Rhetorik als Waffe - über Putins Reden als Mittel der Politik.Den Krieg gegen die Ukraine hat Wladimir Putin rhetorisch vorbereitet, eskaliert und durch eine komplexe Argumentation begründet. Das Geflecht aus Legitimationsstrategien mag befremdlich und verstörend erscheinen, es knüpft aber gezielt an den Erwartungshorizont eines breiten, nationalen wie internationalen Publikums an und garantiert ein diffuses Verständnis für die Positionen des Kreml. Der russische Präsident ist dabei kein charismatischer und eloquenter Politiker. Gerade im Vergleich zu seinem Kontrahenten Selenskyj fällt seine Redekunst deutlich ab. Aber Putins Wort ist der Ursprung aller politischen Kommunikationsstrategien im heutigen Russland. Es steckt den Rahmen des politisch Sagbaren ab.Riccardo Nicolosi seziert Putins Kriegskommunikation: von der Parodie westlicher Kriegsbegründungen hin zu einer paranoiden Kausallogik, in der Russland als ewiges Opfer westlicher Hegemonialbestrebungen figuriert; von der Affektrhetorik des Ressentiments zur Mystifizierung des Zweiten Weltkriegs als niemals endendes Ereignis; von der Modellierung des Ukraine-Konflikts als antikoloniale, tektonische Verschiebung in der geopolitischen Weltordnung zur Erhebung des Kriegs als einzig wahre Daseinsform im gegenwärtigen und künftigen Russland. So legitimiert die Macht der Worte die martialische Gewaltanwendung ebenso sehr wie sie den Krieg als Lösung aller Probleme plausibilisiert.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Putin ist auf den Rückhalt in der Bevölkerung angewiesen für die Fortführung des Kriegs gegen die Ukraine, weiß Rezensent Ulrich M. Schmid, und deshalb ist es wichtig, seine Rhetorik zu analysieren. Dabei ist er, wie Riccardo Nicolosis Buch zum Thema offenbart, kein guter Redner, seine Selbstinszenierung erinnert an Sowjetzeiten, die Stimme ist stockend und gepresst. Inhaltlich fährt Putin ein ganzes Sammelsurium an Scheinargumenten auf, um den Krieg zu rechtfertigen, entlang der Lektüre zählt Schmid einige davon auf, unter anderem behauptet Putin, die Ukraine sei aus historischer Perspektive ein Teil Russlands und im Donbass fände ein Genozid gegen Russen statt, außerdem redet er über den Satanismus des Westens. Stilistisch auffällig sei einerseits Putins Anleihen an juristische Sprache, andererseits die Verwendung von Schimpfwörtern. Insgesamt geht es darum, entnimmt der Rezensent diesem Buch, die Paradoxien der russischen Position, die eigene Stärke und eigene Schwäche gleichzeitig beschwört, durch parolenhaftes Sprechen zu übertünchen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»elegantes Büchlein« (Ulrich M. Schmid, NZZ, 24.03.2025)