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Im Mittelpunkt des zwischen Wirklichkeit und Traum schwankenden Romans steht Arab Ihsan Efendi, der mit seinem Schiff im Konstantinopel des 17.Jahrhunderts einläuft. An seiner Seite geht der siebenjährige Alibaz, der bis zu seinem dritten Lebensjahr mit Opium vollgepumpt wurde und an Schlaflosigkeit leidet. Die beiden treffen im Haus von Ihsans Neffen ein, der gerade noch in seinen Träumen verweilt und sie auch gar nicht verlassen zu wollen scheint. Denn aus seinen Traumerfahrungen und den Kopfreisen stellt er sein Lebenswerk zusammen: den Atlas der unsichtbaren Kontinente. Ein Werk, das Sohn…mehr

Produktbeschreibung
Im Mittelpunkt des zwischen Wirklichkeit und Traum schwankenden Romans steht Arab Ihsan Efendi, der mit seinem Schiff im Konstantinopel des 17.Jahrhunderts einläuft. An seiner Seite geht der siebenjährige Alibaz, der bis zu seinem dritten Lebensjahr mit Opium vollgepumpt wurde und an Schlaflosigkeit leidet. Die beiden treffen im Haus von Ihsans Neffen ein, der gerade noch in seinen Träumen verweilt und sie auch gar nicht verlassen zu wollen scheint. Denn aus seinen Traumerfahrungen und den Kopfreisen stellt er sein Lebenswerk zusammen: den Atlas der unsichtbaren Kontinente. Ein Werk, das Sohn Bünyamin bei seinem abenteuerlichen Werdegang vom Tunnelbauer zum Bettler zum Hätschelkind des Paschas mehrfach das Leben retten soll, es aber nicht verhindern kann, daß auf der gnadenlosen Jagd nach einer unheilvollen Münze die Helden entstellt, geblendet, verstümmelt, getötet werden.'Ich träume, also bin ich', ist der allzeit präsente Leitgedanke über diesem pittoresken Pastiche aus dem mittelalterlichen Orient, in dem Schlaf und Schlaflosigkeit, Traum und Wachsein, Leben und Tod, Wirklichkeit und Phantasie sich auf atemberaubende Art in der Schwebe halten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2004

Überwürzt
Ihsan Oktay Anar erträumt sich die Welt
Istanbul-Romane, historisierende zumal, scheinen Konjunktur zu haben. Kein Wunder, gehört Istanbul doch zu jenen Städten des alten Europa, von deren Antlitz eine lange, wechselvolle Geschichte abzulesen ist und deren geschichtsgetränkter Boden die Phantasie beflügelt. Ein geheimnisumwitterter, orientalisierender Exotismus in einer gruselig faszinierenden Stadt bietet sich als Kulisse für einen historischen Roman geradezu an. Also lässt Ihsan Oktay Anar in seinem Roman „Der Atlas unsichtbarer Kontinente” seine Figuren in der Stadt umher und durch sie hindurch taumeln in Traumsequenzen, phantastischem Märchengeschehen, in Narren- und Kriegsgeschichten, theologischen Spekulationen, alchimistischen Spintisierereien, die alle durch eine lose Handlung miteinander verbunden werden. Allzu lose, leider. Der Autor will zu viel auf einmal, und so entsteht eine recht atemlos hechelnde Aneinanderreihung von grotesken, abstrusen, wirklichen und unwirklichen Szenerien und Geschichten. Mit Hilfe der Umdeutung des Satzes „Ich denke, also bin ich” von René Descartes (phonetisiert zu Rendekâr – eine nicht unwitzige Anspielung auf die türkische Eigenart, Fremdworte, insbesondere französische, konsequent nach türkischer Aussprache zu schreiben) zu „Ich träume, also bin ich” oder, in diesem Fall zutreffender, „ich träume mir die Welt, also ist sie”, verschafft sich der Autor die Freiheit, den Roman nach Belieben aus einem Gemenge von Wirklichkeit und Traumzeit zu gestalten. Aber die Geschichten eines Märchenerzählers mögen noch so wild und anarchisch daherkommen, sie sind auf Gleichnisse angewiesen, die der Erfahrung abgerungen sind. Diesen Boden hat Anar in seinem Roman ohne Not verlassen.
Man gewinnt fast den Eindruck, der Autor möchte so pfiffig Geistesgeschichte in spannende Geschichten verwandeln wie Umberto Eco und gleichzeitig dem Format eines Schriftstellers wie Orhan Pamuk literarisch ebenbürtig sein. Es gelingt beides nicht. Die Geschichte ist zu inkohärent, zu ideenlastig, zu fahrig und hektisch komponiert, es wird allzu krampfhaft um farbige Opulenz gerungen und insgesamt zu dick aufgetragen. Bisweilen werden bereits im Hauptstrang der Handlung erzählte Geschehnisse wie die Belagerung einer Burg wiederholt, um den verlorenen Faden wieder aufnehmen zu können. Es handelt sich dabei aber nicht um einen Kunstgriff à la Laurence Sterne, sondern es wirkt nur ungelenk und linkisch.
Das Buch erinnert an das Bemühen eines ehrgeizigen Kochs, der, um der größten Wirkung auf den Gaumen willen, den Speisen möglichst viele Gewürze beimengt und sie so um ihren Eigengeschmack bringt, anstatt diesen durch kunstvolle Dosierung zu erhöhen.
Die Übersetzung aus dem Türkischen, die alles andere als ein leichtes Unterfangen gewesen sein dürfte, liest sich gut und flüssig. Nur sehr selten tauchen Begriffe auf, die nicht so recht in den Zeitzusammenhang passen, wie „autoritär” und „frustriert”. Die Leistung der Übersetzerin schmälert dies indessen nicht, es fällt nur deshalb auf, weil der Ton des Geschichtenerzählers sonst gut getroffen ist.
GENNARO GHIRARDELLI
IHSAN OKTAY ANAR: Der Atlas unsichtbarer Kontinente. Roman. Ammann Verlag, Zürich 2004. 300 S., 21,90 Euro.
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