechischen Metropole, eine Zeit voller Leiden und Bewährungsproben, in der die Prager fünf Staats- und Regierungsformen, drei gewaltsame Invasionen und jahrzehntelange Fremdherrschaft erdulden mußten. Zeugnisse all dieser Epochen präsentiert dieser Band, kuriose, schreckliche, bedrückende und amüsante. Nicht von ungefähr tragen die Kapitel den wechselnden Machtverhältnissen Rechnung: "Unter dem Doppeladler", "Unter der Regentschaft des tschechischen Löwen", "Unter dem Hakenkreuz", "Im Schatten des Roten Stern". Die Bilder zeigen, knapp kommentiert, das immer schwierigere Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, den von Anfang an gefährdeten Nationalstaat in den zwanziger und dreißiger Jahren bis zum Einmarsch der deutschen Truppen und der brutalen Herrschaft Heydrichs, die scheinbare Befreiung durch die Rote Armee, deren Invasion im tschechischen Schicksalsjahr 1968 und schließlich die "Samtene Revolution" des Jahres 1989 mit der anschließenden friedlichen Auflösung der Tschechoslowakei in zwei unabhängige Nationalstaaten. Plakate, Alltagsszenen, Filmbilder, Schnappschüsse und eine Vielzahl historischer Aufnahmen machen den Band zu einer durchweg spannenden Lektüre, einer Hommage an den Überlebenswillen und das Durchhaltevermögen der Prager und der Tschechen, wie es Krystyna Nosarzewska in ihrem Vorwort schreibt: "Prag ist eine Stadt, die Vernunft mit dem Absurden, Pragmatismus mit einem Sinn für Humor und harte Arbeit mit Verspieltheit und Flexibilität verbindet." (mab)
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