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Dieser Band der von Hans Maier und Michael Stolleis herausgegebenen Reihe "Bibliothek des deutschen Staatsdenkens" widmet sich einem klassischen Thema der Rechts- und Staatswissenschaften. Die Lehre von der "Gesetzgebungsklugheit" war im 17. und 18. Jahrhundert ein umkämpftes Terrain der Rechtswissenschaft. Unter dem Titel "Prudentia Legislatoria" wurde diskutiert, wie der Mensch dazu veranlaßt werden könne, zu einem "nützlichen Mitglied" von Staat und Gesellschaft zu werden. Die ausgewählten Schriften bekannter und unbekannter Rechtsgelehrter bilanzieren diese Debatte.

Produktbeschreibung
Dieser Band der von Hans Maier und Michael Stolleis herausgegebenen Reihe "Bibliothek des deutschen Staatsdenkens" widmet sich einem klassischen Thema der Rechts- und Staatswissenschaften. Die Lehre von der "Gesetzgebungsklugheit" war im 17. und 18. Jahrhundert ein umkämpftes Terrain der Rechtswissenschaft. Unter dem Titel "Prudentia Legislatoria" wurde diskutiert, wie der Mensch dazu veranlaßt werden könne, zu einem "nützlichen Mitglied" von Staat und Gesellschaft zu werden. Die ausgewählten Schriften bekannter und unbekannter Rechtsgelehrter bilanzieren diese Debatte.
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Autorenporträt
Dr. jur. Dr. jur. h.c.Heinz Mohnhaupt ist seit 1979 am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt/Main tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Krumme Wege sind wirksamer
Die feinen Bezüge zwischen Gesetzgebungsklugheit und Strafprozeß

Zwei gute Bücher aufeinander zu beziehen, die auf den ersten Blick nur gemeinsam haben, daß sie sich mit Staatsgewalt beschäftigen und nahezu gleichzeitig erschienen sind, könnte beiden ungerechtfertigt Abbruch tun. Deshalb sei vorab versichert: Beide verdienen viele Leser. Sie bieten Neues, gefällig verpackt. Die sachliche Verbindung läßt sich indessen schnell herstellen. Die "Gesetzgebungsklugheit" müßte die Prinzipien enthalten, nach denen der Strafprozeß reformiert wurde. Aber das ist moderne Logik.

Die von Heinz Mohnhaupt trefflich erläuterte "Gesetzgebungsklugheit" ist eigentlich eine kleine Juristenbibliothek aus der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, bestehend aus einer Dissertation, deren Autor wohl tatsächlich das Universalgenie Hermann Conring ist, einem Vorlesungsmanuskript von Thomasius, einer Monographie über Rechtsethik von Kestner, der detaillierten Gliederung eines Alternativentwurfs zum römischen Corpus iuris civilis von Freyberger und einer Göttinger Dissertation, mit der ein sechsundzwanzigjähriger Polykarp namens August Leisching zu beweisen versucht, daß es unmöglich ist, ein neues Corpus iuris zu schaffen. Alle Schriften wenden sich an die Politik. "Gesetzgebungsklugheit" ist politische Klugheit. Aber die politischen Standpunkte sind sehr verschieden: kaisertreu oder fürstentreu, konservativ oder progressiv, also für oder gegen das antike römische Recht, katholisch oder evangelisch, in jedem Fall jedoch leicht zu erkennen. Als Leser versucht man zu sortieren: Welche Argumentationstricks kennt man schon? (Die meisten.) Wer wird beschimpft, wer gelobt? Und unversehens landet man in der Gesellschaft des achtzehnten Jahrhunderts.

Aber wir wollten prüfen, was die "Gesetzgebungsklugheit" zum Strafprozeß zu sagen hat, zum Beispiel zur Folter. Wenn der Rezensent nicht zu flüchtig gelesen hat: so gut wie nichts. Implizit aber doch einiges. Drei der Autoren theoretisieren nicht lange herum. Sie nennen ein gutes Gesetz als leuchtendes Beispiel - dasjenige, das Gott dem Moses auf dem Berg Sinai gegeben hat -, messen daran alle anderen Rechte einschließlich des klassischen römischen Rechts und verwerfen sie. Nur das germanische Recht reiche an das mosaische Gesetz heran. Aber leider seien die Germanen trunk- und streitsüchtig gewesen. Der Grund für diese rechtsvergleichende Methode liegt auf der Hand. Aus der Deckung des Alten Testaments konnte man das zeitgenössische weltliche und kirchliche Recht scharf kritisieren, ohne Sanktionen fürchten oder ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Vor allem konnte man ohne Rücksicht auf theologische Vorgaben unmittelbar nach der Nützlichkeit oder nach dem Sinn von Gesetzen fragen. Genau darin bestand Aufklärung. Aufklärung wollte nicht die bestehende Ordnung umstürzen, sondern sie so erklären, daß jeder einzelne einen Sinn für sich selbst darin finden konnte. Aufklärung war Verzicht auf religiöse Traditionen, und das war schwer genug.

Alexander Ignors "Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532 bis 1846" erzählt die Entwicklung vom älteren Anklageprozeß, bei dem sich Ankläger, meist der Verletzte, und Angeklagter als gleichberechtigte Parteien vor einem Richter gegenüberstanden, über das Inquisitionsverfahren, bei dem ein oder zwei Richter Untersuchungen und Verfahren leiteten und an strenge Beweisregeln gebunden waren, bis zum modernen Anklageprozeß, der immer noch vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird, aber doch den Angeklagten als selbständigen Verfahrensbeteiligten anerkennt. Die Wendung vom Inquisitions- zum modernen Anklageverfahren hat die Wissenschaft viel beschäftigt. Eine verbreitete Ansicht meinte, "daß im Zuge des Zeitalters der Aufklärung die ,Fehler' des Inquisitionsprozesses erkannt und unter dem Einfluß der konstitutionellen Bewegung im Staatsrecht korrigiert wurden". Nach Ignor dagegen ist dies der Grund: "Der Kerngehalt strafrechtlichen Unrechts wurde nicht länger in der Sünde gegen Gott gesehen, sondern in der Verletzung ... der Normen, welche die Bestandsinteressen der Gesellschaft und des einzelnen garantieren sollen."Damit konnte der einzelne nicht mehr nur als Objekt der wahren gottgewollten Ordnung, er mußte als Teil der Gesellschaft betrachtet werden und eine aktivere Rolle im Straßprozeß erhalten. Diese Einsicht belegt der Verfasser so einleuchtend, daß man sogar den Inquisitionsprozeß besser versteht und etwas freundlicher beurteilt.

Ein Vergleich mit der "Gesetzgebungsklugheit" bestätigt die Kritik Ignors. Das Staatsrecht des achtzehnten Jahrhunderts hat das Strafprozeßrecht nicht dadurch beeinflußt, daß es die Strafprozessualisten zur Beachtung der Menschenrechte aufgerufen hätte. Der Einfluß hat sich einen krummeren, wirksameren Weg gesucht: religiöse Delegitimation des Rechtes durch das Nützlichkeitsprinzip. Vermutlich haben die aufgeklärten Autoren nicht einmal geahnt, daß sie an einer Umwälzung des Rechtes arbeiteten. Sie wollten modern sein und die Religion mit modernen Mitteln rechtfertigen. Sie hätten wohl heftig protestiert, wenn man ihnen gesagt hätte, Nützlichkeit destruiere das göttliche Gebot. Aber sie hat es getan.

GERD ROELLECKE

Heinz Mohnhaupt (Hrsg.): "Prudentia Legislatoria". Fünf Schriften über die Gesetzgebungsklugheit aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Übersetzt von Adolf Paul. Verlag C.H. Beck, München 2003. 495 S., 6 Faksimiles, geb., 49,90 [Euro].

Alexander Ignor: "Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846". Von der Carolina Karls V. bis zu den Reformen des Vormärz. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2002. 324 S., Abb., br., 34,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Gerd Roellecke zeigt sich recht angetan von dem von Heinz Mohnhaupt herausgegebene und "trefflich erläuterten" Band "Prudentia Legislatoria". Wie Roellecke berichtet, versammelt der Band fünf Texte zur "Gesetzgebungsklugheit" von Hermann Conring, Thomasius, Kestner, Freyberger und August Leisching aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die sich allesamt an die Politik wenden. Die politischen Standpunkte sind nach Ansicht Roelleckes dabei sehr verschieden: kaisertreu oder fürstentreu, konservativ oder progressiv, für oder gegen das antike römische Recht, katholisch oder evangelisch. Unversehens lande man in der Gesellschaft des achtzehnten Jahrhunderts. Roellecke hebt hervor, dass drei der Autoren das mosaische Gesetz als leuchtendes Beispiel für ein gutes Gesetz nennen, um daran alle anderen Rechte einschließlich des klassischen römischen Rechts zu messen - schließlich konnte man aus der Deckung des Alten Testaments das zeitgenössische weltliche und kirchliche Recht scharf kritisieren, ohne Sanktionen fürchten oder ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Vor allem habe man so ohne Rücksicht auf theologische Vorgaben unmittelbar nach der Nützlichkeit oder nach dem Sinn von Gesetzen fragen können, erklärt Roellecke. "Genau darin bestand Aufklärung", so der Rezensent zusammenfassend, "Aufklärung wollte nicht die bestehende Ordnung umstürzen, sondern sie so erklären, dass jeder einzelne einen Sinn für sich selbst darin finden konnte."

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