Alles fließt, alles rauscht, alles klingt: In einem lyrischen Triptychon betritt Ferdinand Schmatz ein Boot aus Worten, das die Donau von den Quellen bis zur Mündung hinabgleitet, den Blick gerichtet auf die Ufer, an denen sich Natur und Zivilisation, Garten und Stadt gegenüberstehen. Im Rauschen des Flusses, im Palast der Sprache klingt das Echo der Welt, der Musik, der Kunst und der Literatur, jener Quellen, die Ferdinand Schmatz aufgreift und in seiner Lyrik aufblühen lässt.Ferdinand Schmatz' Gedichte sind pure Lust an der Sprache.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2011Quellenkunde
Alles quillt hier: das Wasser, das Vokabular, die Gedichte. Nichts kann ihr Dahinströmen hemmen; Reim, Logik und grammatische Regeln beschleunigen nur den Strom der Worte. Noch bevor ein Satz zu seinem Ende kommt, wird er bereits überströmt von neuen Wörtern, die, einem Sog folgend, ihrerseits einen Sog ausüben: Dem Oben folgt unweigerlich das Unten, den Klippen öffnen sich die Lippen, und mit Anspielung auf des holden Hölderlins Hymnen heißt es: "jenem, der / sang, / sank ebenso / quellen los sich hob / der stimme band / (wie gewand)". Hunderte von Redewendungen, Anspielungen, Assoziationen und Lautmalereien schwimmen mit im Fluss des quirligen Redestroms. Die Antriebskräfte dieser unendlichen Fahrt sind pure Wortlust ebenso wie höchst ambitioniert vorgetragene theoretische Positionen. "die grammatik des körpers und seine darin grasenden lämmer betreibend ihr eigenes geschäft" - so lautet eine der Zwischenüberschriften eines Poems, das sich mit "ernst jandls essay von der darstellung des menschlichen lebens" befasst. Ein anderer Abschnitt dieses Gedichts wird so eingeleitet: "das sog. schicksal als fiktion der von anderen verwendbaren mitteilung als kunst (durch minimale verschiebung der buchstäblichen aufmerksamkeit)". Der anschließende Text lässt sich als Beschreibung der eigenen Verfahrensweise lesen: "wir fassen nach, ein druck aufs wort, / wir greifen vor, ein ruck im satz, / gesprungen reisst er fort uns / ohne wahl, innen, schicksal / aussen, keine qual, ein trick - / einst gesungen, hoch am ross / ist, was da kommt, abgegrastes, / aus gewähltes, da erzähltes, / das uns stützt." Mit anderen Worten: Es gilt, was quillt. (Ferdinand Schmatz: "quellen". Gedichte. Haymon Verlag, Innsbruck 2010. 172 S., geb., 17,90 [Euro].) WSg.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alles quillt hier: das Wasser, das Vokabular, die Gedichte. Nichts kann ihr Dahinströmen hemmen; Reim, Logik und grammatische Regeln beschleunigen nur den Strom der Worte. Noch bevor ein Satz zu seinem Ende kommt, wird er bereits überströmt von neuen Wörtern, die, einem Sog folgend, ihrerseits einen Sog ausüben: Dem Oben folgt unweigerlich das Unten, den Klippen öffnen sich die Lippen, und mit Anspielung auf des holden Hölderlins Hymnen heißt es: "jenem, der / sang, / sank ebenso / quellen los sich hob / der stimme band / (wie gewand)". Hunderte von Redewendungen, Anspielungen, Assoziationen und Lautmalereien schwimmen mit im Fluss des quirligen Redestroms. Die Antriebskräfte dieser unendlichen Fahrt sind pure Wortlust ebenso wie höchst ambitioniert vorgetragene theoretische Positionen. "die grammatik des körpers und seine darin grasenden lämmer betreibend ihr eigenes geschäft" - so lautet eine der Zwischenüberschriften eines Poems, das sich mit "ernst jandls essay von der darstellung des menschlichen lebens" befasst. Ein anderer Abschnitt dieses Gedichts wird so eingeleitet: "das sog. schicksal als fiktion der von anderen verwendbaren mitteilung als kunst (durch minimale verschiebung der buchstäblichen aufmerksamkeit)". Der anschließende Text lässt sich als Beschreibung der eigenen Verfahrensweise lesen: "wir fassen nach, ein druck aufs wort, / wir greifen vor, ein ruck im satz, / gesprungen reisst er fort uns / ohne wahl, innen, schicksal / aussen, keine qual, ein trick - / einst gesungen, hoch am ross / ist, was da kommt, abgegrastes, / aus gewähltes, da erzähltes, / das uns stützt." Mit anderen Worten: Es gilt, was quillt. (Ferdinand Schmatz: "quellen". Gedichte. Haymon Verlag, Innsbruck 2010. 172 S., geb., 17,90 [Euro].) WSg.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Samuel Moser schwelgt in Wassermetaphorik, wenn es darum geht, seinen Eindruck von Ferdinand Schatz' Gedichtband "quellen" zu beschreiben. Der Rezensent sieht sich einem "Wildwasserfahrer" gegenüber, der im Strom der Worte das Gedicht zum "Ereignis" macht, und dessen Wortflüsse alles Mögliche in spielerischer Leichtigkeit mitnehmen, wie er schwärmt. Adjektivarm, knapp und vor allem den "großen Worten" abhold sind diese dabei durchaus "ausufernden" Texte, lässt Moser wissen. Ihm gefallen die Spielfreude und der Witz der Gedichte, Tugenden, die er selten in zeitgenössischer Lyrik findet, und er stellt nicht unzufrieden einen vollständigen Mangel an metaphysischem Gehalt fest. Nur selten verfalle der Lyriker in prätentiöse Formulierungen, alles in allem aber lässt sich der Rezensent vom Fluss dieser Gedichte, in deren Zentrum die Donau besungen wird, gern mitreißen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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