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Produktdetails
  • Verlag: Ernst & Sohn
  • Seitenzahl: 200
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 550g
  • ISBN-13: 9783433016107
  • Artikelnr.: 08562650
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2000

"Private bauen und betreiben günstiger"
Forschungsbericht der Bundesregierung: "Öffentliche Hand zu teuer"

jfr. FRANKFURT, 21. Dezember. Die private Finanzierung öffentlicher Investitionen und alternative Finanzierungsformen für den Bau und den Betrieb von Straßen, Brücken, Tunnels, Krankenhäusern, Schulen stößt in einigen Bundesländern auf Widerstand. Da wird munter mit Behauptungen und Berechnungen gearbeitet, die sich der Nachprüfbarkeit entziehen. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen einen Forschungsauftrag erteilt, dessen Schlußbericht jetzt unter dem Titel "Private Finanzierung öffentlicher Bauinvestitionen - ein EU-Vergleich" (Dieter Jacob, Bernd Kochendörfer, Verlag Ernst & Sohn/Wiley, Berlin 2000, 203 Seiten, 98 DM) vorliegt.

Es ist die erste Studie, die über die Betrachtung der bloßen Investitionskosten hinausgeht, denn der übliche Vergleich führt nach den Erfahrungen in den Nachbarländern zu falschen Schlußfolgerungen, da neben den Finanzierungskosten nur ein kleiner Teil der Gesamtkosten auf die Investition selbst entfällt, der größere Teil aber auf die Betriebsphase. Was zuvor günstig erschien, kann sich später als teuer erweisen. Der Bericht enthält einen Überblick über privat finanzierte Investitionen der öffentlichen Hand in verschiedenen europäischen Ländern, und er dokumentiert die Rahmenbedingungen, die Ausschreibungsprozesse, die haushaltsrechtliche Behandlung, Wirtschaftlichkeitsvergleiche und steuerrechtliche Grundsätze.

Deutschland, so heißt es, habe hier Nachholbedarf. Großbritannien erbringe bereits 20 Prozent der Investitionen der öffentlichen Hand durch private Unternehmen. Dabei geht der Ansatz weit über die Finanzierung hinaus. So hat eine Task Force der Regierung Tony Blair als Ergebnis von Stärken- und Schwächenanalysen nicht nur dargestellt, daß der Staat zu teuer ist. Private Unternehmen bauen und betreiben im Schnitt 17 Prozent günstiger. Die Untersuchung zeigt außerdem Wege auf, die öffentliche Verwaltung zu entschlacken und Effizienzgewinne durch Verlagerung von Aktivitäten auf die im Konkurrenzkampf stehenden privaten Unternehmen zu erzielen. Sie sind nicht nur schneller und leistungsfähiger, sondern bieten auch ökologisch vorteilhafte Lösungen.

Allerdings wird mit Widerstand gegen ein größeres privates Engagement bei öffentlichen Investitionen in Deutschland gerechnet. So berichten Fachleute gegenüber diese Zeitung, die öffentliche Hand habe als größter einzelner Auftraggeber in zahlreichen Fällen einen regelrechten Preiskrieg auf Baustellen entfacht und dazu beigetragen, Unternehmen der Bauwirtschaft an den Rand der Legalität zu drängen. Es gebe kaum ein Bauunternehmen in Deutschland, das eine solche rigide Vergabepraxis ohne ein Geflecht undurchsichtiger Subunternehmen unbeschadet überstehen könne. Nur mit Hilfe erfahrener Rechtsabteilungen sei es in diesen Fällen möglich, die damit einhergehenden Risiken und Folgeprobleme abzuwälzen. Die Zerteilung öffentlicher Bauaufträge in einzelne Abschnitte führe durch die Vielzahl von Schnittstellen zu kostenträchtigen Fehlerquellen, die zum Teil erst später zum Tragen kämen. Die öffentlichen Auftraggeber würden sich selbst täuchen und durch günstig erscheinende Baukosten Qualitätsverluste in Kauf nehmen, die den Steuerzahler im späteren Verlauf teuer zu stehen kommen. Doch wüßten zahlreiche öffentliche Auftraggeber den "ganzheitlichen Ansatz" erfahrener Bau- und Planungsunternehmen zu würdigen. Sie vertrauen ihnen immer häufiger öffentliche Infrastrukturprojekte an, die knappen Kassen lassen ihnen keine Wahl. Die öffentliche Infrastruktur in Deutschland - einst beispielhaft in Europa - wäre heute in einem besseren Zustand, wenn Politiker es nicht versäumt hätten, privates Kapital und Know How für öffentliche Zwecke einzuspannen.

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