Als eines der Kriterien zur Identifizierung eines römischen Kaiserbildnisses galt bisher der Nachweis von antiken Repliken. Diese Regel kann nicht mehr aufrecht erhalten werden: Auch von Bildnissen nicht-kaiserlicher Personen lassen sich antike Repliken nachweisen. Das gilt nicht nur für die Bildnisse von Angehörigen der Oberschicht, sondern auch für die einfacherer Bürger. Das Phänomen ist in allen Teilen des Römischen Reiches, in denen Bildnisse hergestellt wurden, zu finden. Die zur Zeit nachweisbaren Beispiele sind in diesem Buch zusammengetragen worden. Einige Fälle waren schon lange bekannt (Herodes Atticus, Athenais, Polydeukion), jedoch hat die Forschung daraus keine Konsequenzen gezogen. Bildnisrepliken wurde nicht nur in der Öffentlichkeit aufgestellt, vor allem in Gräbern bot sich die Möglichkeit, die Verstorbenen in mehrfachen Bildnissen zu ehren. Allerdings lassen sich nur wenige entsprechende Fundzusammenhänge nachweisen, denn Bildnisse aus diesem Bereich wurden als"Dubletten" durch den Kunsthandel in der Regel auseinandergerissen. Aus der Gruppe der antiken Bildnisrepliken müssen die in der Neuzeit nach berühmten antiken Vorbildern hergestellten Kopien ausgeschieden werden. In der älteren Forschung sind sie teilweise als antike Kopien angesehen worden und wegen ihres vorgeblichen Replikencharakters irrtümlich auf römische Kaiser und deren Angehörige bezogen worden. Es ist allerdings nicht immer ganz einfach, die neuzeitliche Entstehung nachzuweisen. Im Anhang B sind dazu die wichtigsten Beispiele zusammengestellt. Der Anhang A stellt die mehrfachen Porträts derselben Person an Grabaltären und Sarkophagen zusammen, die als Musterbeispiele für Privatporträts mit Repliken angesehen werden können.
"Diese Arbeit erfüllt ein langersehntes Forschungsdesiderat. Der führende Porträtforscher K. Fittschen vereint in diesem Band an die 750 Porträts von insgesamt 210 verschiedenen, nicht zum Kaiserhaus gehörenden Männern, Frauen und Kindern, von denen mindestens zwei Repliken überliefert sind. Vertreten sind Bildnisse von namentlich identifizierten, wie unbekannten Personen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Stellung. Zeitlich schränkt sich K. Fittschen auf das 2. und 3. Jh. ein, also auf die Blütezeit des
römischen Porträts, weil aus dieser Zeit die meisten Privatporträts mit Repliken stammen, während aus den vorangehenden Jahrhunderten nur wenige solcher Porträts bekannt sind. Das grösste Verdienst der Arbeit ist, dass sie zahlreiche Fälle von durch frühere unterschiedliche Identifizierungen verursachten Vermischungen zwischen Kaiserporträt und Privatporträt souverän entflechtet. Gleich mehrere irrige Zuweisungen von bestimmten Bildnistypen an bestimmte Kaiser, Kaiserinnen bzw. Prinzen finden sich
hier berichtigt und in einen neuen erhellenden Kontext gestellt. K. Fittschens Schlussfolgerungen sind für die gesamte Porträtforschung zentral. (...) K. Fittschen hat mit seinem Katalog ein Standardwerk geschaffen, das über eine längere Zeit massgebend bleiben dürfte. Zur Bedeutung dieses Werks tragen auch die durchwegs qualitativen Fotos (über 1300 an der Zahl!) bei."
Von Tomas Lochman
In: Museum Helveticum 79/1 (2022) S. 164-165 10.24894/2673-2963.00072
römischen Porträts, weil aus dieser Zeit die meisten Privatporträts mit Repliken stammen, während aus den vorangehenden Jahrhunderten nur wenige solcher Porträts bekannt sind. Das grösste Verdienst der Arbeit ist, dass sie zahlreiche Fälle von durch frühere unterschiedliche Identifizierungen verursachten Vermischungen zwischen Kaiserporträt und Privatporträt souverän entflechtet. Gleich mehrere irrige Zuweisungen von bestimmten Bildnistypen an bestimmte Kaiser, Kaiserinnen bzw. Prinzen finden sich
hier berichtigt und in einen neuen erhellenden Kontext gestellt. K. Fittschens Schlussfolgerungen sind für die gesamte Porträtforschung zentral. (...) K. Fittschen hat mit seinem Katalog ein Standardwerk geschaffen, das über eine längere Zeit massgebend bleiben dürfte. Zur Bedeutung dieses Werks tragen auch die durchwegs qualitativen Fotos (über 1300 an der Zahl!) bei."
Von Tomas Lochman
In: Museum Helveticum 79/1 (2022) S. 164-165 10.24894/2673-2963.00072