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Eines Morgens, in einer ihm »selber nicht ganz klaren Anwandlung«, fährt Marcel Beyer an den Stadtrand von Dresden, um dort einen Briefkasten noch einmal zu sehen, nicht irgendeinen, sondern den Wladimir Putins, der in den achtziger Jahren hier lebte. Er findet ihn nicht mehr vor. Aber was Beyer auf seiner Spurensuche wahrnimmt und aufschreibt, entwickelt sich unterderhand zu einem Kurzporträt Putins, das erhellender ist als jede dickleibige politische Biographie. Was immer Beyer hier in seinen Erzählungen und Skizzen in den Blick nimmt - seien es Blumen oberhalb des Genfer Sees, eine von…mehr

Produktbeschreibung
Eines Morgens, in einer ihm »selber nicht ganz klaren Anwandlung«, fährt Marcel Beyer an den Stadtrand von Dresden, um dort einen Briefkasten noch einmal zu sehen, nicht irgendeinen, sondern den Wladimir Putins, der in den achtziger Jahren hier lebte. Er findet ihn nicht mehr vor. Aber was Beyer auf seiner Spurensuche wahrnimmt und aufschreibt, entwickelt sich unterderhand zu einem Kurzporträt Putins, das erhellender ist als jede dickleibige politische Biographie. Was immer Beyer hier in seinen Erzählungen und Skizzen in den Blick nimmt - seien es Blumen oberhalb des Genfer Sees, eine von Rimbaud aufgegebene Kleinanzeige, ein einäugiger Löwe im Dresdner Zoo, von Dostojewskij zum Brüllen gebracht, ein kleinformatiges Gemälde von Gerhard Richter oder Lessings Ofenschirm in Wolfenbüttel -, stets entzünden sich an konkreten Phänomenen seine Überlegungen zu Sprache, Kultur und politischer Geographie. »Putins Briefkasten«, Marcel Beyers Sammlung seiner unveröffentlichten Erzählungen und Denkbilder, ist ein Buch über Wahrnehmung, Stil, über das Hören und Schreiben. Und wir werden, während wir diese Abfolge einzelner Momente und Bewegungen staunend lesen, so ganz nebenbei zu blitzartigen, überraschenden Einsichten geführt.
Autorenporträt
Marcel Beyer, geboren am 23. November 1965 in Tailfingen/Württemberg, wuchs in Kiel und Neuss auf. Er studierte von 1987 bis 1991 Germanistik, Anglistik und Literaturwissenschaft an der Universität Siegen; 1992 Magister artium mit einer Arbeit über Friederike Mayröcker. Der Autor erhielt zahlreiche Preise, darunter 2008 den Joseph-Breitbach-Preis und 2016 den Georg-Büchner-Preis. Bis 1996 lebte Marcel Beyer in Köln, seitdem ist er in Dresden ansässig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2012

Das muss ich sein

Marcel Beyer ist frei nach Walter Benjamin ein "Physiognomiker der Dingwelt". Kaum ein Schriftsteller der Gegenwart recherchiert so akribisch wie er die Syntax der geschichtlichen Ereignisse und Sachen, keiner versenkt sich so intensiv in Dinge des täglichen Gebrauchs. Der Gehalt seiner Texte entsteht aber erst in der Gestaltung, im Wechselspiel von Beobachtung und Benennung in einem Sprachgeschehen. Ob Beyer die Phänomenologie eines Briefkastens entwickelt, sich in die Terminologie des Imkers einarbeitet oder ein Triptychon von Francis Bacon im Verhältnis zu einem VW-Käfer betrachtet: Nie geht es ihm um die Erzeugung und Fixierung von Gewissheiten, vielmehr um deren Infragestellung in der Sprachbewegung. In seinen großen Romanen "Flughunde" (1995) und "Kaltenburg" (2008) hat er geschichtliche Fakten in eine widerständige Gegenwärtigkeit überführt. In dem vorliegenden Band mit bereits in Zeitschriften erschienenen "Recherchen", einer Form, die zwischen Erzählung, Reportage und ethnologischem Bericht oszilliert, geht es um Zugangseröffnungen zur Gegenwart jenseits der Selbstbestätigung im bequemen Zurückführen auf bewährte Symbolik. Es geht um die Ähnlichkeit von Dingen und Ereignissen, aber gleichzeitig um Differenzen und scharfe Kontraste. Dabei sieht ein Ich von sich ab, zugleich wird es sich selbst zum Objekt. Das gehört zur "Forschungsbewegung" der Literatur, die freilich kein Forschungsergebnis zu bieten hat, sondern lediglich die Erschließung eines Raums der Wahrnehmung, den jedes Individuum für sich hat und doch je mit anderen teilt. Das ist fast schon Beyers (und Friedrich Schleiermachers) Bestimmung der Literatur, deren besondere Verfahrensweise der Leser in den acht Stücken des Bandes vom jeweiligen Anlass und der jeweiligen Situation her studieren kann. (Marcel Beyer: "Putins Briefkasten". Acht Recherchen. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. 222 S., br., 8,99 [Euro].) fap

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Tobias Lehmkuhl von Marcel Beyers neuem Buch "Putins Briefkasten", in dem der Schriftsteller acht Beiträge, die er in den letzten zehn Jahren in diversen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte, versammelt. Der Kritiker liest hier detailliert beschriebene Berichte über Reisen nach Polen, Weißrussland oder in die Ukraine, aber auch von Beyers Leseerfahrungen, die sich von einem Imkerhandbuch über die Gedichte Paul Celans bis zu Marcel Proust erstrecken. Das Besondere an diesen "Selbstlebensbeschreibungen" aber ist Beyers Arrangement der "Acht Recherchen", so der Rezensent: der Autor habe die bestehenden Formen der Texte aufgelöst und miteinander in Zusammenhang gesetzt, so dass jeder Essay mit dem anderen kommuniziere. Und so gerät Lehmkuhl in diesem ebenso wohl überlegten wie "spielerisch" wirkenden Buch in einen unendlichen Assoziationsstrom von Worten, der ihm ganz neue Verbindungen etwa zwischen der Sprache der Bienen, Wladimir Putins Dresdner Briefkasten und Hans Blumenbergs Löwen eröffnet.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Kaum ein Schriftsteller ... recherchiert so akribisch wie er die Syntax geschichtlicher Ereignisse und Sachen, keiner versenkt sich so intensiv in Dinge des täglichen Gebrauchs.« Frankfurter Allgemeine Zeitung 20120427
»... ein durchdacht komponierter Band. Ein Buch, das all jene mit Gewinn lesen werden, die über Beobachten und Erinnern, über das Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit, über Sprache, Literatur, Übersetzung nachdenken.«