Dieser Roman von Serge Ehrensperger über den Prozess gegen das RAF-Mitglied Clemens Wagner in Winterthur hat in Wirklichkeit eine weitaus vielschichtere Thematik als die eigentlichen Gerichtsverhandlungen, deren Schilderung erst im zweite Teil des Buches folgt. Dem Angeklagten, der beharrlich alle persönlichen Motive seines Tuns leugnet und der nur politologische Strukturen kennt, stellt Ehrensperger einen ironischen Prosaisten, Egon Kotzbue, gegenüber, welcher mit der Feder statt mit der Pistole kämpft. Kotzbues eigenes Leben zur Zeit des Prozeses, reich aufgefächert durch die persönliche Beziehung zum Schauplatz und zum Thema, kommt voll zu seinem Recht. Altstadtfete, Gemeinderatssitzung, Hadesgarten- und Zürichszenen sowie eine Reihe von Parallelfiguren werden zu erzählerischen Perspektiven für Kotzbues innere Weigerung, sich vom blossen Terroristen-Thema seinedifferenziertere geistige Welt rauben zu lassen. So schreitet Kotzbue - Spion oder Heimatloser zwischen zwei Lagern? - durch seine Geburtsstadt Winterthur, in deren helvetisch behütetem Villenviertel nun ein Stück ultralinker deutscher Geistesgeschichte d. h. deren extremistische Überdrehung, zum stehen kommt. Dieser thematisch und stilistisch hart am Nerv der Zeit verfasste Roman lebt vom Gegensatz zwischen dem simplifizierenden Weltbild eines politisch Verblendeten und der lebensvoll phantstisch durchwirkten Prosa Kotzbues, die immer wieder dem Terror, der Zerstörung und der Gewalt gegenübergestellt, gewissermassen zur Heilung angeboten wird. Siebzehn Prozesstage-Kapitel bilden das äussere Gerüst. Die Spannung des Geschehens erwächst aus einer von der Bitternis an der Zeit geformten Sprache, die Ehrensperger auch hier wieder als literarischer Neuerer meisterhaft und oft satirisch-komisch zu handhaben versteht.