34,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
  • Gebundenes Buch

Der Flügeladjutant des ersten bayerischen Königs, die Hofdame der Königin, ein mumifiziertes Kind, der König selbst und sein erster Minister, das sind die Hauptpersonen in einer spannenden »Kriminalgeschichte«, wie sie in den Jahren 1814 bis 1816 in »höchsten Kreisen« tatsächlich geschehen ist.Alles beginnt wohl mit verschiedenen amourösen »Affären« am Hofe König Max I. Joseph, gefolgt von einer heimlichen Hochzeit und einer genauso rätselhaften wie gefährlichen Reise des jungen Paares nach Neapel.Dort, am Fuße des Vesuvs, wird ihnen im Frühling 1815 eine Tochter geboren. Doch bereits mit…mehr

Produktbeschreibung
Der Flügeladjutant des ersten bayerischen Königs, die Hofdame der Königin, ein mumifiziertes Kind, der König selbst und sein erster Minister, das sind die Hauptpersonen in einer spannenden »Kriminalgeschichte«, wie sie in den Jahren 1814 bis 1816 in »höchsten Kreisen« tatsächlich geschehen ist.Alles beginnt wohl mit verschiedenen amourösen »Affären« am Hofe König Max I. Joseph, gefolgt von einer heimlichen Hochzeit und einer genauso rätselhaften wie gefährlichen Reise des jungen Paares nach Neapel.Dort, am Fuße des Vesuvs, wird ihnen im Frühling 1815 eine Tochter geboren. Doch bereits mit knapp anderthalb Jahren stirbt das kleine Mädchen.Einbalsamiert nach allen Regeln der Kunst reist das tote Kind mit den Eltern zurück nach Bayern.200 Jahre später ist das mumifizierte Mädchen Ausgangspunkt der interdisziplinären wissenschaftlichen Untersuchungen des Münchner Paläopathologen Professor Andreas Nerlich.Das Schicksal des außergewöhnlich gut erhaltenen Kindes ließ Nerlich keine Ruhe,seit er das Mädchen 2012 zum ersten Mal in der Familiengruft im unweit von Ingolstadt gelegenen Dorf Dötting bei Wackerstein gesehen hatte. Mit historischen Forschungen in zahlreichen Archiven gelingt es Nerlich, den ungewöhnlichen und zunächst auch unerklärlichen Lebensweg des Kindes und seiner Eltern in München, Neapel und Wackerstein nachzuzeichnen. Mit modernsten naturwissenschaftlich-medizinischen Methoden kann Nerlich offene Fragen nach der Elternschaft und die genauen Todesumstände des kleinen Mädchens klären und so den Fall »Prinzessin Wackerstein« lösen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.10.2019

Königlich-bayerische
Verwicklungen
Was hat die Mumie der kleinen Carolina mit Max I. Joseph
zu tun? Pathologe Andreas Nerlich wittert eine kuriose Affäre
VON JAKOB WETZEL
Mortui vivos docent“ steht in Frakturschrift an der Wand des Sektionssaals der Pathologie im Klinikum Schwabing, „die Toten lehren die Lebenden“. Wenn Andreas Nerlich hier einen Leichnam untersucht, dann lernt er dabei meist etwas über den menschlichen Körper oder über Krankheiten, die diesem zusetzen können. Doch was der Mumienforscher und Chef der Pathologie jetzt in Erfahrung gebracht hat, ist derart indiskret, dass es im Grunde mehr in eine Klatsch-Zeitschrift passen würde als auf einen Sektionstisch. Er hat eine Geschichte rekonstruiert, die zurückreicht bis zu den Anfängen des Königreichs Bayern. Sie spielt am Hof in München, an dem es offenbar einst recht freizügig zugegangen ist.
Am Mittwochabend hat Nerlich die Ergebnisse seiner Nachforschungen im Hörsaal der Pathologie vorgestellt. Er hätte es selber nicht für vorstellbar gehalten, eine solche Affäre aufzudecken, sagte er. „Das hört sich alles recht romanhaft an. Es ist aber echte, gelebte Geschichte.“
Doch der Reihe nach. Begonnen hat diese Geschichte für Nerlich 2011 in der Gruft von Schloss Wackerstein östlich von Ingolstadt. Diese sollte saniert werden, und dabei kamen fünf ungewöhnlich gut erhaltene Leichname zum Vorschein. Vier von ihnen hatten sich allein wegen der trockenen Witterung erhalten, einer aber war professionell mumifiziert worden. Es war der Körper eines kleinen Mädchens. Sein Bauch war geöffnet und wieder verschlossen worden, ebenso sein Kopf. Die Haut zeigte Spuren von Bandagen, die wieder entfernt worden waren. Und neben dem Körper stand ein Metallgefäß, eine Art Kanope.
Wer die Toten waren, stand auf einer Holztafel: Es ist die Familie der Freiherren und Freifrauen von Jordan. Der Vater Friedrich Wilhelm kam aus Stettin, war ein karrierebewusster Militär, „a richtiger Breiß“, sagte Nerlich, „blühendes Äußeres, brutale Selbstüberschätzung“, dabei aber sehr erfolgreich: Binnen weniger Jahre brachte er es zum Flügeladjutanten des bayerischen Kurfürsten, des späteren Königs Max I. Joseph, 1813 gar zum Generalmajor. Neben ihm lag seine Ehefrau Violante von Sandizell, eine gebürtige Münchnerin und Hofdame der bayerischen Königin Caroline. Ein Freund der Familie, Heinrich LII. von Reuß-Köstritz, lag auch in der Gruft. Und schließlich waren da die Kinder der Jordans: der „Jüngling Max“ und die kleine, im Juli 1816 verstorbene und künstlich mumifizierte Carolina, die den Münchner Mumienforscher besonders beschäftigte.
Nerlich untersuchte das Mädchen, wie es ein Pathologe eben tut. Er entnahm Proben und begutachtete die Organe, die in jenem Metallgefäß neben dem Leichnam in einer alkoholischen Flüssigkeit schwammen und hervorragend konserviert waren. Der Pathologe fand heraus, dass die kleine Carolina erst acht Monate vor ihrem Tod abgestillt worden war, dass sie im Darm einen nun ebenfalls schon seit mehr als 200 Jahren toten, 20 Zentimeter langen Spulwurm mit sich herumtrug, dass sie außerdem von Mikroparasiten befallen war und noch dazu vermutlich eine Virusinfektion hatte, als sie am Ende an einer Lungenentzündung starb. Aber warum hatte man dieses Kleinkind so aufwendig präpariert?
Nerlich wollte mehr wissen – und wurde stutzig. Er fand heraus, dass das Kind im März 1815 in Neapel geboren worden und dort auch gestorben war. Nachforschungen in Portici bei Neapel ergaben, dass Carolina dort erst im Alter von drei Monaten getauft worden war, für damalige Verhältnisse sehr spät. Und die Eltern, die im August 1814 geheiratet hatten, waren offenbar nur wegen ihrer Tochter im Süden gewesen: Sie waren wenige Monate vor der Entbindung ins damalige Königreich Neapel gefahren und kehrten nach Carolinas Tod überstürzt nach Bayern zurück.
In Archiven stieß Nerlich auf noch mehr Eigenartiges. So erhielt der Freiherr von Jordan, Carolinas Vater, rund um den wahrscheinlichen Zeugungstermin großzügige Zuwendungen von Max I. Joseph, unter anderem einen erblichen Adelstitel und ein lukratives Adelsgericht, die Erlaubnis, Recht zu sprechen – und das, obwohl Maximilian von Montgelas, der Minister des Königs, gerade dabei war, diese juristische Tradition abzuschaffen. Und der König schenkte Jordan noch mehr Geld. Wieso das alles?
Die Antworten darauf sind zum Teil spekulativ, doch Nerlich hat einen Verdacht. Waren die Eltern nach Neapel gereist, um den Augen des Hofstaats zu entfliehen und damit nicht nur die Schwangerschaft geheimzuhalten, sondern auch das Aussehen des Kindes? Carolina ist groß für ihr Alter; war sie deshalb so spät getauft worden, um zu verschleiern, dass sie in Wahrheit schon früher geboren, also vor der Hochzeit ihrer Eltern gezeugt wurde? Und von wem? Wessen Kind war die kleine Carolina?
Nerlich stieß speziell hierzu auf einen pikanten Eintrag in den Memoiren des württembergischen Diplomaten Heinrich Levin Graf von Wintzingerode, der gut über den Tratsch am bayerischen Hof unterrichtet war. Die Sitten seien in München „recht locker“, schrieb er. Die Königin sei prüde, der König hingegen „wenig skrupulös“. Eines Tages habe nun Max I. Joseph dem Major von Jordan vorgeworfen, eine Hofdame der Königin, die Gräfin von Sandizell, geschwängert zu haben – nun solle er sie gefälligst heiraten. Diese Ehe sei später wirklich geschlossen worden. Jordan aber habe anfangs „gewisse Zweifel an seiner Vaterschaft“ geäußert – und der König fühlte sich offensichtlich ertappt: Tatsächlich hatte er selbst ein Verhältnis mit der Dame. Er redete sich jedoch heraus: Er „antwortete unter Abgabe seines Ehrenworts, daß er mit dem Fräulein länger als ein Jahr nichts mehr gehabt habe“, notierte der Graf von Wintzingerode. Insgeheim aber war sich der Monarch offenbar nicht ganz sicher. Es ist eine Mutmaßung – aber wenn der König glaubte, in Violante von Sandizell wachse seine eigene Tochter heran, erklärt das die Geschenke an das Brautpaar ebenso wie die konspirative Reise nach Neapel.
Warum sie das Kind dann als Mumie zurück nach Bayern brachten, ist unklar. Ob der König das Mädchen sehen wollte? War die Mumie deshalb aus den Bandagen wieder ausgewickelt worden? Oder diente die Mumie den Jordans als Druckmittel, damit der König seine Zuwendungen nicht zurückforderte?
Zumindest in einer Sache gibt es heute, nach 200 Jahren, Klarheit: Einer Gen-Analyse zufolge war Carolinas Vater mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9997092 Prozent nicht der König, sondern Wilhelm von Jordan selbst. Das tote Kind ist eine reguläre Freifrau von Wackerstein gewesen, keine heimliche Prinzessin.
Ob die Jordans das wussten? Wollten sie dem König das Kind wissentlich unterjubeln? Oder fühlten sie sich im Recht? Nerlich sagt, er wisse es nicht. „In jedem Fall haben sie die Situation sehr gut genutzt.“
Andreas Nerlich: Prinzessin Wackerstein. Geheimnisse einer bayerischen Kindermumie aus der Zeit König Max I. Joseph. Eine medizin-historische Untersuchung, Weißenhorn: Anton H. Konrad Verlag 2019, 160 Seiten, 34,95 Euro.
Die Zustände am Hof? Die
Königin sei prüde, der König
hingegen „wenig skrupulös“
Andreas Nerlich leitet die Pathologie der Kliniken Schwabing und Bogenhausen und ist Experte für Mumien.
Foto: Peljak
Die kleine Carolina von Jordan wurde 1816 einbalsamiert. Ihr Gesicht ließ Nerlich virtuell rekonstruieren.
Foto: Andreas Nerlich; Rekonstruktion: L. Fischer, Köln
Wer war Carolinas leiblicher Vater? Friedrich Wilhelm von Jordan (links) oder König Max I. Joseph von Bayern?
Fotos: Wilhelm Kobell, Neue Pinakothek; Scherl
Diese Aufnahme eines verschollenen Ölgemäldes in Schloss Sandizell ist das einzige Porträt von Carolinas Mutter Violante von Jordan.
Foto: privat
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr