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Gängige Formen von Diskriminierung sowie die Reproduktion normativer Stereotype sind auch bei künstlicher Intelligenz an der Tagesordnung. Die Beitragenden erläutern Möglichkeiten der Reduktion dieser fehlerhaften Verfahrensweisen und verhandeln die ambivalente Beziehung zwischen Queerness und KI aus einer interdisziplinären Perspektive. Parallel dazu geben sie einem queer-feministischen Wissensverständnis Raum, das sich stets als partikular, vieldeutig und unvollständig versteht. Damit eröffnen sie Möglichkeiten des Umgangs mit KI, die reduktive Kategorisierungen überschreiten können.

Produktbeschreibung
Gängige Formen von Diskriminierung sowie die Reproduktion normativer Stereotype sind auch bei künstlicher Intelligenz an der Tagesordnung. Die Beitragenden erläutern Möglichkeiten der Reduktion dieser fehlerhaften Verfahrensweisen und verhandeln die ambivalente Beziehung zwischen Queerness und KI aus einer interdisziplinären Perspektive. Parallel dazu geben sie einem queer-feministischen Wissensverständnis Raum, das sich stets als partikular, vieldeutig und unvollständig versteht. Damit eröffnen sie Möglichkeiten des Umgangs mit KI, die reduktive Kategorisierungen überschreiten können.
Autorenporträt
Michael Klipphahn-Karge ist Kunstwissenschaftler und studierte Bildende Kunst und Kunstgeschichte in Dresden, Berlin und Óstí nad Labem. Er arbeitet derzeit an seiner Dissertation, die er zu Verschränkungen von KI und Magie in der Gegenwartskunst an der Technischen Universität Dresden verfasst. Außerdem ist er Kollegiat des Schaufler Lab@TU Dresden und Redakteur des Online-Journals w/k - Zwischen Wissenschaft & Kunst. Sein Forschungsinteresse gilt der Kunst der Moderne und Gegenwart, ihrer Vermittlung sowie der Verbindung von Kunst und Wissenschaft. Dahingehende Schwerpunkte liegen auf Bildkulturen technischer und digitaler Systeme, Künstlicher Intelligenz, Geschlechterkonstruktionen, Gender und Queerness sowie Theorien über Animismen, Magie und Ritual in der Kunst. Ann-Kathrin Koster hat Politikwissenschaft, Soziologie und Interkulturelle Gender-Studies in Trier und Washington, D.C. studiert. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der Demokratietheorie, wobei sie sich gegenwärtig vor allem mit epistemologischen Zugängen zu Demokratie und Technik auseinandersetzt. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit dem Wechselverhältnis von Demokratie und künstlicher Intelligenz. Von 2020 bis 2022 war sie Kollegiatin am Schaufler Lab@TU Dresden. Aktuell ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Weizenbaum-Institut/Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Darüber hinaus ist sie Mitglied bei netzforma* e.V., einem Verein, der sich mit feministischer Netzpolitik auseinandersetzt. Sara Morais dos Santos Bruss ist Kultur- und Medienwissenschaftlerin, Autorin und Kuratorin am Berliner Haus der Kulturen der Welt. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit kulturellen Technologiemythen aus feministischer und dekolonialer Perspektive. 2020 promovierte sie im DFG-Graduiertenkolleg Minor Cosmopolitanisms der Universität Potsdam, danach übernahm sie die Leitung des Digital-Gender-Projekts der GenderConceptGroup an der Technischen Universität Dresden. In ihrer Dissertationsschrift Feminist Solidarities after Modulation (punctum press, 2023) schreibt sie eine Kulturgeschichte technologischer Identitäten und sucht (feministische) Kollektivität vor dem Hintergrund algorithmischer Evidenz- und Identitätslogiken zu begreifen. Sie ist außerdem Mitglied von diffrakt. Zentrum für theoretische Peripherie und Redakteurin bei kritisch-lesen.de.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Kritik dieses Bandes an der Normativität von Künstlicher Intelligenz trifft in den Augen von Rezensentin Marie Koppel ins Schwarze. Denn, ja, Algorithmen werten indigene Namen als unecht, und sie werden darauf trainiert, homosexuelle Gesichter zu erkennen. Dass sich die Beiträger des Bandes dafür stark machen, KI offener, fluider und uneindeutiger zu programmieren, wie es eben die Queer Studies für die Gesellschaft wollen, findet Koppel richtig und anregend. Da reicht ihr schon das Beispiel von Elon Musk, der eine vermeintlich "normale" KI schaffen will, denn ChatGPT ist ihm zu woke. Auch lernt sie, dass ein Algorithmus vor allem dann als intelligent gilt, wenn seine kognitiven Aktivitäten wirtschaftlichen Nutzen bringen. Alles wirklich interessant, meint Koppel, nur konkrete Ideen, wie denn eine queere KI aussehen könnte, fehlen ihr.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2023

Auch smarte Programme neigen zu Diskriminierung
Nur der leckerste Nachtisch für die Maschine: Ein Sammelband widmet sich den Facetten einer queeren KI

Queer bedeutet so viel wie seltsam, sonderbar oder komisch. Im wissenschaftlichen Kontext der Queer Studies hat man sich den Begriff positiv angeeignet und Queer zur "Veruneindeutigung" starrer Konzepte herangezogen. Mit dieser Idee des "Queerings" arbeitet auch "Queere KI", dem sich ein Sammelband über das, so der Untertitel, "Coming-out smarter Maschinen" widmet.

Die Beiträger sondieren das weite Feld Künstlicher Intelligenz aus sozial- und geisteswissenschaftlicher Perspektive. Die Digital und Disability Studies sind ebenso vertreten wie zwei künstlerische "Interventionen". Technisches Problemlösen spielt darin weniger eine Rolle als gesellschaftliche Probleme. Dem Einleitungstext zufolge muss ein intelligentes Programm notwendigerweise "diskriminieren", also standardisieren und Datenmerkmale auf- oder abwerten. Wenn der Facebook-Algorithmus indigene Namen als "unecht" markiert, liegt das aber offensichtlich nicht zuerst an diesem Funktionsprinzip. Ebenso zu hinterfragen ist die Annahme, man könne homosexuelle Gesichter mit KI identifizieren.

Im Beitrag "Queering Intelligence" geht Blair Attard-Frost einen Schritt zurück und denkt über das I in KI nach, die vermeintlich vor-künstliche Intelligenz. Mit kritischen Studien aus der Informatik und KI-Entwicklung argumentiert Attard-Frost, dass Intelligenzbegriffe stark von den Zwecken abhängen, die sie erfüllen sollen. Mit dem Attribut "intelligent" würden vor allem die kognitiven Aktivitäten gefördert, die einen wirtschaftlichen Nutzen haben.

Eine Maschine, die einen Nachtisch genießen kann, hielt schon Alan Turing für möglich, aber "idiotisch". Würde eine solche Maschine in der Lebensmittelindustrie eingesetzt, würde sie, so Attard-Frost, in unserem System von "unintelligent" zu "intelligent" wechseln. Diese kurzfristige Marktlogik könne man aber aus einem nachhaltigen Interesse heraus auch für sehr dumm halten.

Einen Entwurf, nach dem sich eine diverse "Queere KI" programmieren lässt, wird man in diesem Buch nicht finden. Ergebnisoffen über KI nachzudenken kann als Gegengewicht zu einigen polemischen Gewissheiten im KI-Diskurs sinnvoll sein. Während Johannes Bruder von der "(Un-)Möglichkeit einer queeren Antwort" auf KI spricht, ist zumindest Elon Musks Antwort klar. Seiner Meinung nach ist der Chatbot ChatGPT einem "Woke Mind Virus" zum Opfer gefallen: Neuerdings kündigt er eine "Based AI" an. "Based", sinngemäß "objektiv", wird in politischen Diskussionen als Kampfbegriff benutzt. Sich unvoreingenommen zu geben und das mit technischer Objektivität zu begründen ist genau die Haltung, die das Buch kritisiert.

Queeres Selbstverständnis soll Posen wie denen von Musk entgegenwirken. Was "queer" meint, wird in den Essays vor allem anhand von Gegensätzen deutlich: Bewegung versus Fixierung, fluid versus fest, anders versus normal, wandelbar versus dogmatisch, Konflikt versus Konsens. Am Ende gelingt es allerdings nicht wirklich, diesen Anspruch von "immer anders" einzulösen.

Queer ist soziale Bewegung, Szene und mittlerweile eine Wissenschaftstradition mit eigenen Konventionen. Begriffe und Ideen aus einem gewissen Kanon (Judith Butler, Karen Barad, Donna Haraway) werden hier zu wenig weitergedacht. Nach der Lektüre bleibt der Eindruck, dass die Kritik an "objektiver KI" zwar ins Schwarze trifft, wirklich gute Ideen für eine "sonderbare" KI aber noch fehlen. MARIE KOPPEL

"Queere KI". Zum Coming-out smarter Maschinen.

Hrsgg. v. M. Klipphahn-Karge, A.-K. Koster und

S. Morais dos Santos Bruss. Transcript Verlag, Bielefeld 2022. 266 S., Abb., br., 35,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Der Band liefert hier Denkanstöße für eine queere Relektüre technologischer Narrative und Mythen, die über queere Fragestellungen hinaus relevant sind.« Rafael Biena, MEDIENwissenschaft, 3 (2024) O-Ton: »Der Status quo von gestern« - Sara Morais dos Santos Bruss im Interview bei der taz am 05.01.2024. »Ein wirklich originelles und lesenswertes Buch, das die Korrelationsmaschinerie samt ihrer kolonialen Möglichkeitsbedingungen neu beleuchtet!« Doris Allhutter, WeiberDiwan, 2 (2023) »Spannende, vielseitige Sichtweisen auf ein noch nicht in der breiten Menge diskutiertes Thema.« Sylvia Aßlaber, AEP Informationen, 2 (2023) O-Ton: »Diskriminierungsfreie Maschinen« - Sara Morais dos Santos Bruss im Gespräch bei Deutschlandfunk Corso am 19.01.2023. O-Ton: »Bedroht Künstliche Intelligenz die Sicherheit von LGBTIQ_?« Besprochen in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.07.2023, Marie Koppel pro zukunft, 3 (2024), Carmen Bayer