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Das vorliegende Buch gibt mit seinen psychoanalytischen, strafrechtlichen, kunstwissenschaftlichen und theologisch-philosophischen Texten Impulse zur Auseinandersetzung mit dem Bösen. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist das Kunstwerk Menschen. von Bernd Fischer. Der Künstler konfrontiert den Betrachter mit 18 Porträts und den Biografien internationaler Täter und Täterinnen aus dem 20. Jahrhundert, die Menschenrechtsverbrechen begangen haben und dafür rechtskräftig verurteilt wurden. Indem es sich nicht auf bestimmte Gesellschaftsformen oder abgeschlossene geschichtliche Phasen beschränkt, sondern…mehr

Produktbeschreibung
Das vorliegende Buch gibt mit seinen psychoanalytischen, strafrechtlichen, kunstwissenschaftlichen und theologisch-philosophischen Texten Impulse zur Auseinandersetzung mit dem Bösen. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist das Kunstwerk Menschen. von Bernd Fischer. Der Künstler konfrontiert den Betrachter mit 18 Porträts und den Biografien internationaler Täter und Täterinnen aus dem 20. Jahrhundert, die Menschenrechtsverbrechen begangen haben und dafür rechtskräftig verurteilt wurden. Indem es sich nicht auf bestimmte Gesellschaftsformen oder abgeschlossene geschichtliche Phasen beschränkt, sondern global argumentiert, eröffnet dieses Werk neue Sinnfelder für die Betrachtung der Potenziale des Menschen.Die Beiträge der AutorInnen spitzen das Thema interdisziplinär als »Punktierungen des Bösen« aus ihrer jeweiligen Perspektive zu und regen so zur Reflexion über teils manifeste »Wahrheiten« und Normen an, die mit dem Bösen einhergehen. Es ist ein Beispiel, wie ergebnisreich das Zusammenwirken von Kunst und Wissenschaft - je eigenständig, doch sich verbindend und ergänzend - in Terrain vordringen kann, das Emotionen und sachliches Urteil außerordentlich in Anspruch nimmt.Mit Beiträgen von Bernd Fischer, Ulrike Kuschel, Vasco Reuss, Werner Schneider-Quindeau, Stefan Soltek und Hans-Jürgen Wirth
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2016

Die Gesichter des Bösen
Dokumentation zu Kunstprojekt Bernd Fischers im Klingspor-Museum erschienen / Vortragsreihe in Offenbach

ajw. OFFENBACH. Welches Gesicht hat das Böse? Diese Frage trieb den Offenbacher Maler Bernd Fischer viele Jahre um. Im Frühsommer 2014 präsentierte er im Klingspor-Museum in einer Ausstellung seine künstlerische Antwort: Zu sehen waren 18 Fotoporträts von Frauen und Männern, allesamt verurteilte Mörder, die Hunderte, Tausende oder noch mehr Menschen selbst getötet oder "nur" den Befehl hierzu gegeben hatten - vom NS-Schergen Klaus Barbie, bekannt als "Schlächter von Lyon", über den kambodschanischen Diktator Pol Pot bis zu Leuten wie der vormals unbekannten amerikanischen Soldatin Sabrina Harman, die im irakischen Abu-Ghraib-Gefängnis 2003 die Lust am Foltern genoss. Harmans Fotos, mit denen sie die ermordeten Opfer noch im Nachhinein ein weiteres Mal entwürdigte, gingen damals um die Welt.

Doch Fischer bot in der Ausstellung, deren Titel prägnant "Menschen" hieß, keine matte Porträtfotografie von Massenmördern. Vielmehr hatte der Künstler die Fotos, die er dem Internet entnahm, durch das körnige Siebdruckraster so verfremdet, dass der Betrachter die Täter kaum zu erkennen vermochte. Die Täter blickten, ohne dass ihre Mord- oder Folteraktion in der Fotografie zu sehen war, auf ihre Opfer. Doch was sah der Betrachter der Siebdrucke, wenn er in das Gesicht der Täter schaute? Mordlust, Erschrecken, Gleichgültigkeit? Fischers Siebdruckpunktierung verweigerte Eindeutigkeit.

Zudem: Das visuelle Gedächtnis des Betrachters versagte. Vor den Drucken stehend, schoben sich Bilder vor das Auge, die er aus dem Fernsehen zu kennen wähnte. Die erinnerten Bilder deckten sich aber kaum mit dem, worauf der Betrachter blickte. Eine verstörende Wahrnehmung. Erläuterungen zur Biographie der Täter waren der Ausstellung beigefügt, lexikalisch knapp. Doch auch dadurch enträtselte sich nicht das Gesicht des Bösen. Hätte man Barbies mörderische Kaltblütigkeit, Amins sadistisches Vergnügen am Töten in ihren Gesichtern ablesen können? Ein gehaltvolles Vortragsprogramm begleitete seinerzeit die Schau im Klingspor-Museum.

In dem schmalen, 149 Seiten zählenden Buch "Punktierungen des Bösen. Das Werk ,Menschen' von Bernd Fischer", unlängst veröffentlicht, kann man jetzt die meisten Vorträge nachlesen. Leider fehlt, was die Herausgeber in ihrem Vorwort bedauern, der Vortrag von Bettina Stangneth. Die Philosophin sprach in Offenbach über "das Böse".

Gleichwohl ist mit diesem Buch eine gedankenreiche Dokumentation entstanden, die den Anspruch erfüllt, unterschiedliche Sichtweisen zu einem brisanten, einem aktuellen Thema zusammenzuführen. Der Band vereint sechs Beiträge, Fischers künstlerisches Siebdruck-Tableau der Mörder und deren Kurzbiographien inbegriffen. Stefan Soltek, Leiter des Klingspor-Museums, schreibt über Fischers ästhetischen Ansatz und dessen kulturgeschichtliche Begründung. Der Theologe Werner Schneider-Quindeau unternimmt zu Fischers Porträtreihe eine Erkundung, die Aspekte aus Philosophie, Theologie und Pädagogik einschließt. Der Psychoanalytiker Hans-Jürgen Wirth denkt nach über das "kollektive Töten". Der Rechtswissenschaftler Vasco Reuss liefert "völkerrechtliche Betrachtungen" zu solcherlei Mordaktionen. Die Kunsthistorikerin Ulrike Kuschel widmet sich der Frage, wie das Böse in der Kunst visualisiert werden kann. Die recht unterschiedlichen Erklärungsversuche dieses Buches verbindet ein Gedanke, den die politische Theoretikerin Hannah Arendt in dem berühmt gewordenen Fernsehgespräch mit Günter Gaus 1964 so ausdrückte: "Ich will verstehen." In mehreren Lesungen wird das Thema der Ausstellung "Menschen" während der nächsten Wochen in Offenbach wieder aufgegriffen.

Am Donnerstag um 19.30 Uhr wagt Museumsleiter Soltek in der Buchhandlung am Markt, Wilhelmsplatz 12, eine Gegenüberstellung von Porträts, bei der es um die Beziehung von Porträtierten und Betrachter geht. Am 3. Februar, 14 Uhr, spricht Schneider-Quindeau in der Buchhandlung "Buch Rabe", Alt Bieber 1, zum Thema "Menschen der Gewalt und der Macht". Die Kunsthistorikern Kuschel spannt in ihrem Vortrag, der am 11. Februar, 19.30 Uhr, in der Steinmetz'schen Buchhandlung, Frankfurter Straße 37, zu hören ist, den Bogen von Andy Warhol über Gerhard Richter bis zu Bernd Fischer, um zu klären, wie in der Kunst Gesichter des Bösen dargestellt werden können. Die Veranstaltungsreihe endet am 18. Februar, 18 Uhr, im Klingspor-Museum, Herrnstraße 80, mit einem Vortrag von Bernd Fischer, der sein Kunstprojekt "Menschen" erläutern wird.

Das Buch "Punktierungen des Bösen - Das Werk ,Menschen' von Bernd Fischer", herausgegeben von Ulrike Kuschel, Anna-Fee Neugebauer und Karsten H. Petersen ist im Psychosozial-Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro.

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