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Kopyl im Juni 1942: Einen Tag, nachdem deutsche Polizei in dem weißrussischen Ort etwa 1.000 jüdische Frauen, Männer und Kinder ermordet hatte, erschien dort eine Propaganda-Staffel der Wehrmacht, hielt Vorträge und verteilte Flugblätter sowie Zeitungen. Terror und Propaganda der Besatzungsmacht waren unlösbar miteinander verknüpft. Die Autorin rekonstruiert anschaulich - auch anhand bisher nicht bekannter Akten aus osteuropäischen Archiven - die umfangreichen deutschen Propagandaaktivitäten gegenüber Zivilisten und Partisanen. Sie zeigt, dass Propaganda ein systematisch eingesetztes…mehr

Produktbeschreibung
Kopyl im Juni 1942: Einen Tag, nachdem deutsche Polizei in dem weißrussischen Ort etwa 1.000 jüdische Frauen, Männer und Kinder ermordet hatte, erschien dort eine Propaganda-Staffel der Wehrmacht, hielt Vorträge und verteilte Flugblätter sowie Zeitungen. Terror und Propaganda der Besatzungsmacht waren unlösbar miteinander verknüpft. Die Autorin rekonstruiert anschaulich - auch anhand bisher nicht bekannter Akten aus osteuropäischen Archiven - die umfangreichen deutschen Propagandaaktivitäten gegenüber Zivilisten und Partisanen. Sie zeigt, dass Propaganda ein systematisch eingesetztes Instrument zur Erreichung der miltärischen und besatzungspolitischen Ziele war. So waren die deutschen Propagandisten an der Vorbereitung und Durchführung der Morde an sowjetischen Funktionären und dem Geno-zid an der jüdischen Bevölkerung ebenso beteiligt wie an der Ausplün-derung des Landes, der Partisanenbekämpfung oder der massenhaften Verschleppung von 'Ostarbeitern'. Legenden, die von den Beteiligten nach 1945 zu ihrer Entlastung vor-gebracht wurden und bis heute die Forschung prägen, werden korrigiert, so z. B. die Behauptung, es habe gegenüber der Zivilbevölkerung keine systematische psychologische Kriegführung gegeben und das falsche Bild, es habe unvereinbare ostpolitische Vorstellungen innerhalb der deutschen militärischen und politischen Führung gegeben.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Propaganda und Terror
Die politische Kriegführung der deutschen Besatzungsmacht in Weißrussland 1941 bis 1944

Für den preußischen General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz war Krieg bekanntlich die Fortsetzung der politischen Bestrebungen mit anderen Mitteln. Er distanzierte sich damit von der vorherrschenden Auffassung, dass die Geschichte der Kriege in erster Linie aus militärischen Operationen, ihrer Strategie und Taktik bestünde. Clausewitz zufolge seien Kriege stets Ausfluss der Politik gewesen. Kriege könnten demnach nur aus den jeweiligen politischen Verhältnissen heraus verstanden werden. Dieser Einschätzung zum Verhältnis von Krieg und Frieden fühlt sich grundsätzlich auch die Publikationsreihe "Krieg in der Geschichte" verpflichtet. Für die Herausgeber dieser Reihe (Stig Förster, Bernhard R. Kroener und Bernd Wegner) dürfen Untersuchungen zur Kriegsgeschichte nicht durch "militärimmanente Betrachtungsweisen" verengt werden. Vielmehr sei historiographische Vielfalt zwischen Außen- und Innenpolitik sowie Gesellschaft, Wirtschaft und Technik zu berücksichtigen.

Diesem Credo folgt die Politologin und Historikerin Babette Quinkert. Die politisch-propagandistische Kriegführung der deutschen Besatzungsmacht gegen Zivilbevölkerung und Partisanen in Weißrussland während des Zweiten Weltkriegs steht im Mittelpunkt ihrer lesenswerten Studie. Trotz der kriegsbedingt etwas gestörten Aktenüberlieferung ist es der Verfasserin auf relativ breiter Quellenbasis gelungen, Ziele, Planung und Einsatz der Propaganda durch die militärischen und zivilen Zentralstellen des Deutschen Reiches anschaulich zu rekonstruieren. Das Spektrum der beteiligten Dienststellen reicht von der Amtsgruppe Propaganda im Oberkommando der Wehrmacht über das Reichspropagandaministerium und das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete bis zu den Propagandaeinheiten der SS- und Polizeiverbände. Mittel der Propaganda waren insbesondere Flugschriften, Rundfunk, Film und Rednereinsatz. Die Polykratie der Ressorts kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotz der systemimmanenten Kompetenzkonflikte weitgehendes Einvernehmen im "Kampf gegen Juden und Kommunisten" herrschte.

Antisemitismus und Antibolschewismus blieben bis zum Ende der Besatzungszeit Grundpfeiler der Propaganda, was die Verfasserin überzeugend nachweist. Psychologische Kriegführung galt seit dem Ersten Weltkrieg als unentbehrliche Ergänzung zur militärischen und wirtschaftspolitischen Kriegführung. Konstantin Hierl, einer der frühen "Wehrexperten" der NSDAP, der Hitler nach 1935 als "Reichsarbeitsführer" diente, hatte schon 1929 gefordert, dass "zum Waffen- und Wirtschaftskrieg" notwendig der Propagandakrieg komme, "der den Kriegswillen und die seelische Widerstandskraft des feindlichen Volkes lähmen soll". Bei Hitlers langfristigen Kriegsvorbereitungen kam der Sowjetunion, dem größten Kontrahenten auf dem Gebiet der weltanschaulichen Kriegführung, besondere Bedeutung zu. Nach 1933 und verstärkt ab 1935 wurde deshalb die "geistige" Kriegführung gegen zukünftige Gegner systematisch vorbereitet. 1941, mit Beginn des Russlandfeldzuges, war es das Ziel, durch antikommunistische und antisemitische Hasspropaganda gegen "jüdisch-bolschewistische" Führer und Funktionäre die Rote Armee zu destabilisieren sowie antibolschewistische und antijüdische Aufstände auszulösen.

Das Destabilisierungs- und Spaltungskonzept sollte zu einem schnellen Sieg über die Sowjetunion beitragen. Als die Blitzkriegskonzeption scheiterte, kam es zum Kurswechsel in der Propaganda: Die Mobilisierungskampagne für ein "Neues Europa" unter deutscher Führung gegen den "Bolschewismus" bezog die russische Bevölkerung als vermeintlich "gleichberechtigtes Mitglied in der europäischen Völkerfamilie" mit ein. In Weißrussland manifestierte sich der Kurswechsel in einer prononciert antisowjetischen Greuelpropaganda, die vor der "Rückkehr des Bolschewismus" und seinen angeblichen "Vernichtungsplänen" warnte.

In ihrer Schlussbetrachtung kommt die Verfasserin zu dem gesicherten Befund, dass Propaganda und Terror im Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion unlösbar miteinander verbunden gewesen sind. Propagandisten begleiteten und rechtfertigten die wirtschaftliche Ausplünderung des Landes ebenso wie die Zwangsrekrutierung der "Ostarbeiter" und nicht zuletzt die Morde an der jüdischen Zivilbevölkerung. Nach 1945 hätten sie es verstanden, den funktionalen Zusammenhang zwischen psychologischer Kriegführung und verbrecherischer Besatzungspolitik zu verschleiern.

HANS-JÜRGEN DÖSCHER

Babette Quinkert: Propaganda und Terror in Weißrussland 1941-1944. Die deutsche "geistige" Kriegführung gegen Zivilbevölkerung und Partisanen. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2009. 420 S., 58,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Laut Hans-Jürgen Döscher berücksichtigt die Politologin und Historikerin Babette Quinkert in ihrer Studie zur politisch-propagandistischen Kriegsführung der Deutschen in Weißrussland während des Zweiten Weltkriegs das Credo der historiografischen Vielfalt zwischen Innen- und Außenpolitik, Gesellschaft, Wirtschaft und Technik. Für Döscher ein klarer Pluspunkt. Ebenso schätzt der Rezensent die von Quinkert trotz schwieriger Aktenlage nutzbar gemachte relativ breite Quellenbasis. Die Rekonstruktion der Propaganda durch das Deutsche Reich gelinge so anschaulich, ihre Grundpfeiler Antisemitismus und Antibolschewismus würden von der Autorin überzeugend nachgewiesen, schreibt Döscher. Glaubhaft erscheint Döscher auch der Befund, dass Propaganda und Terror im Vernichtungsfeldzug der Deutschen gegen die Sowjets unlösbar miteinander verbunden gewesen seien.

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