Nominated as one of America's best-loved novels by PBS's The Great American Read "It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune must be in want of a wife." So begins Pride and Prejudice, Jane Austen's witty comedy of manners-one of the most popular novels of all time-that features splendidly civilized sparring between the proud Mr. Darcy and the prejudiced Elizabeth Bennet as they play out their spirited courtship in a series of eighteenth-century drawing-room intrigues. Renowned literary critic and historian George Saintsbury in 1894 declared it the "most perfect, the most characteristic, the most eminently quintessential of its author's works," and Eudora Welty in the twentieth century described it as "irresistible and as nearly flawless as any fiction could be."
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003Es fing an, als sie mich ansprach
Da war ich gleich verloren: "Stolz und Vorurteil" in redseliger Übersetzung / Von Patrick Bahners
Erste Eindrücke" war der Titel der verschollenen ersten Fassung. Ein Losungswort der sentimentalen Literatur nahm Jane Austen auf, ein Klischee, das doch ein ethisches und erkenntnistheoretisches Problem bezeichnete. Problematisch ist unsere Urteilsbildung, weil sie ohne Klischees nicht auskommt. Die Liebe auf den ersten Blick oder ihr Pendant, wie es "Stolz und Vorurteil" erörtert, der Haß auf den ersten Blick - befreit der Eindruck, der keinen Einspruch duldet, den Menschen, dem in diesem Moment Fühlen und Denken eins sind, von der Übermacht konventioneller Vorstellungen? Oder schlägt die Voreingenommenheit gerade in den Urteilen durch, die keiner Begründung bedürfen? Ist die Evidenz der Sinne nur ein soziales Konstrukt, weil wir wahrnehmen, was wir für wahr zu halten gewohnt sind?
Der Beginn des Romans ist alles andere als impressionistisch. Nichts wird evoziert, was mit den Sinnen zu fassen wäre, kein Augenaufschlag oder Tonfall, der sich unauslöschlich einprägen würde, um im Fortgang der Erzählung dem Zweifel ausgesetzt zu werden, ob nicht dahinter eine Täuschung liege. Keine Örtlichkeit, keine Stunde, kein Mensch steht am Anfang, gar nichts Besonderes, sondern eine Aussage, die zeitlos und überall gültig sein soll. Der berühmte erste Satz ist ein Satz, so allgemein wie die erste Ziffer von Wittgensteins "Tractatus". In der neuen Übersetzung von Andrea Ott, die in der Manesse Bibliothek der Weltliteratur Ilse Krämers Übertragung von 1948 ersetzt, lautet er: "Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau."
Ilse Krämer begann so: "Es ist eine weltweit anerkannte Wahrheit, daß ein alleinstehender Mann, der im Besitze eines ordentlichen Vermögens ist, nach nichts so sehr Verlangen haben muß wie nach einem Weibe." Die kuriose Antizipation der Globalisierung zog dem Geltungsgebiet der postulierten Wahrheit eine geographische Grenze: Ein provinzieller Ton wird angeschlagen, der die Pointe des Provinzialismus verfehlt, daß nämlich die denkbar kleine Gesellschaft des Romans sich für die große Welt hält. Man traut diesen Leuten zu, daß sie in den Heiratsregeln ihrer Kreise kosmische Gesetze sehen. Newton hat sie aufgeklärt: Was in Hertfordshire wahr ist, das verlangt nicht nur auf der ganzen Welt Anerkennung, sondern in jedem Winkel des Universums. Aber Jane Austen hätte sich nicht zu der Behauptung verstiegen, in der Sozialphilosophie aller Länder der Erde mache der vermögende Junggeselle dieselbe gute, aber unglückliche Figur. Solange der Sklavenhandel nicht abgeschafft war, gab es Weltgegenden, in denen die Lustgewinnmaximierung reicher Männer nicht durch die Monogamie domestiziert war.
Die Dringlichkeit des bei allen ungebundenen Männern anzunehmenden Verlangens drücken beide Übersetzerinnen mit einem Superlativ aus: Die Gattin steht an erster Stelle auf dem Wunschzettel des Unbeweibten. Wie kommt diese Werthierarchie im Original zum Ausdruck? Gar nicht. "It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune must be in want of a wife." Der Alleinstehende braucht Gesellschaft. Dieses Bedürfnis ist nicht schwächer oder stärker als andere Triebe, sondern absoluter Natur. Es existiert, solange es nicht befriedigt ist. Warum will der Mann eine Frau? Weil er sie wollen muß. Aus der Notwendigkeit ergibt sich die Wirklichkeit. Diese Kontingenzvernichtung ausgerechnet auf dem Feld des Erotischen bleibt bei Ilse Krämer erhalten, freilich unnötig ausgeschmückt durch den Superlativ: Daß der Besitzer eines ordentlichen Vermögens Verlangen nach einem Weib haben muß, ist schon Wahrheit genug. Bei Andrea Ott muß der rhetorische Effekt die modale Präzision ersetzen. So wird mit den ersten Wörtern das Prinzip des Textes verraten - jene Ökonomie, in der Inhalt und Form zusammenfallen.
In den Kategorien von Angebot und Nachfrage wird das Thema der Gattenwahl eingeführt, und in der Erläuterung dieser Kategorien waltet äußerste Sparsamkeit. Zwar legt die im ersten Satz dargebotene Wahrheit den Grund für alles, was folgt. Aber daß Andrea Ott "this truth" im zweiten Satz mit "diese Grundwahrheit" wiedergibt, ist der zweite Verstoß gegen die Wahrhaftigkeit einer Kunst des Haushaltens, die mit einem Minimum lexikalischer Mittel auskommt. Seht da, Fräulein Knauserig! Daß Jane Austens herrliche Klarheit, die man mit Mozart verglichen hat, daß die unromantische Durchsichtigkeit ihrer Expositionen bei der Übertragung ins Deutsche eingetrübt wird, liegt in der Natur unserer Sprache, die mehr Silben benötigt als das Englische. Um so mehr müßte die Übersetzerin auf Knappheit bedacht sein.
Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen: Von der Art dieser Aussage ist der erste Satz des Romans. Ein Mangel wird festgestellt, und damit wird zugleich unterstellt, daß er behoben werden kann. Daß die Sehnsucht das Bewegungsgesetz des Universums ist, läßt sich prosaischer nicht ausdrücken. Der Denkstil stammt aus der natürlichen Theologie des achtzehnten Jahrhunderts, die sich nicht zu fein war, am Geschlechtstrieb die Schöpfungsökonomie zu demonstrieren. Die metaphysische These von der Unfertigkeit des Individualismus gibt es auch in einer biblischen Variante: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In den vier Buchstaben des Wörtchens "want" liegen subjektives Wünschen und objektives Bedürfnis beschlossen. Aber welche Natur ist es, die hier den Schritt vom Sein zum Sollen tut, den Hume verbieten wollte? Ist es nicht nur die Natur der Sprache? Indem Jane Austen alle überzähligen Worte einspart, legt sie die Mechanik des Arguments bloß. Hinter der Teleologie steckt eine Tautologie: Es ist eine Wahrheit, der niemand widersprechen kann, daß ein Junggeselle ein Junggeselle ist.
Der Witz des ersten Kapitels ist, daß sich das universelle Gesetz der Partnersuche als lokales Vorurteil entpuppt. Nur für törichte Frauen wie Mrs. Bennet steht außer Zweifel, daß kein reicher Mann allein bleiben kann. Wahrheit ist relativ. Daß ein Satz allgemein als wahr anerkannt ist, spricht eher gegen seine Richtigkeit, da es von seiner Überprüfung entlastet. Elizabeth Bennet verkennt den Charakter Mr. Darcys so lange, wie sie unter dem Eindruck einer Evidenz steht, die solch ein trügerischer Konsens hervorbrachte. Mr. Bennet scherzt darüber, daß seiner Frau der Wunsch zum Brautvater des Gedankens wird. Ob Mr. Bingley, wenn er sich in ihrer Nachbarschaft niederlasse, damit den "Zweck" ("design") verfolge, eine ihrer Töchter zu heiraten? Die natürliche Theologie schloß im "argument from design" aus der Zweckmäßigkeit der Schöpfung auf den Zweck des Schöpfers. Mrs. Bennet vertraut der Vorsehung ohne Grund, aber mit Recht: Bingley heiratet wahrhaftig ihre älteste Tochter.
Im siebenundfünfzigsten Kapitel gelangt Elizabeth zu der Einsicht, daß ein Gerücht der Wahrheit vorgreifen kann. Sie ist zwar nicht mit Darcy verlobt; aber daß die Nachricht sich verbreitet hat, zeigt, daß sie wahr werden kann. Der Eindruck, den ihr Verhalten erweckte, ließ die Idee wie von selbst hinzutreten. "Auch sie übersah nicht, daß die Heirat ihrer Schwester sie häufiger zusammenbringen würde." Als passives Vermögen reiner Rezeption erscheint bei Andrea Ott Elizabeths Aufmerksamkeit für die berechenbaren Wirkungen der wechselseitigen Anziehung zwischen zwei Körpern im Zustand räumlicher Nähe. In Wahrheit versetzt die erotische Schwerkraft Herz und Geist in Tätigkeit: "She herself had not forgotten to feel." Das Fühlen nicht vergessen! Zwischen Sinn und Sinnlichkeit, Ideen und Impressionen herrscht respektvolle Intimität, die der Inbegriff jenes "rationalen Glücks" ist, in dem Elizabeth und Darcy ihre Bestimmung erkennen.
Daß jeder Mann im Besitz eines ansehnlichen Vermögens eine Frau sucht, garantiert in Jane Austens Welt die unsichtbare Hand der Autorin. Das gelingende Leben ist ein Sprachkunstwerk. Deshalb sieht Elizabeth nicht hin, als Darcy den zweiten Antrag macht. "Aber wenn sie ihn auch nicht anzuschauen wagte, so hörte sie doch, wie er ihr seine Gefühle schilderte." Sie schlägt die Augen nieder und erhört ihn: ein sentimentales Vorurteil. Jane Austens Stolz war, kein Wort zuviel zu schreiben: "though she could not look, she could listen".
Jane Austen: "Stolz und Vorurteil". Aus dem Englischen übersetzt von Andrea Ott. Nachwort von Elfi Bettinger. Manesse Verlag, Zürich 2003. 637 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Da war ich gleich verloren: "Stolz und Vorurteil" in redseliger Übersetzung / Von Patrick Bahners
Erste Eindrücke" war der Titel der verschollenen ersten Fassung. Ein Losungswort der sentimentalen Literatur nahm Jane Austen auf, ein Klischee, das doch ein ethisches und erkenntnistheoretisches Problem bezeichnete. Problematisch ist unsere Urteilsbildung, weil sie ohne Klischees nicht auskommt. Die Liebe auf den ersten Blick oder ihr Pendant, wie es "Stolz und Vorurteil" erörtert, der Haß auf den ersten Blick - befreit der Eindruck, der keinen Einspruch duldet, den Menschen, dem in diesem Moment Fühlen und Denken eins sind, von der Übermacht konventioneller Vorstellungen? Oder schlägt die Voreingenommenheit gerade in den Urteilen durch, die keiner Begründung bedürfen? Ist die Evidenz der Sinne nur ein soziales Konstrukt, weil wir wahrnehmen, was wir für wahr zu halten gewohnt sind?
Der Beginn des Romans ist alles andere als impressionistisch. Nichts wird evoziert, was mit den Sinnen zu fassen wäre, kein Augenaufschlag oder Tonfall, der sich unauslöschlich einprägen würde, um im Fortgang der Erzählung dem Zweifel ausgesetzt zu werden, ob nicht dahinter eine Täuschung liege. Keine Örtlichkeit, keine Stunde, kein Mensch steht am Anfang, gar nichts Besonderes, sondern eine Aussage, die zeitlos und überall gültig sein soll. Der berühmte erste Satz ist ein Satz, so allgemein wie die erste Ziffer von Wittgensteins "Tractatus". In der neuen Übersetzung von Andrea Ott, die in der Manesse Bibliothek der Weltliteratur Ilse Krämers Übertragung von 1948 ersetzt, lautet er: "Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, daß ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau."
Ilse Krämer begann so: "Es ist eine weltweit anerkannte Wahrheit, daß ein alleinstehender Mann, der im Besitze eines ordentlichen Vermögens ist, nach nichts so sehr Verlangen haben muß wie nach einem Weibe." Die kuriose Antizipation der Globalisierung zog dem Geltungsgebiet der postulierten Wahrheit eine geographische Grenze: Ein provinzieller Ton wird angeschlagen, der die Pointe des Provinzialismus verfehlt, daß nämlich die denkbar kleine Gesellschaft des Romans sich für die große Welt hält. Man traut diesen Leuten zu, daß sie in den Heiratsregeln ihrer Kreise kosmische Gesetze sehen. Newton hat sie aufgeklärt: Was in Hertfordshire wahr ist, das verlangt nicht nur auf der ganzen Welt Anerkennung, sondern in jedem Winkel des Universums. Aber Jane Austen hätte sich nicht zu der Behauptung verstiegen, in der Sozialphilosophie aller Länder der Erde mache der vermögende Junggeselle dieselbe gute, aber unglückliche Figur. Solange der Sklavenhandel nicht abgeschafft war, gab es Weltgegenden, in denen die Lustgewinnmaximierung reicher Männer nicht durch die Monogamie domestiziert war.
Die Dringlichkeit des bei allen ungebundenen Männern anzunehmenden Verlangens drücken beide Übersetzerinnen mit einem Superlativ aus: Die Gattin steht an erster Stelle auf dem Wunschzettel des Unbeweibten. Wie kommt diese Werthierarchie im Original zum Ausdruck? Gar nicht. "It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune must be in want of a wife." Der Alleinstehende braucht Gesellschaft. Dieses Bedürfnis ist nicht schwächer oder stärker als andere Triebe, sondern absoluter Natur. Es existiert, solange es nicht befriedigt ist. Warum will der Mann eine Frau? Weil er sie wollen muß. Aus der Notwendigkeit ergibt sich die Wirklichkeit. Diese Kontingenzvernichtung ausgerechnet auf dem Feld des Erotischen bleibt bei Ilse Krämer erhalten, freilich unnötig ausgeschmückt durch den Superlativ: Daß der Besitzer eines ordentlichen Vermögens Verlangen nach einem Weib haben muß, ist schon Wahrheit genug. Bei Andrea Ott muß der rhetorische Effekt die modale Präzision ersetzen. So wird mit den ersten Wörtern das Prinzip des Textes verraten - jene Ökonomie, in der Inhalt und Form zusammenfallen.
In den Kategorien von Angebot und Nachfrage wird das Thema der Gattenwahl eingeführt, und in der Erläuterung dieser Kategorien waltet äußerste Sparsamkeit. Zwar legt die im ersten Satz dargebotene Wahrheit den Grund für alles, was folgt. Aber daß Andrea Ott "this truth" im zweiten Satz mit "diese Grundwahrheit" wiedergibt, ist der zweite Verstoß gegen die Wahrhaftigkeit einer Kunst des Haushaltens, die mit einem Minimum lexikalischer Mittel auskommt. Seht da, Fräulein Knauserig! Daß Jane Austens herrliche Klarheit, die man mit Mozart verglichen hat, daß die unromantische Durchsichtigkeit ihrer Expositionen bei der Übertragung ins Deutsche eingetrübt wird, liegt in der Natur unserer Sprache, die mehr Silben benötigt als das Englische. Um so mehr müßte die Übersetzerin auf Knappheit bedacht sein.
Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen: Von der Art dieser Aussage ist der erste Satz des Romans. Ein Mangel wird festgestellt, und damit wird zugleich unterstellt, daß er behoben werden kann. Daß die Sehnsucht das Bewegungsgesetz des Universums ist, läßt sich prosaischer nicht ausdrücken. Der Denkstil stammt aus der natürlichen Theologie des achtzehnten Jahrhunderts, die sich nicht zu fein war, am Geschlechtstrieb die Schöpfungsökonomie zu demonstrieren. Die metaphysische These von der Unfertigkeit des Individualismus gibt es auch in einer biblischen Variante: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In den vier Buchstaben des Wörtchens "want" liegen subjektives Wünschen und objektives Bedürfnis beschlossen. Aber welche Natur ist es, die hier den Schritt vom Sein zum Sollen tut, den Hume verbieten wollte? Ist es nicht nur die Natur der Sprache? Indem Jane Austen alle überzähligen Worte einspart, legt sie die Mechanik des Arguments bloß. Hinter der Teleologie steckt eine Tautologie: Es ist eine Wahrheit, der niemand widersprechen kann, daß ein Junggeselle ein Junggeselle ist.
Der Witz des ersten Kapitels ist, daß sich das universelle Gesetz der Partnersuche als lokales Vorurteil entpuppt. Nur für törichte Frauen wie Mrs. Bennet steht außer Zweifel, daß kein reicher Mann allein bleiben kann. Wahrheit ist relativ. Daß ein Satz allgemein als wahr anerkannt ist, spricht eher gegen seine Richtigkeit, da es von seiner Überprüfung entlastet. Elizabeth Bennet verkennt den Charakter Mr. Darcys so lange, wie sie unter dem Eindruck einer Evidenz steht, die solch ein trügerischer Konsens hervorbrachte. Mr. Bennet scherzt darüber, daß seiner Frau der Wunsch zum Brautvater des Gedankens wird. Ob Mr. Bingley, wenn er sich in ihrer Nachbarschaft niederlasse, damit den "Zweck" ("design") verfolge, eine ihrer Töchter zu heiraten? Die natürliche Theologie schloß im "argument from design" aus der Zweckmäßigkeit der Schöpfung auf den Zweck des Schöpfers. Mrs. Bennet vertraut der Vorsehung ohne Grund, aber mit Recht: Bingley heiratet wahrhaftig ihre älteste Tochter.
Im siebenundfünfzigsten Kapitel gelangt Elizabeth zu der Einsicht, daß ein Gerücht der Wahrheit vorgreifen kann. Sie ist zwar nicht mit Darcy verlobt; aber daß die Nachricht sich verbreitet hat, zeigt, daß sie wahr werden kann. Der Eindruck, den ihr Verhalten erweckte, ließ die Idee wie von selbst hinzutreten. "Auch sie übersah nicht, daß die Heirat ihrer Schwester sie häufiger zusammenbringen würde." Als passives Vermögen reiner Rezeption erscheint bei Andrea Ott Elizabeths Aufmerksamkeit für die berechenbaren Wirkungen der wechselseitigen Anziehung zwischen zwei Körpern im Zustand räumlicher Nähe. In Wahrheit versetzt die erotische Schwerkraft Herz und Geist in Tätigkeit: "She herself had not forgotten to feel." Das Fühlen nicht vergessen! Zwischen Sinn und Sinnlichkeit, Ideen und Impressionen herrscht respektvolle Intimität, die der Inbegriff jenes "rationalen Glücks" ist, in dem Elizabeth und Darcy ihre Bestimmung erkennen.
Daß jeder Mann im Besitz eines ansehnlichen Vermögens eine Frau sucht, garantiert in Jane Austens Welt die unsichtbare Hand der Autorin. Das gelingende Leben ist ein Sprachkunstwerk. Deshalb sieht Elizabeth nicht hin, als Darcy den zweiten Antrag macht. "Aber wenn sie ihn auch nicht anzuschauen wagte, so hörte sie doch, wie er ihr seine Gefühle schilderte." Sie schlägt die Augen nieder und erhört ihn: ein sentimentales Vorurteil. Jane Austens Stolz war, kein Wort zuviel zu schreiben: "though she could not look, she could listen".
Jane Austen: "Stolz und Vorurteil". Aus dem Englischen übersetzt von Andrea Ott. Nachwort von Elfi Bettinger. Manesse Verlag, Zürich 2003. 637 S., geb., 22,90 [Euro].
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