Volksfestspaß mit Mord
"Prost auf die Gaukler" von Friedrich Kalpenstein ist das erste Buch aus dieser beliebten Krimireihe, das ich gelesen habe, und es hat mir gefallen. Der Band lädt weder zum Mitfiebern noch zum Mitleiden ein. Er bietet kein gestresstes Ermittlerteam, das während eines
Mordfalls kaum zum Essen oder Schlafen kommt, von einem regelmäßigen Feierabend ganz zu schweigen.…mehrVolksfestspaß mit Mord
"Prost auf die Gaukler" von Friedrich Kalpenstein ist das erste Buch aus dieser beliebten Krimireihe, das ich gelesen habe, und es hat mir gefallen. Der Band lädt weder zum Mitfiebern noch zum Mitleiden ein. Er bietet kein gestresstes Ermittlerteam, das während eines Mordfalls kaum zum Essen oder Schlafen kommt, von einem regelmäßigen Feierabend ganz zu schweigen. Tatsächlich spielt der gesamte Kriminalfall in diesem Buch aus meiner Sicht nur die zweite Geige. Ist das ein Problem? Mitnichten. Die Hauptrolle gebührt Hauptkommissar Constantin Tischler und Polizeiobermeister Felix Fink, den Beziehungen zu ihren Arbeitskollegen und den wichtigsten Personen ihres Privatlebens und dem erfolgreichen Bemühen, während der Ermittlungsarbeit vor allem die schönen Seiten des Lebens zu genießen.
Offiziell Provinzkrimi benannt, stellt dieser Band für mich eher einen Wohlfühlkrimi dar (alternativ eventuell einen Schlemmerkrimi, falls es dieses Subgenre geben sollte). Das beginnt mit der entspannten Arbeitsatmosphäre auf der Dienststelle, welche von Kommissar Tischler umsichtig und ohne unnötige Hektik, dabei jedoch durchaus erfolgreich geleitet wird. Der Chef ist aktiv ins Ermittlungsgeschehen eingebunden, fördert und motiviert dabei seine Mitarbeiter und hat auch immer ein offenes Ohr für ihr privates Glück oder Unglück. Zudem ist er allen Gaumenfreuden gegenüber sehr zugewandt, so dass man während des Lesens zahlreiche Schlemmerermittlungen begleiten darf. Man könnte auch sagen, dass sich Tischler und Fink bis zur Lösung des Falls durchbeißen.
Selten hat mich bei einem Krimi so wenig interessiert, wer der Mörder war. Nein, mein Augenmerk lag auf der Atnosphäre im beschaulichen Brunngries, die ausstrahlt, was jeder Bayer zu denken scheint, nämlich dass es eine besondere Gunst des Herrgotts ist, in diesem Bundesland leben zu dürfen - ein Lebensfühl, das z.B. den Einwohner von Duisburg fremdartig erscheinen mag... Neben den einen oder anderen kleinen Gaunereien, die sich die Bewohner leisten und über die manches Mal nachsichtig hinweggesehen wird, erfreuen sich alle an der schönen Landschaft, an dem oft prächtigen Wetter und natürlich an allerlei leiblichen Genüssen. Kein Wunder, dass die Stammleser dieser Krimireihe die gedanklichen Aufenthalte im schönen Chiemgau wie eine mentale Wellnessauszeit empfinden. Sei es, dass sie von einem Chef wie Tischler träumen, ihn bei seinen Schlemmereien begleiten oder sich an seinem familiären Umgang mit den zwei- und vierbeinigen Brunngriesern erfreuen. Dabei spielt natürlich der herrliche Humor, der sich durch das ganze Buch zieht, eine große Rolle, und bei dem der Autor sichtlich Freude daran hatte, seiner sprachlichen Kreativität die Zügel schießen zu lassen ("Auf Wolke sieben tanz ich Polka mit dir"!). Auch die an Dackelhündin Resi gerichteten Monologe, bei denen Tischler gerne für die Hälfte seiner Hirnzellen die Pausetaste drückt, um sich mit ihr auf Augenhöhe auszutauschen, tragen zur Unterhaltung der Leser bei und bringen ihm Sympathiepunkte, denn er wurde vom Autor selbstverständlich nicht als fehlerloser Superheld konzipiert sondern als warmherziger, sozial kompetenter Mensch, der in seinem Brunngrieser Mikrokosmos mit Lebensweisheit und Einfühlungsvermögen dem Motto "Leben und leben lassen" folgt.
Natürlich gibt es von mir eine klare Leseempfehlung für diesen "Prost"-Band.