Produktdetails
  • Verlag: Thomson Learning
  • 3rd edition
  • Englisch
  • ISBN-13: 9780324203097
  • ISBN-10: 0324203098
  • Artikelnr.: 09588386
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.1999

"Principles" des ökonomischen Denkens
Ein Autor versucht, die Macht von Samuelson/Nordhaus zu brechen

N. Gregory Mankiw: Principles of Economics. The Dryden Press, Fort Worth 1998. 797 Seiten, 77,50 Dollar.

Wer auf dem hartumkämpften Markt für ökonomische Lehrbücher in der englischsprechenden Welt reüssieren will, wird unweigerlich am Markterfolg von Paul A. Samuelsons "Economics" gemessen. Dieses Werk ist erstmals 1948 erschienen; inzwischen liegt die sechzehnte Auflage vor. Vier Millionen Exemplare sind verkauft worden; das Lehrbuch ist in vierzig Sprachen übersetzt worden. Samuelson und seit der zwölften Auflage sein Koautor William D. Nordhaus sind nahezu allen heute lebenden Ökonomen bekannt. Sie wollen es auch in Zukunft bleiben.

Gregory Mankiw, ein jüngerer Harvard-Professor, und sein Verleger haben mit einem vorerst wohl einmaligen Marketingaufwand ihren Willen bekundet, Samuelson/Nordhaus Paroli zu bieten - allerdings nicht im Sinne des zweibändigen "Anti-Samuelson" der Achtundsechziger, der inzwischen vergessen ist, sondern einer neuen Darstellung des "mainstream".

Die hierzu getroffenen Vorbereitungen überschreiten das Branchenübliche bei weitem. In den "acknowledgements" dankt der Autor über einhundertfünfzig Fachgenossen im In- und Ausland für die Durchsicht des Manuskripts. Es haben Arbeitskreise mit den für den amerikanischen Universitätsbetrieb so wichtigen Instruktoren und ausgiebige Tests mit Studenten stattgefunden. Ganze Kohorten von Editoren und Typographen haben für die gefällige Aufmachung des Textes gesorgt. Lehrenden und Lernenden steht eine ganze Batterie von Hilfen zur Verfügung - angefangen von der üblichen "Test-Bank" über Handbücher bis hin zur "Web-Site" im Internet.

Was ist angesichts eines so breitflächig angelegten Verdrängungsversuchs zum Haupttext zu sagen? Der Stoff ist anders aufbereitet. Von der schon beinahe kanonisierten Einteilung in Mikro- und Makroökonomik wird Abstand genommen. Dadurch werden sonst häufige Konfusionen geschickt umschifft. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist nicht die robinsonsche Knappheitsproblematik, sondern die Interaktion rationaler Egoisten am Markt. Ein Aufgreifen der Hayekschen Katallaktik ist allerdings nicht geplant.

Didaktisch wird die gegenüber älteren Darstellungen veränderte Perspektive durch "principles" des ökonomischen Denkens einzufangen versucht. Die rationalen Akteure betreten die Welt der Ökonomie durch das Tor der "trade-offs". Man kann nicht alles gleichzeitig haben, sondern ein Mehr an einem Gut ist nur durch Verzicht auf andere Güter erreichbar. Folglich fallen ständig (Opportunitäts-)Kosten beim einzelnen oder für die Gesellschaft an. Treffen sich Wirtschaftssubjekte vor diesem Hintergrund auf Märkten und tauschen sie dort freiwillig die Produkte ihres Fleißes, so gewinnen beide Seiten. Angesichts ihrer geringen Reibungsflächen sind Märkte ein recht brauchbarer Weg zur Organisation der gesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung. Allerdings gibt es Fälle des Marktversagens. Hier kann der Staat durch geeignete Maßnahmen die gesellschaftliche Wohlfahrt mehren. Lenkt man den Blick aufs Ganze, so hängt der Wohlstand einer Gesellschaft (oder eines Landes) entscheidend von den institutionellen Bedingungen ab, unter denen Güter und Dienstleistungen produziert werden.

Ob diese "principles" wirklich den Kern der Ökonomik ausmachen, sei dahingestellt. Der Autor verwendet sie jedoch - optisch recht geschickt - immer wieder in erklärender Absicht und verleiht so seinem Text innere Konsistenz. Das wird schon sichtbar, wenn er - abweichend von den meisten Lehrbüchern - die Sachdarstellung mit der Darstellung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung beginnt. Es lohnt sich, in Gesellschaft zu leben, denn nur in ihr ist für jeden Spezialisierung möglich und gleichzeitig profitabel. Und je umfassender der gesellschaftliche Austausch wird, um so mehr nehmen die Wohlstandschancen der Beteiligten zu. Autarkie in der kleinen Gruppe oder auf nationaler Ebene ist allemal die schlechtere Lösung aus gesellschaftlicher Sicht.

Von hier aus entfaltet Mankiw die Lehre von den Märkten und den Marktformen. Er verbindet sie zugleich mit der wohlfahrtsökonomischen Perspektive und vermittelt dadurch seinen Lesern die Einsicht, daß die Ökonomik in seinem Verständnis mehr sein will als eine erklärende Wissenschaft, als eine "Astronomie der Güterbewegungen" (Kenneth Boulding). Sie versteht sich vielmehr als ein Wissensgebiet, in dem auch die schwierige Frage erörtert wird, was denn vom Standpunkt der Gesellschaft von Vorteil - im Jargon der Ökonomik: "effizient" - sei. Dieses Vorgehen ermöglicht es Mankiw, seinen Text an zahlreichen Stellen wirtschaftspolitisch auszurichten. Er kann so die gesellschaftlichen Nachteile von Inflationen, Arbeitslosigkeit oder staatlichen Markteingriffen schon in einem Anfängerbuch einbeziehen. Gleichzeitig können seine Leser aus eingeblendeten Zeitungsausschnitten entnehmen, wie die jeweils erörterten Fragen in der Sprache der Wirtschaftsjournalisten klingen. Der Text gewinnt so an Lesbarkeit und Praxisbezug.

Aber ist das Werk als Ganzes gesehen eine Herausforderung für Samuelson/Nordhaus? Lehrbücher, die absatzorientiert geschrieben sind, haben den Nachteil, daß sie vielen gefallen müssen, um als Pflichtlektüre für "Econ 101" - so die Bezeichnung des Einführungskurses an amerikanischen Universitäten - akzeptiert zu werden. Bei Samuelson ist das 1948 anders gewesen. Er hat die "keynesianische Revolution", die damals breite Schichten in Wissenschaft und Politik erfaßt hatte, in die Hörsäle tragen und in vollen Zügen von ihr profitieren können. So gesehen ist das Buch in seiner Zeit eine wahre Neuerung gewesen. In späteren Auflagen hat Samuelson zwar den Schwerpunkt vom Keynesianismus in Richtung der "neoklassischen Synthese" verschoben, ohne allerdings seine starken Vorbehalte gegen die Funktionsfähigkeit eines marktwirtschaftlichen Systems und den Glauben an die wohltätige Hand des Staates im Kern aufzugeben. Mankiw ist hier zurückhaltender. Er schildert die großen Kontroversen um den Monetarismus oder die Philippskurve, ohne inneres Engagement erkennen zu lassen. Sein gut lesbares und klar geschriebenes Werk ist kein Versuch, eine Synthese jüngerer Entwicklungen mit dem überkommenen Kanon zustande zu bringen. Aber das ist wohl auch nicht das Ziel gewesen. CHRISTIAN WATRIN

(emeritierter Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln)

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