24,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 3-5 Tagen
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

2 Kundenbewertungen

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist in hohem Maße ein Geschlechterkrieg: Russland setzt sexuelle Gewalt in der Ukraine als Waffe ein, aber Frauenfeindlichkeit ist auch ein Instrument der internen Zentralisierung der Macht in Russland. Und sie ist ein Werkzeug des Imperialismus. Das Grauen, das Familien des Baltikums bereits einmal erleben mussten und das bis heute Wunden in den Familien hinterlassen hat, Deportationen, Besetzungen, Terror, Folter, Nazibeschuldigungen, Vergewaltigung, wiederholt sich, aber wie nie zuvor können Kriegsverbrechen dokumentiert werden, weil…mehr

Produktbeschreibung
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist in hohem Maße ein Geschlechterkrieg: Russland setzt sexuelle Gewalt in der Ukraine als Waffe ein, aber Frauenfeindlichkeit ist auch ein Instrument der internen Zentralisierung der Macht in Russland. Und sie ist ein Werkzeug des Imperialismus. Das Grauen, das Familien des Baltikums bereits einmal erleben mussten und das bis heute Wunden in den Familien hinterlassen hat, Deportationen, Besetzungen, Terror, Folter, Nazibeschuldigungen, Vergewaltigung, wiederholt sich, aber wie nie zuvor können Kriegsverbrechen dokumentiert werden, weil Journalistinnen, Richterinnen, Staatsanwältinnen und Anwältinnen beteiligt sind. Die Hoffnung besteht, dass die Straffreiheit Russlands ein Ende haben wird.

In diesem sorgfältig recherchierten Essay zeigt sich Sofi Oksanen erneut als absolute Kennerin Russlands, seiner Geschichte und seiner strategischen Frauenfeindlichkeit.
Autorenporträt
Sofi Oksanen, geboren 1977, Tochter einer estnischen Mutter und eines finnischen Vaters, studierte Dramaturgie an der Theaterakademie von Helsinki. Ihr dritter Roman, 'Fegefeuer', war monatelang Nummer eins der finnischen Bestsellerliste und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Finlandia-Preis, dem Literaturpreis des Nordischen Rates und dem Prix Femina. Der Roman erschien in über vierzig Ländern und machte die Autorin auch in Deutschland zu einer der wichtigsten Vertreterinnen der internationalen Gegenwartsliteratur. Sofi Oksanen lebt in Helsinki.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur 9punkt-Rezension

Neben die Holocaust-Leugner, die Corona-Leugner und die Klimawandel-Leugner sind jetzt auch die Missbrauchs-Leugner getreten, schreibt Salonkolumnist Bernd Rheinberg mit Blick auf die Vergewaltigungen am 7. Oktober, aber auch die Vergewaltigungen im Krieg gegen die Ukraine. Er empfiehlt Sofie Oksanens Essay "Putins Krieg gegen die Frauen", den man unbedingt auch auf den 7. Oktober übertragen sollte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2024

Sie weiß, wovon sie schreibt

Leidenschaftliche Anklage: Die Gräuel, die Russland heute in der Ukraine verübt, sind Teil einer jahrhundertealten Politik der Unterdrückung.

Dieses Buch hätte ein reines "Ich hab's euch doch gesagt" sein können. Eine 300-Seiten-Besserwisserei über die Naivität und Ignoranz des Westens. Sofi Oksanen, finnisch-estnische Starautorin, hätte jedes Recht dazu gehabt. Vor fast zehn Jahren stand sie in der Frankfurter Festhalle, Finnland war Gastland der Buchmesse 2014, und warnte vor der totalitären Herrschaft Russlands, vor Putins Unterdrückung anderer Völker, sie erinnerte an die brutale Kolonialisierungsgeschichte Moskaus. Ihre Rede stand in Kontrast zu der von Frank-Walter Steinmeier, damals noch Außenminister. Der heutige Bundespräsident warb für ein Verstehen Russlands (auch wenn er es mied, Putin und sein Land beim Namen zu nennen), sprach von der Möglichkeit eines "gedeihlichen Zusammenlebens" und umschrieb die kurz zuvor erfolgte Annexion der Krim mit "die dramatischen Umbrüche in der Ukraine".

Zu diesem Zeitpunkt hatte Oksanen schon längst schwere Waffen an der Grenze zu Russland gefordert, weil sie jeden Morgen aufwachte in der Erwartung einer neuerlichen Invasion.

Seit diese Invasion mit dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 Realität geworden ist, hat Oksanen eine neue Chance erkannt, den Westen von der Gefährlichkeit Russlands überzeugen zu können. "Sei nicht gleichgültig, wende den Blick nicht ab", fleht sie in ihrem ersten, gerade erschienenen Sachbuch "Putins Krieg gegen die Frauen" den europäischen Leser an.

Ihr gedruckter Versuch, gehört zu werden, ist - anders als es der Titel vermuten lässt - keine reine Analyse von Putins Misogynie, sondern eine hilfreiche Erklärung über die Beweggründe Russlands und die Hintergründe eines Kriegs, der zwar für den Westen, aber keineswegs für die nord- und osteuropäischen Länder überraschend entbrannte. Oksanen bettet die Gräueltaten Russlands in der Ukraine in eine jahrhundertealte Politik der Unterdrückung und erzählt dabei, wie so oft, von ihrer eigenen Familiengeschichte.

Sie beginnt mit Oksanens Großtante, die schon der Anstoß für ihren erfolgreichsten Roman "Fegefeuer" gewesen war. Während der zweiten Besatzung Estlands durch die Sowjetunion wurde besagte Großtante eine ganze Nacht lang verhört. Am nächsten Tag kehrte sie äußerlich wohlbehalten nach Hause zurück. Doch hatte sie aufgehört zu sprechen. Alle hätten gewusst, schreibt Oksanen, dass sie vergewaltigt worden war.

Sexuelle Gewalt ist eine alte Waffe in Kriegen. Sie wird immer wieder eingesetzt, weil sie kaum thematisiert und verurteilt wird. Das prangern die UN, das prangert aber auch Oksanen an. Sie versucht, so präzise wie möglich über Russlands Methoden und die Auswirkungen zu schreiben: "Die Folterer verwendeten Elektroden und schlugen die Geschlechtsorgane der Männer mit einem zu diesem Zweck entwickelten Rohr, bis sie anschwollen wie bei einem Stier." Oksanen erklärt außerdem, wie Russland versucht, die Fortpflanzungsfähigkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer zu zerstören, und dass sie deshalb von "genozidalen Vergewaltigungen" spricht. Wie unter anderem die Parlamente Litauens, Kanadas und Irlands nennt sie Russlands Vorgehen in der Ukraine schon jetzt einen "Genozid".

Die Gewalt der russischen Besatzer durchzieht die Leben von Oksanens Vorfahren. Deswegen kann man von ihr nicht die Sachlichkeit erwarten, die in Deutschland so oft bei der Bewertung der russischen Politik angemahnt wurde. Das mindert jedoch nicht die Glaubwürdigkeit ihrer Worte. Ihre Quellen sind seriös, ihre Expertise unumstritten und die Erfahrungen ihrer Familie aufschlussreich.

Dass die Vehemenz, mit der viele russischsprachige Ukrainer ihre eigene Sprache abgelegt haben, eine Verteidigung gegen eine jahrhundertealte Demütigungspolitik Russlands ist, erfährt man durch Oksanens estnische Großmutter. Auch sie und ihre Landsleute wurden, wie die Ukrainer heute, von den Russen als "Faschisten" beschimpft.

Während der sowjetischen Besatzung waren die meisten Lebensmittelverkäuferinnen Russinnen. Doch Oksanens Großmutter hatte nie Russisch gelernt. "Eine Estnisch sprechende Kundin bekam von der Verkäuferin oft ein Knurren zur Antwort wie: 'Sprich gefälligst eine Menschensprache!'", schreibt Oksanen. Es habe zum Alltag gehört, dass Estnisch Sprechende zu Tieren erklärt wurden. Das Gleiche sei im Winterkrieg der Finnen gegen die Rote Armee geschehen. Und: "Jetzt schnauzen die Folterer in der Ukraine ihre Ukrainisch sprechenden Opfer an: 'Sprich nicht diese Schweinesprache!'"

Oksanen lebt in Helsinki, aber sie kennt die Ukraine gut. Schon als Kind begleitete sie ihren finnischen Vater, der dort als Elektriker auf Baustellen arbeitete. Für zwei ihrer Bücher hat die 47-Jährige über die Leihmutterschaft-Industrie der Ukraine vor Ort recherchiert. Nach der Annexion der Krim hatte sie das Bedürfnis, dem von Putin bedrohten Staat mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, und veröffentlichte 2019 den in der jüngeren ukrainischen Geschichte spielenden Roman "Hundepark".

Für "Putins Krieg gegen die Frauen" hat Oksanen weit weniger Zeit gehabt, als sie es sonst bei ihren Büchern gewohnt ist. Sie nannte den Zeitplan "fast unmöglich" und sprach in den sozialen Medien offen über ihre Sorge, das Geschriebene sei nicht klar und zugänglich genug.

Tatsächlich ist die Sprache der Schwachpunkt des Werks. Die Atemlosigkeit beim Schreiben merkt man. Viele Sätze sind unnötig umständlich formuliert, Aussagen doppeln sich an zahlreichen Stellen, es gibt wenig Struktur. So ist nicht nur das Thema, sondern auch der Schreibstil so schwer, dass man "Putins Krieg gegen die Frauen" am besten nicht am Stück, sondern immer wieder in einzelnen Kapiteln liest. Dabei kann man ruhig hin und her springen, denn die verschiedenen Abschnitte bauen kaum aufeinander auf. Die deutsche Übersetzerin Angela Plöger - das liest man - wird einen ähnlich engen Zeitplan wie die Autorin gehabt haben.

Bei der englischen Ausgabe konnten sich Oksanen und ihre Verleger ein "Ich hab's euch doch gesagt" übrigens nicht ganz verkneifen. Im Titel "Same River Twice - Putin's War Against Women" widersprechen sie dem griechischen Philosophen Heraklit: Man kann sehr wohl zweimal in denselben Fluss steigen. SARAH OBERTREIS

Sofi Oksanen: Putins Krieg gegen die Frauen.

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 336 S., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»Oksanens feministische und baltische Perspektive auf den Ukraine-Krieg ist erhellend.« Gina Bachmann NZZ am Sonntag 20240331