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»Amerikas Ikone« DIE ZEIT - Allen Ginsbergs wichtigste Gedichte und Prosastücke. Allen Ginsberg war die große Leitfigur der Beat Generation. Mit seinen Werken sorgte er immer wieder für Kontroversen, indem er Drogen, Sex und Politik direkt thematisierte. Wie konnte aus einem gepeinigten jungen Mann einer der einflussreichsten Intellektuellen und Künstler der Nachkriegszeit werden? Ginsberg hat keine Autobiographie veröffentlicht in der Überzeugung, dass sein Werk alles Wesentliche enthält. Namhafte deutsche Lyriker:innen nähern sich dem Dichter nun, indem sie seine Texte neu und zum Teil…mehr

Produktbeschreibung
»Amerikas Ikone« DIE ZEIT - Allen Ginsbergs wichtigste Gedichte und Prosastücke. Allen Ginsberg war die große Leitfigur der Beat Generation. Mit seinen Werken sorgte er immer wieder für Kontroversen, indem er Drogen, Sex und Politik direkt thematisierte. Wie konnte aus einem gepeinigten jungen Mann einer der einflussreichsten Intellektuellen und Künstler der Nachkriegszeit werden? Ginsberg hat keine Autobiographie veröffentlicht in der Überzeugung, dass sein Werk alles Wesentliche enthält. Namhafte deutsche Lyriker:innen nähern sich dem Dichter nun, indem sie seine Texte neu und zum Teil erstmals übersetzen. Das vielschichtige Porträt, das sich so zusammensetzt, kann nicht alle Lebenswidersprüche auflösen, aber dem bisherigen Bild neue Facetten hinzufügen. Vor allem zeigt es, wie sehr es sich lohnt, sich neu mit Ginsberg und seinem herausragenden Werk zu beschäftigen. Die Gedichte werden neu übersetzt von Carolin Callies, Nora Gomringer, Alexander Graeff, Durs Grünbein, Caroline Hartge, Jonis Hartmann, Stefan Hyner, Anja Kampmann, Michael Kellner, Odile Kennel, Sibylle Klefinghaus, Georg Leß, Hans-Ulrich Möhring, Arne Rautenberg, Monika Rinck, Clemens J. Setz, Jürgen Schmidt, Michelle Steinbeck, Anke Stelling, Sibylla Vricic Hausmann und Ron Winkler. Die Prosa liegt erstmals auf Deutsch vor, übersetz und mit einem Nachwort versehen von Michael Kellner. Mit bislang unveröffentlichten Fotos zum 25. Todestag des Dichters am 5. April 2022.
Autorenporträt
Allen Ginsberg, geboren 1926 in Paterson, New Jersey, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Beat Generation. Seine Texte landeten bei Erscheinen regelmäßig auf dem Index, allen voran sein berühmtestes Gedicht »Howl«. Für seinen Gedichtband »The Fall Of America« erhielt er den National Book Award, außerdem ist er Träger der Goldenen Medaille des National Arts Club. Für seinen Einfluss auf die Entwicklung der Literatur und künstlerischen Freiheit wurde er in die »American Academy and Institute of Arts and Letters« aufgenommen. Er starb 1997 in New York. Michael Kellner ist ein deutscher Verleger, Buchhändler, literarischer Übersetzer und Fotograf und hat vor allem Texte aus der Beat-Literatur in Deutschland bekannt gemacht, deren Vertreter er persönlich kannte. Für seine Übersetzung des Briefwechsels zwischen Jack Kerouac und Allen Ginsberg »Ruhm tötet alles« erhielt er den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen. Michael Kellner ist ein deutscher Verleger, Buchhändler, literarischer Übersetzer und Fotograf und hat vor allem Texte aus der Beat-Literatur in Deutschland bekannt gemacht, deren Vertreter er persönlich kannte. Für seine Übersetzung des Briefwechsels zwischen Jack Kerouac und Allen Ginsberg »Ruhm tötet alles« erhielt er den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen. Michael Kellner ist ein deutscher Verleger, Buchhändler, literarischer Übersetzer und Fotograf und hat vor allem Texte aus der Beat-Literatur in Deutschland bekannt gemacht, deren Vertreter er persönlich kannte. Für seine Übersetzung des Briefwechsels zwischen Jack Kerouac und Allen Ginsberg »Ruhm tötet alles« erhielt er den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2022

In den besten Köpfen stecken Jazz und Sex und Suppe
Allen Ginsberg neu übersetzen nach Carl Weissner, tut das not? Nicht unbedingt, es bringt aber einen großen Dichter in Erinnerung

Lässt sich bei diesem Autor Lyrik von Prosa eigentlich unterscheiden? War nicht alles Lyrik, was Allen Ginsberg, der Guru der Beatdichter, in die Schreibmaschine gehackt, auf öffentlichen Plätzen gesungen, im Rausch oder im Halbschlaf vor sich hin gesagt hat? So könnte man meinen, aber Ginsberg hat doch schon selbst zwischen Genres unterschieden. Zur Entstehung seines Epochengedichts "Howl" hat er einmal geschrieben, der erste Teil sei nicht als Lyrik gedacht gewesen. "I began typing, not with the idea of writing a formal poem, but stating my imaginative sympathies, whatever they were worth." Aus diesen "imaginativen Sympathien" oder vielmehr auch Antipathien wurde die Wut-Suada gegen ein als spießig, bigott und repressiv empfundenes Amerika, das die "besten Köpfe meiner Generation" irre gemacht und so zerstört hat.

Fortgesetzt und abgeschlossen wurde "Howl" aber dann doch mit der Vorstellung eines Gedichts - und dessen Vortrag im Oktober 1955 in San Francisco machte Ginsberg über Nacht berühmt. Es wurde "The Poem that Changed America" - so der durchaus nicht übertriebene Titel eines Bandes, in dem fünfzig Jahre später dessen grundstürzende Effekte auf Lyrik, Popmusik, Literaturwissenschaft und Gesellschaft festgehalten wurden. Vivian Gornick sieht es wie manch andere als Fortführung von Walt Whitmans "Leaves of Grass", als Gedicht, das im Sinne Ezra Pounds die Sprache völlig erneuert habe mit seinen stakkatohaften Phrasen, wilden Juxtapositionen, mal mit der Stimme des Dichters, dann mit der des Hipsters vorgetragen.

Auch in Deutschland, so zeichnet der Herausgeber der vorliegenden zwei Bände noch einmal nach, schlug "Howl" schnell ein und ebnete den Weg für die Begeisterung durch Beatdichtung - weil zwei deutsche Schriftsteller in Lederjacken einen Abstecher von Amsterdam nach Paris machten. Dieser Besuch von Günter Grass und Walter Höllerer im legendären "Beat-Hotel", wo "Ginsberg, Burroughs, Corso und zeitweise Kerouac auf engstem Raum zusammenwohnten", habe mit dafür gesorgt, so Michael Kellner, "dass die Beat-Literatur schon in den frühen sechziger Jahren auf Deutsch vorlag".

"Howl" wurde zuerst von Wolfgang Fleischmann und Rudolf Wittkopf übersetzt als "Das Geheul". Einflussreicher aber wurde die spätere Übersetzung von Carl Weissner, der ja zur deutschen Stimme der Beatliteratur sowie auch der Prosa eines Charles Bukowski geworden ist und dessen Bedeutung für einen bestimmen Sound und Duktus von Gegenwartssprache nicht nur um 1968, sondern noch heute kaum hoch genug einzuschätzen ist.

Von daher darf man auch die Frage stellen, ob es nach Weissner überhaupt noch einer Neuübersetzung von "Howl" bedurfte. Wenn sie von dem österreichischen Schriftsteller und Dichter Clemens J. Setz stammt, wird die Sache freilich interessant, denn der aktuelle Büchnerpreisträger ist seinerseits ein eigentümlicher Übersetzer, wie man vor Kurzem in Darmstadt hören konnte. Zu Beginn unterscheidet er sich kaum von Weissner. "Ich sah die besten Köpfe meiner Generation, zerstört vom Wahnsinn, hungernd, hysterisch und nackt": Das ist fast identisch, nur dass es bei Weissner "ausgemergelt" hieß. Aus dem "angry fix", den diese Leute suchen, macht Setz einen "elenden Schuss", was vielleicht eleganter ist und besser passt als eine "wütende Spritze" (Weissner), aus dessen "Negerstraßen" macht Setz "Schwarzenviertel". Im Großen und Ganzen kann und muss er Weissner nicht übertreffen bei dem Versuch, die "Sehnsucht nach Jazz oder Sex oder Suppe" unter einen Hut zu bringen - interessant sind allenfalls Unterschiede wie "Vision vom vollkommenen Fick" (Weissner) und "letzter Fickspasmus" (Setz). Beide neigen, selbst bei im Original einmal süßlicherer Sprache, zur derben Übersetzung.

Die Entscheidung Kellners, Ginsbergs Gedichte gleich durch eine ganze Reihe deutscher Gegenwartslyriker neu übersetzen zu lassen, darunter Monika Rinck mit dem ebenfalls bedeutenden "Kaddish", Nora Gomringer mit dem Kurzgedicht "Message", Durs Grünbein mit "A Supermarket in California" oder Arne Rautenberg mit "Don't Grow Old" , ist dennoch eine gute Idee gewesen - so wie die gesamte Veröffentlichung, auch des Prosabandes, ja vor allem zum Ziel haben dürfte, Ginsberg auch Jüngeren oder überhaupt wieder ins Gedächtnis zu bringen.

Das ist verbunden mit amüsanten, deftigen und irritierenden Eindrücken. Irritierend zum Beispiel, weil das Sado-Maso-Gedicht "Please Master", in dem ein Sklave um Erniedrigung fleht, heute wohl anstößiger ist denn je; amüsant auf der rein sprachlichen Ebene etwa, weil man daran erinnert wird, wie schier endlos der Vorrat von Genitalmetaphern der Beatliteratur wohl ist, und weil "Bohrkolben", "Hobelschwert" oder "süße warme Wurzel" dazuzählen. Als Wortneuschöpfung bietet der Übersetzer Alexander Graeff zudem "Pimmeltier" an.

Neben programmatischen Texten über die literarischen und politischen Revolutionen ("Watergate ist nur die Schaumblase auf dem Sumpf") konfrontiert der Prosaband einerseits mit Ginsbergs Erfahrungen von Homophobie, ruft aber andererseits auch ins Gedächtnis, wofür die Abkürzung NAMBLA stand: Es war die "North American Man/Boy Love Association", die sich "für die Legalisierung von Beziehungen zwischen älteren Männern und Sexualpartnern unterhalb des (in den jeweiligen Bundesstaaten unterschiedlich geregelten gesetzlichen) Schutzalters einsetzte". Dafür sind Allen Ginsberg ebenso wie Jean-Paul Sarte und Simone de Beauvoir öffentlich eingetreten.

Im Prosaband erfreut zudem ein Interview aus der "Paris Review" von 1965, in dem Ginsberg sein lyrisches Konzept im Lichte von literarischen Vorbildern und den Vergleich zur Musik erläutert. In Bezug auf Drastik, auf gewisse Hemmschwellen und die Unterscheidung von hohem und niedrigem Stil wirbt Ginsberg dafür, die "Abgrenzung zu durchbrechen: dich der Muse genauso offen zu nähern, wie du mit deinen Freunden oder dir selbst reden würdest". Das impliziert allerdings auch die Form der Musenbeschimpfung, eine Idee, die schon bei Nietzsche und den Expressionisten auftaucht und die Ginsberg der Literatur verstärkt eingeschrieben hat. JAN WIELE

Allen Ginsberg: "Prosa".

Hrsg. und aus dem Amerikanischen von Michael Kellner. Blumenbar Verlag, Berlin 2022. 248 S., geb., 25,- Euro.

Allen Ginsberg:

"Lyrik/Poetry".

Zweisprachige Ausgabe.

Hrsg. von Michael Kellner. Blumenbar Verlag, Berlin 2022. 284 S., geb., 25,- Euro.

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»Die Entscheidung Kellners, Ginsbergs Gedichte gleich durch eine ganze Reihe deutscher Gegenwartslyriker neu übersetzen zu lassen[...], ist [...] eine gute Idee gewesen - sowie die gesamte Veröffentlichung, auch des Prosabandes, ja vor allem zum Ziel haben dürfte, Ginsberg auch Jüngeren oder überhaupt wieder ins Gedächtnis zu bringen.« Frankfurter Allgemeine Zeitung 20220430