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Roland Freisler, der berüchtigte Präsident des nationalsozialistischen Volksgerichtshofes, der zahlreiche Menschen in Schauprozessen zum Tode verurteilt hat und als Urbild des "furchtbaren Juristen" (Ingo Müller nach Rolf Hochhuth) gilt, wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Jena im Jahre 1922 zum "Dr. iur. utr." mit der Bestnote "summa cum laude" promoviert. In seiner arbeitsrechtlichen Dissertation zu dem Thema "Grundsätze der Betriebsorganisation" hatte er sich mit den Grundlagen des in der damals noch jungen Weimarer Republik neuen Betriebsräterechtes auseinandergesetzt.…mehr

Produktbeschreibung
Roland Freisler, der berüchtigte Präsident des nationalsozialistischen Volksgerichtshofes, der zahlreiche Menschen in Schauprozessen zum Tode verurteilt hat und als Urbild des "furchtbaren Juristen" (Ingo Müller nach Rolf Hochhuth) gilt, wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Jena im Jahre 1922 zum "Dr. iur. utr." mit der Bestnote "summa cum laude" promoviert. In seiner arbeitsrechtlichen Dissertation zu dem Thema "Grundsätze der Betriebsorganisation" hatte er sich mit den Grundlagen des in der damals noch jungen Weimarer Republik neuen Betriebsräterechtes auseinandergesetzt. Erst- und Zweitgutachter des damaligen Verfahrens sollten in der Rechtswissenschaft der NS-Zeit eine prominente Rolle spielen. Der vorliegende Band dokumentiert unter Einbeziehung umfangreicher Originaldokumente die Beziehungen Freislers zur damaligen Juristischen Fakultät der Universität Jena und ordnet sie in die Zeitumstände ein.
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Autorenporträt
ist Inhaber des Lehrstuhls fur Offentliches Recht, Rechts- und Verfassungsgeschichte und Rechtsphilosophie an der Friedrich-Schiller-Universitat Jena. ist Inhaber des Lehrstuhls fur Burgerliches Recht, Deutsches und Europaisches Arbeitsrecht und Rechtsvergleichung an der Friedrich-Schiller-Universitat Jena.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2020

Überdurchschnittlich begabter Verbrecher
Ein Band dokumentiert das Promotionsverfahren des späteren Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler

Roland Freisler kennt fast jeder aus einem kurzen Filmausschnitt, in dem der Präsident des Volksgerichtshofs 1944 den Angeklagten Ulrich Graf Schwerin von Schwanenfeld anbrüllt und für die Verwendung des Wortes "Morde" maßregelt. Die Aufnahmen waren auf Wunsch von Freisler entstanden und sollten in Kinos gezeigt werden - eine Perversion der Gerichtsöffentlichkeit. Auch Offiziere der Wehrmacht wie der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt wurden als Zuschauer abkommandiert. Freisler wollte Publikum, in gewisser Weise hat er es bis heute.

Wenn der Frankfurter Rechtshistoriker Joachim Rückert im lesenswerten Geleitwort zum vorliegenden Band schreibt: "Man soll als Jurist kein Freisler werden", gebraucht er den Familiennamen des Blutrichters wie ein Deonym, ein von einem Eigennamen abgeleitetes Substantiv. An einen anderen sadistischen Richter, den Amerikaner Charles Lynch, erinnert nicht nur im Deutschen die "Lynchjustiz", doch im Vergleich zu Freisler war dieser Mann eine Randfigur.

Dabei ist Freislers Biographie in weiten Teilen noch immer wenig erforscht. Sicher gibt es über ihn seriöse Veröffentlichungen; als historische Figur ist er allerdings so abstoßend, dass er für früher zuweilen naive, heute immer perfide NS-Apologie oder gar offene Bewunderung kaum geeignet ist. Selbst eine mit dem Schwefelgeruch des Bösen verbundene Neugier will sich bei ihm nicht einstellen.

Doch es bleibt die Frage, wie ein Jurist zum Freisler werden konnte. Der reformierte Protestant Freisler wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Jena am 1. März 1922 zum Dr. iur. utr. (beider Rechte, also auch des Kirchenrechts) promoviert. Die Jenaer Professoren Walter Pauly und Achim Seifert beschönigen in der von ihnen herausgegebenen Dokumentation über Freislers Beziehung zur Jenaer Fakultät nichts und nennen den Alumnus einen "Verbrecher in Richterrobe". Das gehaltvolle Buch ist Folge eines Fakultätsbeschlusses, die Beziehung der Fakultät zu Freisler "aufzuarbeiten".

Der in Cambridge als Schüler von Christopher Clark forschende Historiker Thomas Clausen stellt das gesamte Promotionsverfahren, gestützt auf zum Teil erstmals veröffentlichte Unterlagen aus dem Jenaer Universitätsarchiv, vor. Es zeigt sich, dass Freisler, Jahrgang 1893, ein überdurchschnittlich begabter Jurist war, der nur zwei Jahre nach seiner Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft bei dem als Pionier des Wirtschaftsrechts geltenden Jenaer Zivilrechtler Justus Wilhelm Hedemann eine überdurchschnittliche Dissertation verfasste.

Als viele Studenten mit schmalen Aufsätzen oder ohne schriftliche Arbeit den begehrten Titel erhielten, hatte Freisler als Rechtsreferendar aus Kassel mit "Grundsätzliches über die Betriebsorganisation" ein Buch im angesehenen Gustav Fischer Verlag vorgelegt. Das Arbeitsrecht war das Thema der Weimarer Republik, es galt als progressiv und (anders als ein angeblich statisches Römisches Recht) dem wirklichen Leben zugewandt.

Freisler wertete das Schrifttum sorgfältig aus und zitierte auch jüdische und sozialdemokratische Juristen wie Hugo Sinzheimer, einen "Vater" der Weimarer Reichsverfassung, oder Walter Kaskel. Darüber hinaus hatte er mit einigem rechtspolitischen Ehrgeiz eine Theorie aufgestellt, bei der die "Betriebsbelegschaft", also die Summe aller Arbeitnehmer eines Betriebes, zur juristischen Person wird. Das war zumindest originell, wurde zur Kenntnis genommen, wenn es auch ohne Einfluss auf die Rechtswirklichkeit blieb.

Der spätere Präsident des Bundesarbeitsgerichts Hans Carl Nipperdey, wie der fast gleichalte Freisler Schüler von Hedemann, brachte es 1923 in einer Besprechung auf den Punkt: Freisler wende sich "im jugendlichen Überschwang" gegen die "überlieferten Denkfiguren", um am Ende nachzuweisen, dass die Belegschaft "unter einer solch alten Denkfigur: der juristischen Person" zu erfassen sei.

Das Muster sollte sich wiederholen. Von 1923 an war Freisler aus bis heute unklaren Beweggründen ein nationalsozialistischer Milieuanwalt in seiner Heimatstadt geworden; vom Arbeitsrecht, für das sich auch einige Nationalsozialisten interessierten, hatte er sich verabschiedet. Der "Hang zur Phrase" blieb. Als 1932 ein Sondergericht in Beuthen fünf SA-Männer zum Tode verurteilte, die im oberschlesischen Potempa einen Arbeiter bestialisch zu Tode geprügelt hatten, schwadronierte Freisler in einer hessischen Parteizeitung - ein wichtiges Fundstück dieses Bandes - von einem "Richterkönig", der "Mut zur rechtsschöpferischen Tat" zeigen und die SA-Mordbuben freisprechen soll.

Zum Zerrbild eines selbstherrlichen Richterkönigs ist er dann tatsächlich geworden. In einem Festschriftbeitrag für seinen Lehrer Hedemann schrieb er 1938 von diesem als Meister der "gerichtlichen Redekunst" in einer "Harmonie von Inhalt und Form". Bei Freisler reichte es mit der Einheit von Inhalt und Form am Ende nur für primitives Gebrüll.

MARTIN OTTO

Walter Pauly und Achim

Seifert (Hrsg.): "Promotion eines furchtbaren Juristen". Roland Freisler und die

Juristische Fakultät der

Universität Jena.

Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2020. 101 S., Abb., br., 34,- [Euro].

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