Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ist der längste und für viele seiner Leserinnen und Leser auch der bedeutendste Roman der französischen Literatur. Manche begleitet er durch das ganze Leben, so auch Saul Friedländer, den Friedenspreisträger und großen Historiker des Holocaust. In seinem großartigen Essay präsentiert Friedländer sich als Proust-Leser von Rang, der mit seinen sensiblen Lektüren den Kennern ebenso etwas zu bieten hat wie jenen, die erst einen Zugang zu einem der wichtigsten Werke der Weltliteratur finden wollen.
Saul Friedländer legt keine Einführung in Leben und Werk von Marcel Proust vor, sondern einen Essay über das Lesen von Proust. Er spürt darin einigen Fragen nach, die ihn besonders beschäftigt haben, wie etwa der widersprüchlichen Rolle der Juden oder dem Umgang mit dem Thema Homosexualität, der komplexen Beziehung von Erzähl-Ich und Autor oder dem Status der Erinnerung im Werk. Vor allem aber vermittelt Friedländer das Glück der Proust-Lektüre, den Reichtum der Sprache Marcel Prousts, und die unvergleichliche Schärfe und Hellsichtigkeit, mit der er die Gesellschaft seiner Zeit seziert. Am Ende überkommt den Leser nur ein dringender Wunsch - Proust lesen.
Saul Friedländer legt keine Einführung in Leben und Werk von Marcel Proust vor, sondern einen Essay über das Lesen von Proust. Er spürt darin einigen Fragen nach, die ihn besonders beschäftigt haben, wie etwa der widersprüchlichen Rolle der Juden oder dem Umgang mit dem Thema Homosexualität, der komplexen Beziehung von Erzähl-Ich und Autor oder dem Status der Erinnerung im Werk. Vor allem aber vermittelt Friedländer das Glück der Proust-Lektüre, den Reichtum der Sprache Marcel Prousts, und die unvergleichliche Schärfe und Hellsichtigkeit, mit der er die Gesellschaft seiner Zeit seziert. Am Ende überkommt den Leser nur ein dringender Wunsch - Proust lesen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2020Erziehung zur Erlösung
Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" hat unzählige Interpretationen erfahren. Nun folgt die eines Skeptikers: Saul Friedländer hat wenig Sympathie für Buch und Autor.
Von Susanne Klingenstein
Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" geriet ihm politisch, philosophisch und psychologisch zum unerbittlichsten, radikalsten und für manche Gemüter unerträglichsten Roman des zwanzigsten Jahrhunderts. Ästhetisch ist er der beste: Unübertroffen ist das komplexe Gewebe seiner Metaphern, und niemals zuvor wurde die französische Sprache derart bis an ihre Grenze ausgereizt, nicht einmal von Flaubert.
Die Form der "Suche" ist die des Bildungsromans: Der Erzähler, ein Heranwachsender mit familiären Wurzeln in der Provinz, sucht Zugang zu den Pariser Salons der Aristokratie. Im Verlauf seines gesellschaftlichen Aufstiegs, den ihm sein Alter Ego Charles Swann vorexerziert, erfährt er die fundamentale Duplizität und brutale Selbstbezogenheit der Menschen aller Schichten und entwickelt als Gegenposition im Schreiben, zu dem er nach Jahrzehnten gesellschaftlichen Mitläufertums findet, eine strukturell klare Vision dieser fiesen Gesellschaft, aus der nur die imaginative, nichtkörperliche Apperzeption (Descartes, Kant) des Schönen, zu der man sich erziehen muss, zeitweise erlösen kann. Alles, was in der Welt stattfindet, ist immer Resultat der Ausbeutung anderer Menschen (die bestenfalls für ihre Leistungen bezahlt werden). Es ist eine Welt der inneren Leere und Vereinsamung, eine des Neides, der Gier und des Begehrens ohne Gegenliebe. Ausnahmen sind die Mutter und die Großmutter des Erzählers.
In dessen Vision, die uns im Romantext als Destillat seiner Lebenserfahrung vorliegt, wird die chronologische Zeit durch ein Netz von Metaphern außer Kraft gesetzt, das die Wahrnehmungen und Erinnerungen des Erzählers in einem alternativen Weltverständnis organisiert. Ein Beispiel: Der Erzähler kauft einen Apfelblütenzweig, mit dessen Schönheit er sich eine Nacht lang anbetend beschäftigt. Solche Blüten schmückten im Combray seiner Kindheit zur Marienandacht den Altar. Ihnen entstieg ein leicht bitterer Duft, der mit der Tochter des Komponisten Vinteuil assoziiert ist, die in einem lesbischen Ritual, das der Erzähler in Combray durch ein Fenster beobachtete, das Bildnis ihres Vaters schändete. Die gleichen Weißdornblüten umgeben Gilberte, die bisexuelle Tochter Swanns und der Kokotte Odette. Der Erzähler verliebt sich in sie und spielt mit ihr in den Gärten der Champs-Élysées. Doch Gilberte wird abgelöst durch ihre Mutter Odette, denn die Champs-Élysées führen zur Place de l'Étoile, wo der Erzähler am Ende des zweiten Bandes Odette trifft, um sie über die Avenue du Bois zu den elysischen Gefilden des Bois de Boulogne zu begleiten. Auf diesem Weg erfährt Odette - die Swann mit Botticellis Magnifikat-Madonna verglich - ihre Erhöhung zur Himmelskönigin. Und so immer weiter bis zur unglaublichen coincidentia oppositorum in der Heirat von Gilberte und Saint-Loup, einem Freund des Erzählers. Es sind schließlich nicht Mädchenblüten, sondern Steine im Hof der Fürstin von Guermantes, die diesen Erzähler zum Schreiben bringen.
Wer Proust lesen will, muss tief in dieses Netz eintauchen, die Fäden verfolgen und die Zusammenhänge von innen heraus für sich (re)konstruieren. Das ist die Lesearbeit, die dieser Autor verlangt. Das Problem mit Saul Friedländers Buch "Proust lesen" ist, dass Friedländer Prousts Garten nicht betritt, sondern außen vor bleibt, um über ihn zu urteilen, ja ihn zu verurteilen.
Friedländer bemüht "die persönliche Welt des Autors" zur Erhellung des Romans (und umgekehrt) und sieht im Buch eine Verschlüsselung von Prousts Identitätsproblemen als Halbjude und Homosexueller, der in der Pariser Gesellschaft und als Autor reüssieren wollte, ohne seine Leser zu erschrecken. "Wir wissen, dass der Autor seine Homosexualität nicht verbarg, der Erzähler aber tat dies. Weshalb dieser Unterschied? Wir wissen, dass der Erzähler versuchte, seinen teiljüdischen Hintergrund zu marginalisieren. Spiegelt das die Haltung des Autors? Das sind zentrale Fragen, die der Text aufwirft und reflektiert, für die das Leben des Autors aber keine eindeutigen Antworten bereithält." Nein, der Text von Prousts Roman wirft diese Fragen nicht auf. Saul Friedländer wirft sie auf, weil er eine Diskrepanz zwischen Autor und Roman bemerkt, der er nachspüren möchte, weil ihn das, was er sieht, bei wiederholter Lektüre immer mehr irritiert. Friedländer liest biographisch, wie der französische Kritiker Charles Sainte-Beuve es tat, gegen dessen Leseart Proust eine Serie von Aufsätzen und schließlich seinen Roman schrieb.
In sieben Kapiteln behandelt Friedländer die Themen der profanierten Mutter, der sublimierten Homosexualität, der verschwiegenen jüdischen Identität und der moralischen Grundhaltung Prousts (hier kommt die Nähe zum Antisemiten Alphonse Daudet in den Blick) sowie Liebe, Erzählen, Zeit und Tod. Unbegreiflich ist, warum Friedländer dem Erzähler vorwirft, die jüdische Identität seiner Mutter zu unterdrücken und "den jüdischen Teil seiner Identität stillschweigend" abzulehnen, da der Erzähler eindeutig als Katholik konzipiert ist. Die moralisch wertende Engführung von Roman und Biographie des Autors führt zu vielen schiefen Interpretation, denen gemein ist, dass sie für Proust maximal ungünstig ausfallen. "Ich gebe zu", gesteht Friedländer, "dass der Erzähler in mir generell nicht viel Sympathie erweckte, und ebenso wenig tat es die Persönlichkeit Marcel Prousts."
Es gibt für Friedländer "bei Proust keinen Raum für Sünde und Erlösung. Wir vermissen die tragische und außerdem die metaphysische Dimension." Gewiss, Prousts Himmel ist leer, aber es bleibt das Leiden des geschundenen Tiers, bewegend formuliert vom tragisch einsamen Baron de Charlus in seiner Verteidigung der Liebe Madame de Sévignés für ihre Tochter: "Es kommt nicht darauf an, wen man liebt, nur dass man liebt."
Wer Proust, der wie Kafka nur Literatur sein wollte, lesen will, muss ihm den Liebesdienst erweisen, sich ganz auf ihn einzulassen. Warum man sich dazu überwinden muss, zeigt Friedländers gescheiterter Versuch.
Saul Friedländer: "Proust lesen". Ein Essay. Aus dem Englischen von Annabel Zettel.
Verlag C.H. Beck, München 2020.
208 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" hat unzählige Interpretationen erfahren. Nun folgt die eines Skeptikers: Saul Friedländer hat wenig Sympathie für Buch und Autor.
Von Susanne Klingenstein
Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" geriet ihm politisch, philosophisch und psychologisch zum unerbittlichsten, radikalsten und für manche Gemüter unerträglichsten Roman des zwanzigsten Jahrhunderts. Ästhetisch ist er der beste: Unübertroffen ist das komplexe Gewebe seiner Metaphern, und niemals zuvor wurde die französische Sprache derart bis an ihre Grenze ausgereizt, nicht einmal von Flaubert.
Die Form der "Suche" ist die des Bildungsromans: Der Erzähler, ein Heranwachsender mit familiären Wurzeln in der Provinz, sucht Zugang zu den Pariser Salons der Aristokratie. Im Verlauf seines gesellschaftlichen Aufstiegs, den ihm sein Alter Ego Charles Swann vorexerziert, erfährt er die fundamentale Duplizität und brutale Selbstbezogenheit der Menschen aller Schichten und entwickelt als Gegenposition im Schreiben, zu dem er nach Jahrzehnten gesellschaftlichen Mitläufertums findet, eine strukturell klare Vision dieser fiesen Gesellschaft, aus der nur die imaginative, nichtkörperliche Apperzeption (Descartes, Kant) des Schönen, zu der man sich erziehen muss, zeitweise erlösen kann. Alles, was in der Welt stattfindet, ist immer Resultat der Ausbeutung anderer Menschen (die bestenfalls für ihre Leistungen bezahlt werden). Es ist eine Welt der inneren Leere und Vereinsamung, eine des Neides, der Gier und des Begehrens ohne Gegenliebe. Ausnahmen sind die Mutter und die Großmutter des Erzählers.
In dessen Vision, die uns im Romantext als Destillat seiner Lebenserfahrung vorliegt, wird die chronologische Zeit durch ein Netz von Metaphern außer Kraft gesetzt, das die Wahrnehmungen und Erinnerungen des Erzählers in einem alternativen Weltverständnis organisiert. Ein Beispiel: Der Erzähler kauft einen Apfelblütenzweig, mit dessen Schönheit er sich eine Nacht lang anbetend beschäftigt. Solche Blüten schmückten im Combray seiner Kindheit zur Marienandacht den Altar. Ihnen entstieg ein leicht bitterer Duft, der mit der Tochter des Komponisten Vinteuil assoziiert ist, die in einem lesbischen Ritual, das der Erzähler in Combray durch ein Fenster beobachtete, das Bildnis ihres Vaters schändete. Die gleichen Weißdornblüten umgeben Gilberte, die bisexuelle Tochter Swanns und der Kokotte Odette. Der Erzähler verliebt sich in sie und spielt mit ihr in den Gärten der Champs-Élysées. Doch Gilberte wird abgelöst durch ihre Mutter Odette, denn die Champs-Élysées führen zur Place de l'Étoile, wo der Erzähler am Ende des zweiten Bandes Odette trifft, um sie über die Avenue du Bois zu den elysischen Gefilden des Bois de Boulogne zu begleiten. Auf diesem Weg erfährt Odette - die Swann mit Botticellis Magnifikat-Madonna verglich - ihre Erhöhung zur Himmelskönigin. Und so immer weiter bis zur unglaublichen coincidentia oppositorum in der Heirat von Gilberte und Saint-Loup, einem Freund des Erzählers. Es sind schließlich nicht Mädchenblüten, sondern Steine im Hof der Fürstin von Guermantes, die diesen Erzähler zum Schreiben bringen.
Wer Proust lesen will, muss tief in dieses Netz eintauchen, die Fäden verfolgen und die Zusammenhänge von innen heraus für sich (re)konstruieren. Das ist die Lesearbeit, die dieser Autor verlangt. Das Problem mit Saul Friedländers Buch "Proust lesen" ist, dass Friedländer Prousts Garten nicht betritt, sondern außen vor bleibt, um über ihn zu urteilen, ja ihn zu verurteilen.
Friedländer bemüht "die persönliche Welt des Autors" zur Erhellung des Romans (und umgekehrt) und sieht im Buch eine Verschlüsselung von Prousts Identitätsproblemen als Halbjude und Homosexueller, der in der Pariser Gesellschaft und als Autor reüssieren wollte, ohne seine Leser zu erschrecken. "Wir wissen, dass der Autor seine Homosexualität nicht verbarg, der Erzähler aber tat dies. Weshalb dieser Unterschied? Wir wissen, dass der Erzähler versuchte, seinen teiljüdischen Hintergrund zu marginalisieren. Spiegelt das die Haltung des Autors? Das sind zentrale Fragen, die der Text aufwirft und reflektiert, für die das Leben des Autors aber keine eindeutigen Antworten bereithält." Nein, der Text von Prousts Roman wirft diese Fragen nicht auf. Saul Friedländer wirft sie auf, weil er eine Diskrepanz zwischen Autor und Roman bemerkt, der er nachspüren möchte, weil ihn das, was er sieht, bei wiederholter Lektüre immer mehr irritiert. Friedländer liest biographisch, wie der französische Kritiker Charles Sainte-Beuve es tat, gegen dessen Leseart Proust eine Serie von Aufsätzen und schließlich seinen Roman schrieb.
In sieben Kapiteln behandelt Friedländer die Themen der profanierten Mutter, der sublimierten Homosexualität, der verschwiegenen jüdischen Identität und der moralischen Grundhaltung Prousts (hier kommt die Nähe zum Antisemiten Alphonse Daudet in den Blick) sowie Liebe, Erzählen, Zeit und Tod. Unbegreiflich ist, warum Friedländer dem Erzähler vorwirft, die jüdische Identität seiner Mutter zu unterdrücken und "den jüdischen Teil seiner Identität stillschweigend" abzulehnen, da der Erzähler eindeutig als Katholik konzipiert ist. Die moralisch wertende Engführung von Roman und Biographie des Autors führt zu vielen schiefen Interpretation, denen gemein ist, dass sie für Proust maximal ungünstig ausfallen. "Ich gebe zu", gesteht Friedländer, "dass der Erzähler in mir generell nicht viel Sympathie erweckte, und ebenso wenig tat es die Persönlichkeit Marcel Prousts."
Es gibt für Friedländer "bei Proust keinen Raum für Sünde und Erlösung. Wir vermissen die tragische und außerdem die metaphysische Dimension." Gewiss, Prousts Himmel ist leer, aber es bleibt das Leiden des geschundenen Tiers, bewegend formuliert vom tragisch einsamen Baron de Charlus in seiner Verteidigung der Liebe Madame de Sévignés für ihre Tochter: "Es kommt nicht darauf an, wen man liebt, nur dass man liebt."
Wer Proust, der wie Kafka nur Literatur sein wollte, lesen will, muss ihm den Liebesdienst erweisen, sich ganz auf ihn einzulassen. Warum man sich dazu überwinden muss, zeigt Friedländers gescheiterter Versuch.
Saul Friedländer: "Proust lesen". Ein Essay. Aus dem Englischen von Annabel Zettel.
Verlag C.H. Beck, München 2020.
208 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Der israelische Historiker und Holocaust-Überlebende Saul Friedländer macht kein Geheimnis aus seinem subjektiven Ansatz bei der Deutung und Untersuchung von Marcel Prousts Romanwerk. Friedländer habe bei der Suche nach Anzeichen für Prousts Verhältnis zu seiner Identität als homosexueller Jude ein "inneres Bedürfnis" getrieben, eine "subjektive Ergriffenheit", erklärt der Rezensent Ruthard Stäblein. Die Frage ist nun, ob man dem Autor seine objektiven Fehleinschätzungen vor diesem Hintergrund überhaupt vorwerfen kann. Dass Friedländer Prousts Haltung in "Die Suche nach der verlorenen Zeit" völlig falsch einschätzt, ist für Stäblein offensichtlich. Der Historiker missdeutet Anspielungen als Zitate und Zitate als Figurenrede, er hat die kommentierte Fassung der Romane offenbar nicht gelesen und scheint für Ironie und Überzeichnung absolut unempfänglich zu sein. So kommt er denn auch zu dem wenn nicht falschen so zumindest diskutablen Schluss, Proust habe seine Homosexualität verleugnet und schlimmer noch: sich dem Antisemitismus angedient. Aber! Ruft der Rezensent. Man müsse Friedländers eigene Biografie mitbedenken, die es ihm vielleicht unmöglich mache, gewisse Nuancen wahrzunehmen. Prousts spielerischer, ironischer Umgang mit der eigenen jüdischen Identität, sei für Friedländer eine "Zumutung", und das sei doch vielleicht verständlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2020Nie dieses
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Wie verhielt sich Marcel Proust zur
Homosexualität und zum Judentum? Saul
Friedländer geht seinem Misstrauen nach
VON LOTHAR MÜLLER
In der Rede, die er zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 30. Januar 2019 im Deutschen Bundestag hielt, sprach der israelische Historiker Saul Friedländer auch über seine eigene Familiengeschichte. Über seine Geburtsstadt Prag, die er 1939 im Alter von sechs Jahren verlassen musste, über das Deutsch, das im Elternhaus gesprochen wurde, und die Flucht nach Paris, über die vergeblichen Versuche der Eltern, in die Schweiz zu gelangen, über ihre Deportation nach Auschwitz Ende 1942. Ihren Sohn hatten die Eltern in einem katholischen Knabenseminar unterbringen können. Er wurde getauft und erhielt den Namen Paul-Henri-Marie Ferland. Im Juni 1948, fünf Wochen nach der Staatsgründung, gelangte er nach Israel.
Aus Paul Henri Ferland wurde Saul Friedländer, einer der bedeutendsten Historiker und Holocaust-Forscher der Gegenwart. In seinem Standardwerk „Das Dritte Reich und die Juden“ haben die amtlichen Quellen der Verfolgung und Vernichtung ein Gegenüber in Briefen und Tagebüchern, aus denen die Stimmen der Opfer sprechen. Er hat auch selbst Erinnerungen geschrieben. In seinen literarischen Essays führen Verbindungslinien in das Werk des Historikers wie in die autobiografischen Bücher. In „Franz Kafka“ (2012) zeigte Saul Friedländer auf, wie seine Herkunftswelt mit dem Prag Kafkas verbunden war, fragte nach den sadomasochistischen Bildern, den Folter- und Gewaltszenen in Kafkas Werk und nach dem Verhältnis des Autors zu seinem Judentum.
Nun ist Friedländers Essay „Proust lesen“ erschienen. Er trägt die Leserperspektive im Titel, siedelt sich wie das Kafka-Buch abseits der Spezialliteratur an und ist im Original auf Englisch verfasst, was nicht ganz selbstverständlich ist. Friedländer erwähnt, er sei seit seiner Schulzeit in Frankreich „ganz und gar französisch geworden“, ja „vollkommen verzaubert von einer Sprache, die für den Rest meines Lebens meine Hauptsprache bleiben sollte“. Warum schreibt er über den „bewunderungswürdigsten französischen Romancier, den ich durch die folgenden Jahre und Jahrzehnte hindurch las und wieder las“, und den großen Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ auf Englisch?
Es muss sich um eine Art Sicherheitsabstand handeln. Denn nicht aus der Bewunderung allein ist dieser Essay hervorgegangen, sondern zugleich aus einem ebenso großen Misstrauen. Es entzündet sich an der Darstellung von Homosexualität und Judentums im Roman. Den Zusammenhang zwischen beidem hat Proust selbst in einer berühmten Passage am Beginn des Bandes „Sodom und Gomorrha“ hergestellt. Der Erzähler vergleicht darin die Juden und die Homosexuellen als Angehörige einer „Rasse“, der beide nicht entkommen können. Es lassen sich leicht Belege dafür beibringen, dass der Roman in der Parallelisierung von Judentum und Homosexualität an der Apologie zweier Typen des Außenseitertums arbeitet, wenn er von den Homosexuellen sagt, sie seien „eine Rasse, auf der ein Fluch liegt und die in Lüge und Meineid leben muss, da sie weiß, dass ihr Verlangen das, was für jedes Geschöpf die höchste Beseligung im Dasein ausmacht, für sträflich und schmachvoll, für ganz uneingestehbar gilt“.
Misstrauen, zumal wenn es mit Bewunderung einhergeht, macht hellsichtig. Saul Friedländer erkennt, dass das zweideutigste und undurchsichtigste Element der gesamten „Recherche“ nicht irgendeine der darin vorkommenden Figuren ist, sondern der Erzähler selbst. Er traut ihm nicht über den Weg, sucht ihm die eigene, uneingestandene Homosexualität nachzuweisen, stützt sich auf viele Vorgänger, die in den jungen Mädchen des Romans schlecht verkleidete Männer erkannt haben, und richtet seinen Punktstrahler auf die Passagen, in denen der Erzähler den Baron de Charlus, die Großfigur der Homosexualität im Roman, beschreibt: „Im übrigen beherrschte jetzt das einst von Monsieur de Charlus in seinem tiefsten Innern geheimgehaltene Laster, auseinanderfließend wie Öl, nicht nur die Wangen oder besser die untere Wangenpartie dieses geschminkten Gesichts, die weiblich betonte Brust und das stark ausgebildete Hinterteil eines Körpers, der sich gehen ließ und zur Fülle neigte. Dieses Laster drängte jetzt in seinen Reden ans Licht.“
Es ist fraglich, ob dies das letzte Wort des Romans über den Baron de Charlus ist. Die entscheidenden Stadien seines physischen Verfalls, den Schlaganfall und Aphasie vorantreiben, hat er noch vor sich. Friedländer kommentiert die „Laster“-Passage knapp und schneidend: „Dies ist die Sprache des Hasses.“ Eine schlüssige Erklärung, warum sie aus dem Erzähler herausbricht, hat er nicht. Aber eine Vermutung. Proust habe für „das implizite und explizite Lob der Homosexualität im Roman“ ein Gegengewicht gebraucht, um die konventionelle Leserschaft zu besänftigen. Zufrieden ist er mit dieser Theorie des Abwehrzaubers nicht. Der Fall bleibt in der Schwebe, die Hasstirade undurchschaubar.
Im Zentrum des Essays steht die Frage, in welchem Verhältnis Proust und sein Erzähler zum Judentum stehen. Wie bei der Homosexualität gibt es auch hier einen scheinbar beruhigenden Oberflächenbefund. In der Dreyfus-Affäre gehörte Marcel Proust zu den Dreyfusianern der ersten Stunde, auf ihrem Höhepunkt schrieb er 1896 an den Baron Robert de Montesquiou: „Cher Monsieur, ich habe Ihnen gestern nicht auf Ihre Frage nach meiner Meinung zu den Juden geantwortet. Und dies aus einem ganz einfachen Grund: Ich bin, wie mein Vater und mein Bruder, katholisch, meine Mutter hingegen ist Jüdin. Sie werden verstehen, dass dies für mich ein hinreichend triftiger Grund ist, mich aus derartigen Diskussionen herauszuhalten.“
Saul Friedländer zeichnet in wenigen markanten Strichen die Realgeschichte der Dreyfus-Affäre und die aus ihr entspringenden Spaltung der französischen Gesellschaft nach, notiert, dass der Erzähler der „Recherche“ wie sein Autor „pro-Dreyfus“ ist, „aufgrund der Ungerechtigkeit, die ihm widerfuhr, wegen seines Leids, aber nicht, weil er Jude war“. Ihm fällt auf, dass die Eltern des Erzählers im Verlauf des Romans verschwinden, ohne dass ihr Tod erzählt würde. Minutiös verfolgt er die Genealogie des Erzählers und die seiner Mutter, vergleicht sie mit der Biografie des Autors und begründet so seinen Verdacht, dass der Erzähler, der die Juden vorgeblich von außen betrachtet, „den jüdischen Teil seiner Identität stillschweigend ablehnt“.
Alles traut Saul Friedländer dem Erzähler zu, Opportunismus, heimliches Einverständnis mit der Niedertracht, Flucht in den Antisemitismus, um sich dem eigenen Judentum nicht stellen zu müssen, kaum weniger seinem Autor, auch die Schändung des Andenkens an die zur Zeit der Abfassung des Romans längst verstorbene eigene Mutter.
Als der Erzähler seinen Jugendfreund, den jüdischen Aufsteiger Bloch, gleich zweimal mit einer orientalischen „Hyäne“ vergleicht, sieht Friedländer seinen Verdacht bestätigt, dass er am Exorzismus seines Judentums arbeitet. Und findet für seine These, dass der Erzähler mehr verrät, als dem Autor lieb sein kann, einen bemerkenswerten Vergleich: „In dieser unbeabsichtigten Rolle ist er der Golem, der in einer berühmten jüdischen Legende dem Rabbi, der ihn erschuf, entkommt und die Abwehr zerstört, die der Rabbi gegen sich selbst und gegen den Feind aufgebaut hatte.“ Der Rabbi ist in Friedländers Essay Marcel Proust, der Golem der Erzähler seines Romans und unfreiwillig zerstört wird die Abwehr des Judentums.
Ganz am Ende gibt Friedländer im Blick auf die Gute-Nacht-Szenen zwischen Mutter und Sohn, an die sich jeder Leser der „Recherche“ erinnert, zu erkennen, was der Antrieb zu seinem Essay war: „Durch mein ganzes Leben hindurch habe ich mich weder an das Läuten einer Gartenglocke noch an irgendwelche Schluchzer zurückerinnert, wie es dem Erzähler widerfuhr, nur ein tiefer Schmerz begleitet mich bis heute: die Erinnerung an die niemals wiederkommende Mutter. Es kam mir nie in den Sinn, dass all das der Grund für das Schreiben über Prousts ,Recherche’ gewesen sein sollte, aber vielleicht war es so.“
Das Großthema „Marcel Proust und das Judentum“ ist durch diesen Essay nicht erschöpft, aber vor allzu beruhigenden Befunden bewahrt.
Saul Friedländer: Proust lesen. Ein Essay. Aus dem Englischen von Annabel Zettel. C.H. Beck Verlag, München 2020. 208 Seiten, 22 Euro.
Allen Opportunismus traut
Friedländer dem Erzähler zu,
kaum weniger seinem Autor
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Wie verhielt sich Marcel Proust zur
Homosexualität und zum Judentum? Saul
Friedländer geht seinem Misstrauen nach
VON LOTHAR MÜLLER
In der Rede, die er zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 30. Januar 2019 im Deutschen Bundestag hielt, sprach der israelische Historiker Saul Friedländer auch über seine eigene Familiengeschichte. Über seine Geburtsstadt Prag, die er 1939 im Alter von sechs Jahren verlassen musste, über das Deutsch, das im Elternhaus gesprochen wurde, und die Flucht nach Paris, über die vergeblichen Versuche der Eltern, in die Schweiz zu gelangen, über ihre Deportation nach Auschwitz Ende 1942. Ihren Sohn hatten die Eltern in einem katholischen Knabenseminar unterbringen können. Er wurde getauft und erhielt den Namen Paul-Henri-Marie Ferland. Im Juni 1948, fünf Wochen nach der Staatsgründung, gelangte er nach Israel.
Aus Paul Henri Ferland wurde Saul Friedländer, einer der bedeutendsten Historiker und Holocaust-Forscher der Gegenwart. In seinem Standardwerk „Das Dritte Reich und die Juden“ haben die amtlichen Quellen der Verfolgung und Vernichtung ein Gegenüber in Briefen und Tagebüchern, aus denen die Stimmen der Opfer sprechen. Er hat auch selbst Erinnerungen geschrieben. In seinen literarischen Essays führen Verbindungslinien in das Werk des Historikers wie in die autobiografischen Bücher. In „Franz Kafka“ (2012) zeigte Saul Friedländer auf, wie seine Herkunftswelt mit dem Prag Kafkas verbunden war, fragte nach den sadomasochistischen Bildern, den Folter- und Gewaltszenen in Kafkas Werk und nach dem Verhältnis des Autors zu seinem Judentum.
Nun ist Friedländers Essay „Proust lesen“ erschienen. Er trägt die Leserperspektive im Titel, siedelt sich wie das Kafka-Buch abseits der Spezialliteratur an und ist im Original auf Englisch verfasst, was nicht ganz selbstverständlich ist. Friedländer erwähnt, er sei seit seiner Schulzeit in Frankreich „ganz und gar französisch geworden“, ja „vollkommen verzaubert von einer Sprache, die für den Rest meines Lebens meine Hauptsprache bleiben sollte“. Warum schreibt er über den „bewunderungswürdigsten französischen Romancier, den ich durch die folgenden Jahre und Jahrzehnte hindurch las und wieder las“, und den großen Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ auf Englisch?
Es muss sich um eine Art Sicherheitsabstand handeln. Denn nicht aus der Bewunderung allein ist dieser Essay hervorgegangen, sondern zugleich aus einem ebenso großen Misstrauen. Es entzündet sich an der Darstellung von Homosexualität und Judentums im Roman. Den Zusammenhang zwischen beidem hat Proust selbst in einer berühmten Passage am Beginn des Bandes „Sodom und Gomorrha“ hergestellt. Der Erzähler vergleicht darin die Juden und die Homosexuellen als Angehörige einer „Rasse“, der beide nicht entkommen können. Es lassen sich leicht Belege dafür beibringen, dass der Roman in der Parallelisierung von Judentum und Homosexualität an der Apologie zweier Typen des Außenseitertums arbeitet, wenn er von den Homosexuellen sagt, sie seien „eine Rasse, auf der ein Fluch liegt und die in Lüge und Meineid leben muss, da sie weiß, dass ihr Verlangen das, was für jedes Geschöpf die höchste Beseligung im Dasein ausmacht, für sträflich und schmachvoll, für ganz uneingestehbar gilt“.
Misstrauen, zumal wenn es mit Bewunderung einhergeht, macht hellsichtig. Saul Friedländer erkennt, dass das zweideutigste und undurchsichtigste Element der gesamten „Recherche“ nicht irgendeine der darin vorkommenden Figuren ist, sondern der Erzähler selbst. Er traut ihm nicht über den Weg, sucht ihm die eigene, uneingestandene Homosexualität nachzuweisen, stützt sich auf viele Vorgänger, die in den jungen Mädchen des Romans schlecht verkleidete Männer erkannt haben, und richtet seinen Punktstrahler auf die Passagen, in denen der Erzähler den Baron de Charlus, die Großfigur der Homosexualität im Roman, beschreibt: „Im übrigen beherrschte jetzt das einst von Monsieur de Charlus in seinem tiefsten Innern geheimgehaltene Laster, auseinanderfließend wie Öl, nicht nur die Wangen oder besser die untere Wangenpartie dieses geschminkten Gesichts, die weiblich betonte Brust und das stark ausgebildete Hinterteil eines Körpers, der sich gehen ließ und zur Fülle neigte. Dieses Laster drängte jetzt in seinen Reden ans Licht.“
Es ist fraglich, ob dies das letzte Wort des Romans über den Baron de Charlus ist. Die entscheidenden Stadien seines physischen Verfalls, den Schlaganfall und Aphasie vorantreiben, hat er noch vor sich. Friedländer kommentiert die „Laster“-Passage knapp und schneidend: „Dies ist die Sprache des Hasses.“ Eine schlüssige Erklärung, warum sie aus dem Erzähler herausbricht, hat er nicht. Aber eine Vermutung. Proust habe für „das implizite und explizite Lob der Homosexualität im Roman“ ein Gegengewicht gebraucht, um die konventionelle Leserschaft zu besänftigen. Zufrieden ist er mit dieser Theorie des Abwehrzaubers nicht. Der Fall bleibt in der Schwebe, die Hasstirade undurchschaubar.
Im Zentrum des Essays steht die Frage, in welchem Verhältnis Proust und sein Erzähler zum Judentum stehen. Wie bei der Homosexualität gibt es auch hier einen scheinbar beruhigenden Oberflächenbefund. In der Dreyfus-Affäre gehörte Marcel Proust zu den Dreyfusianern der ersten Stunde, auf ihrem Höhepunkt schrieb er 1896 an den Baron Robert de Montesquiou: „Cher Monsieur, ich habe Ihnen gestern nicht auf Ihre Frage nach meiner Meinung zu den Juden geantwortet. Und dies aus einem ganz einfachen Grund: Ich bin, wie mein Vater und mein Bruder, katholisch, meine Mutter hingegen ist Jüdin. Sie werden verstehen, dass dies für mich ein hinreichend triftiger Grund ist, mich aus derartigen Diskussionen herauszuhalten.“
Saul Friedländer zeichnet in wenigen markanten Strichen die Realgeschichte der Dreyfus-Affäre und die aus ihr entspringenden Spaltung der französischen Gesellschaft nach, notiert, dass der Erzähler der „Recherche“ wie sein Autor „pro-Dreyfus“ ist, „aufgrund der Ungerechtigkeit, die ihm widerfuhr, wegen seines Leids, aber nicht, weil er Jude war“. Ihm fällt auf, dass die Eltern des Erzählers im Verlauf des Romans verschwinden, ohne dass ihr Tod erzählt würde. Minutiös verfolgt er die Genealogie des Erzählers und die seiner Mutter, vergleicht sie mit der Biografie des Autors und begründet so seinen Verdacht, dass der Erzähler, der die Juden vorgeblich von außen betrachtet, „den jüdischen Teil seiner Identität stillschweigend ablehnt“.
Alles traut Saul Friedländer dem Erzähler zu, Opportunismus, heimliches Einverständnis mit der Niedertracht, Flucht in den Antisemitismus, um sich dem eigenen Judentum nicht stellen zu müssen, kaum weniger seinem Autor, auch die Schändung des Andenkens an die zur Zeit der Abfassung des Romans längst verstorbene eigene Mutter.
Als der Erzähler seinen Jugendfreund, den jüdischen Aufsteiger Bloch, gleich zweimal mit einer orientalischen „Hyäne“ vergleicht, sieht Friedländer seinen Verdacht bestätigt, dass er am Exorzismus seines Judentums arbeitet. Und findet für seine These, dass der Erzähler mehr verrät, als dem Autor lieb sein kann, einen bemerkenswerten Vergleich: „In dieser unbeabsichtigten Rolle ist er der Golem, der in einer berühmten jüdischen Legende dem Rabbi, der ihn erschuf, entkommt und die Abwehr zerstört, die der Rabbi gegen sich selbst und gegen den Feind aufgebaut hatte.“ Der Rabbi ist in Friedländers Essay Marcel Proust, der Golem der Erzähler seines Romans und unfreiwillig zerstört wird die Abwehr des Judentums.
Ganz am Ende gibt Friedländer im Blick auf die Gute-Nacht-Szenen zwischen Mutter und Sohn, an die sich jeder Leser der „Recherche“ erinnert, zu erkennen, was der Antrieb zu seinem Essay war: „Durch mein ganzes Leben hindurch habe ich mich weder an das Läuten einer Gartenglocke noch an irgendwelche Schluchzer zurückerinnert, wie es dem Erzähler widerfuhr, nur ein tiefer Schmerz begleitet mich bis heute: die Erinnerung an die niemals wiederkommende Mutter. Es kam mir nie in den Sinn, dass all das der Grund für das Schreiben über Prousts ,Recherche’ gewesen sein sollte, aber vielleicht war es so.“
Das Großthema „Marcel Proust und das Judentum“ ist durch diesen Essay nicht erschöpft, aber vor allzu beruhigenden Befunden bewahrt.
Saul Friedländer: Proust lesen. Ein Essay. Aus dem Englischen von Annabel Zettel. C.H. Beck Verlag, München 2020. 208 Seiten, 22 Euro.
Allen Opportunismus traut
Friedländer dem Erzähler zu,
kaum weniger seinem Autor
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"Misstrauen, zumal wenn es mit Bewunderung einhergeht, macht hellsichtig. Saul Friedländer erkennt, dass das zweideutigste und undurchsichtigste Element der gesamten "Recherche" nicht irgendeine der darin vorkommenden Figuren ist, sondern der Erzähler selbst."
Süddeutsche Zeitung, Lothar Müller
"Der Leser erlebt eine inhaltsgesättigte Reise durch das Innere von Marcel Proust."
Tagesspiegel, Alexander Riebel
"Seine Methode des misstrauischen Befragens des Romans führt zu spannenden Beobachtungen am Text. Es ist ein Vergnügen, seinen mit vielen Beispielen belegten Ausführungen zu folgen. Allen Proust-Lesern ist Friedländers eigenwilliges, um die Forschung unbekümmertes 'Close reading' sehr zu empfehlen." SWR 2, Wolfgang Schneider
"Ein sehr kluger, berührender und persönlich motivierter Essay."
Die Presse, Anne-Catherine Simon
"Saul Friedländer legt wie ein Archäologe Schicht um Schicht frei - in einem Buch, in dem jede Leserin und jeder Leser seine eigenen Funde machen wird."
Neue Zürcher Zeitung Online, Thomas Ribi
"Vorzüglicher Großessay."
Tagesspiegel, Tobias Schwartz
"Besticht durch Präzision und literarisches Feingefühl."
WDR 3, Peter Meisenberg
"Friedländer schreibt klar, verständlich, ohne Schnörkel. Sein Essay ist stilistisch ein Vergnügen und verschafft in gebotener Kürze tiefe Einblicke in die "Recherche"."
Tagesspiegel, Gerrit Bartels
Süddeutsche Zeitung, Lothar Müller
"Der Leser erlebt eine inhaltsgesättigte Reise durch das Innere von Marcel Proust."
Tagesspiegel, Alexander Riebel
"Seine Methode des misstrauischen Befragens des Romans führt zu spannenden Beobachtungen am Text. Es ist ein Vergnügen, seinen mit vielen Beispielen belegten Ausführungen zu folgen. Allen Proust-Lesern ist Friedländers eigenwilliges, um die Forschung unbekümmertes 'Close reading' sehr zu empfehlen." SWR 2, Wolfgang Schneider
"Ein sehr kluger, berührender und persönlich motivierter Essay."
Die Presse, Anne-Catherine Simon
"Saul Friedländer legt wie ein Archäologe Schicht um Schicht frei - in einem Buch, in dem jede Leserin und jeder Leser seine eigenen Funde machen wird."
Neue Zürcher Zeitung Online, Thomas Ribi
"Vorzüglicher Großessay."
Tagesspiegel, Tobias Schwartz
"Besticht durch Präzision und literarisches Feingefühl."
WDR 3, Peter Meisenberg
"Friedländer schreibt klar, verständlich, ohne Schnörkel. Sein Essay ist stilistisch ein Vergnügen und verschafft in gebotener Kürze tiefe Einblicke in die "Recherche"."
Tagesspiegel, Gerrit Bartels