Produktdetails
- Verlag: Hatje Cantz Verlag
- Seitenzahl: 283
- Abmessung: 286mm x 237mm x 30mm
- Gewicht: 1948g
- ISBN-13: 9783775710060
- ISBN-10: 377571006X
- Artikelnr.: 09383870
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die Architekturgeschichte hat lange so getan, als sei die Moderne vom Bauhaus und dem "international style" allein erfunden worden. Dabei wurden kapitale Größen sträflich vernachlässigt. Zu ihnen, informiert Heinrich Wefing, gehört der aus Österreich stammende Rudolf M. Schindler, Schüler von Frank Llyod Wright, der erst wieder von der Postmoderne "gefeiert" wurde. In seiner Wahlheimat Kalifornien hat er fünfhundert Gebäude entworfen, hundertfünfzig wurden realisiert. Sein Werk wird gerade in einer "üppigen Ausstellung" in Los Angeles geehrt, und der Katalog mit Beiträgen in "unterschiedlicher Qualität" und "schludrig übersetzt" ist schon auf Deutsch zu haben: Bei allen Mängeln ein Schlüssel zum Reichtum jenseits der "Mär von der gleichsam monolithischen Moderne", auch wenn es Schindler mit seiner Selbststilisierung als verkanntes Genie etwas übertrieben hat, so Wefing.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001Weiß wie ein Dentallabor
Rudolf M. Schindler baut an der Sonne / Von Heinrich Wefing
Übermäßige Bescheidenheit hat Rudolf M. Schindler nie geplagt. Er habe, bemerkte der in Wien geborene, 1953 in Los Angeles gestorbene Architekt kurz vor seinem Tod, eine neue, regionale Klassik in seiner Wahlheimat Kalifornien geschaffen, "so kalifornisch wie der Parthenon griechisch und das Forum römisch". Man mag in dieser Selbstauskunft vom Sterbebett aus nichts weiter als die Eitelkeit eines Mannes sehen, der zu Lebzeiten nie die Anerkennung fand, die seinem Sendungsbewußtsein entsprach. Vielen Zeitgenossen erschienen Schindlers Bauten roh, revolutionär und praktisch unbewohnbar. Tatsächlich brachen sie mit allen Sehgewohnheiten. Schindlers eigenes Wohnhaus zum Beispiel, 1922 zwischen Bohnenfeldern in West-Hollywood vollendet, unterschied sich radikal von den gängigen Bauten seiner Zeit, die meist aus Holz errichtet wurden und allerlei Pseudokolonialstile imitierten. Das Haus in der Kings Road 835 hingegen hatte Wände aus vorgefertigten Betonplatten, glatte Zementböden, hohe Glaswände, breite Schiebetüren, und auf dem Dach standen "Schlafkörbe" aus Holz und Segeltuch. Der äußerlich abweisende, fast bunkerähnliche Bau öffnete sich im Innern zu Gartenhöfen, die wie selbstverständlich Teil des Lebensraumes wurden. Schindler selbst verglich das karge, in den Details ruppige Haus, in das es immer wieder hineinregnete, gern mit dem Unterstand eines Campers: im Rücken fest umschlossen, vorne offen, dazu ein Dach und ein Kamin.
Den spröden Materialien und dem ungewohnten Grundriß des Kings Road House entsprach dessen unkonventionelle Nutzung. Schindler und seine Frau Pauline hatten den höhlenartigen Flachbau von Anfang an als Doppelhaus für zwei Paare angelegt, die sich die Küche teilen sollten. Diese Sozialutopie eines "kooperativen" Wohnmodells bescherte den Bauherren, die ohnehin ein offenes Haus führten und schier ununterbrochen zu Konzerten, Kostümfesten und Debatten einluden, eine bunte Reihe von Mitbewohnern, darunter Filmschauspieler, Dichter und Architekten. Eine gute Weile lebte auch Schindlers gleichfalls aus Österreich stammender Freund, Kollege und Konkurrent Richard Neutra mit seiner Frau in der Kings Road, was freilich nicht ohne Spannungen abging. Denn stets wurden Schindlers Bauten mit denen von Neutra verglichen - und stets galten dessen Häuser als weitaus eleganter. Mit ihren flachen Dächern und ihrer bestechend klaren Linienführung entsprachen Neutras Schöpfungen präzis dem technoiden Ideal des "International Style". Schindlers hochkomplexen Raumerfindungen aus Billigmaterialien hingegen wurde bestenfalls ihre Lebhaftigkeit zugute gehalten.
Die Dogmatiker des Internationalen Stils, allen voran der Architekturkritiker Henry-Russell Hitchcock, verweigerten Schindler 1932 die Teilnahme an der epochemachenden Ausstellung im New Yorker MoMA, dem Gründungsakt der modernen Orthodoxie, und bereiteten ihm damit die schwerste Niederlage seines Lebens. Alles Bitten, alles Betteln des Architekten aus Los Angeles nutzte nichts. Noch acht Jahre später schrieb Hitchcock: "Ich gestehe, daß ich den Fall Schindler nicht verstehe. Er besitzt sicherlich eine ungeheure Vitalität. Aber diese Vitalität scheint im allgemeinen nur brutale Ergebnisse zu zeitigen. Seine anhaltende Spiegelung der einigermaßen hektischen psychologischen Atmosphäre der Region erzeugt immer noch das Aussehen von Szenenaufbauten für einen ,film of the future' à la Orson Welles."
Diffamierungen wie diese bestärkten nur Schindlers Selbstwahrnehmung als verkanntes Genie und trieben ihn zu immer lauterem Eigenlob. Was er in seinem Wohnhaus in der Kings Road erprobt habe: "ebenerdiger, offener Grundriß, Wohnterrassen, lichtdurchlässige Wände, hochliegende Sheddächer mit breiten, schattenspendenden Überständen", das sei längst allgemein akzeptiert und habe das zeitgenössische kalifornische Bauen geprägt, schrieb er 1952 im Rückblick auf sein Werk. Stärker noch als solcherlei anmaßende Egozentrik trug die Ignoranz der Leithammel des Funktionalismus zu Schindlers postum stetig steigendem Renommee bei. Als die Orthodoxie aus Glas und Stahl zerbrach, als der Glanz des Internationalen Stils matt wurde, als das sprichwörtliche "less is more" vom ironischen "less is a bore" abgelöst wurde, da begann der Außenseiter Schindler in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Wer immer auf der Suche war nach einer Moderne jenseits der zu Tode repetierten Miesschen Glaskisten, der begann Architekten wie Schindler zu studieren. Dessen so geschmeidiges wie bizarres OEuvre wurde von Postmodernen wie Charles Moore und Hans Hollein gefeiert, es schien die Theorien von Robert Venturis viel später erschienenem Buch "Komplexität und Widerspruch" vorwegzunehmen, und manche Bauten Schindlers, die Adolph Tischler Residence in Los Angeles aus dem Jahre 1949 mit ihren gewellten Fiberglasplatten und dem frei geformten Kaminblech etwa, lassen sich zwanglos als Wegbereiter für die schrägen Entwürfe des frühen Frank O. Gehry deuten.
Die späte Ehrung des nie ganz vergessenen, aber nie wirklich populären R. M. Schindler findet derzeit ihren Höhepunkt in einer üppigen Ausstellung im Museum of Contemporary Art in Los Angeles, die den Zuwanderer aus Europa zum Heroen einer undogmatischen und damit vielleicht sehr kalifornischen Moderne zu stilisieren sucht. Der Katalog dieser bislang umfangreichsten Schindler-Schau, die von Los Angeles weiter nach Washington und Wien wandern wird, ist bereits jetzt in deutscher Ausgabe erschienen und bietet in prächtigen Abbildungen sowie mehreren, teils schludrig übersetzten Texten von durchaus unterschiedlicher Qualität einen Überblick über Schindlers Schaffen.
Schindler wurde 1887 im Habsburgerreich geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule Wien und an der Akademie der bildenden Künste, unter anderem bei Otto Wagner, verfaßte 1913 ein hochtrabendes Architektur-Manifest und ging 1914 auf Anraten seines Idols, des amerikabesessenen Adolf Loos, in die Vereinigten Staaten. Drei Jahre lang arbeitete er in Chicago in einem Architekturbüro, entwarf nebenher eigene, akademisch-eklektische Projekte, von denen eines sogar realisiert wurde, ehe er 1917 eine Anstellung im Atelier von Frank Lloyd Wright ergatterte, der ihn tief prägte. Fast bis zu seinem Lebensende verraten Schindlers wunderschön kolorierte Präsentationszeichnungen und sein stilisiertes Logo den Einfluß des amerikanischen Meisterarchitekten.
In Wrights Auftrag ging Schindler 1920 auch nach Kalifornien, zunächst nur vorübergehend, um dort die Bauleitung für ein kompliziertes Projekt zu übernehmen. Bald jedoch verfiel er den Reizen der Westküste. Das zauberische Licht, die ungeheure Weite der Landschaft, die Nähe zum Meer und die völlige Traditionslosigkeit des Landes beeindruckten den Einwanderer aus Europa. Er löste sich aus Wrights Umfeld, gründete sein eigenes Büro und begann in seinen Bauten nach einer Architektur zu suchen, die seiner neuen Heimat angemessen schien. Fast fünfhundert Gebäude entwarf Schindler, mehr als hundertfünfzig davon, meist Einfamilienhäuser, wurden tatsächlich realisiert. Allesamt sind sie aus den Besonderheiten ihres Bauplatzes entwickelt, lange bevor solcherlei "Kontextualisierung" zur Phrase verkam. Sie schweben wie auf Zehenspitzen über felsigen Abhängen oder schmiegen sich in die Wüsten von Palm Springs, sie feiern die Aussicht über die Hügel von Hollywood oder sind ganz auf den Blick hinaus auf den Pazifik berechnet. Schindler schuf Blockhütten in den Bergen, Haciendas im spanischen Stil ebenso wie verglaste Kuben aus dem Geist der weißen Moderne.
Die einzige Konstante in seiner Arbeit sei deren "beständige Unbeständigkeit", schreibt der Mitherausgeber des vorliegenden Bandes, Michael Darling, treffend in seinem Essay über Schindlers "Empfänglichkeit" für Einflüsse aller Art. Stets berücksichtigte der Architekt Klima, Kultur und Topographie des Standortes, hörte auf die Wünsche seiner Bauherren, statt ihnen rigide Lebensmodelle aufzuzwingen. Unablässig experimentierte er mit Materialien und kostengünstigen Bautechniken, unermüdlich entwickelte er Vorschläge für Serienbauten und Typenhäuser. In vierzig Jahren entstand so ein ebenso unübersichtliches wie reiches Werk, das die Mär von der gleichsam monolithischen Moderne weiter entzaubern hilft. Und das unendlich viele Anregungen für eine zeitgenössische Architektur bereithält. Diesen Reichtum breiter zu erschließen als bisher geschehen, leisten Buch und Ausstellung willkommene Dienste.
"R. M. Schindler". Bauten und Projekte. Herausgegeben von Elizabeth A. T. Smith und Michael Darling. Aus dem Amerikanischen von Christiane Court und Annette Wiethüchter. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2001. 284 S., 265 Abb., geb., 133,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rudolf M. Schindler baut an der Sonne / Von Heinrich Wefing
Übermäßige Bescheidenheit hat Rudolf M. Schindler nie geplagt. Er habe, bemerkte der in Wien geborene, 1953 in Los Angeles gestorbene Architekt kurz vor seinem Tod, eine neue, regionale Klassik in seiner Wahlheimat Kalifornien geschaffen, "so kalifornisch wie der Parthenon griechisch und das Forum römisch". Man mag in dieser Selbstauskunft vom Sterbebett aus nichts weiter als die Eitelkeit eines Mannes sehen, der zu Lebzeiten nie die Anerkennung fand, die seinem Sendungsbewußtsein entsprach. Vielen Zeitgenossen erschienen Schindlers Bauten roh, revolutionär und praktisch unbewohnbar. Tatsächlich brachen sie mit allen Sehgewohnheiten. Schindlers eigenes Wohnhaus zum Beispiel, 1922 zwischen Bohnenfeldern in West-Hollywood vollendet, unterschied sich radikal von den gängigen Bauten seiner Zeit, die meist aus Holz errichtet wurden und allerlei Pseudokolonialstile imitierten. Das Haus in der Kings Road 835 hingegen hatte Wände aus vorgefertigten Betonplatten, glatte Zementböden, hohe Glaswände, breite Schiebetüren, und auf dem Dach standen "Schlafkörbe" aus Holz und Segeltuch. Der äußerlich abweisende, fast bunkerähnliche Bau öffnete sich im Innern zu Gartenhöfen, die wie selbstverständlich Teil des Lebensraumes wurden. Schindler selbst verglich das karge, in den Details ruppige Haus, in das es immer wieder hineinregnete, gern mit dem Unterstand eines Campers: im Rücken fest umschlossen, vorne offen, dazu ein Dach und ein Kamin.
Den spröden Materialien und dem ungewohnten Grundriß des Kings Road House entsprach dessen unkonventionelle Nutzung. Schindler und seine Frau Pauline hatten den höhlenartigen Flachbau von Anfang an als Doppelhaus für zwei Paare angelegt, die sich die Küche teilen sollten. Diese Sozialutopie eines "kooperativen" Wohnmodells bescherte den Bauherren, die ohnehin ein offenes Haus führten und schier ununterbrochen zu Konzerten, Kostümfesten und Debatten einluden, eine bunte Reihe von Mitbewohnern, darunter Filmschauspieler, Dichter und Architekten. Eine gute Weile lebte auch Schindlers gleichfalls aus Österreich stammender Freund, Kollege und Konkurrent Richard Neutra mit seiner Frau in der Kings Road, was freilich nicht ohne Spannungen abging. Denn stets wurden Schindlers Bauten mit denen von Neutra verglichen - und stets galten dessen Häuser als weitaus eleganter. Mit ihren flachen Dächern und ihrer bestechend klaren Linienführung entsprachen Neutras Schöpfungen präzis dem technoiden Ideal des "International Style". Schindlers hochkomplexen Raumerfindungen aus Billigmaterialien hingegen wurde bestenfalls ihre Lebhaftigkeit zugute gehalten.
Die Dogmatiker des Internationalen Stils, allen voran der Architekturkritiker Henry-Russell Hitchcock, verweigerten Schindler 1932 die Teilnahme an der epochemachenden Ausstellung im New Yorker MoMA, dem Gründungsakt der modernen Orthodoxie, und bereiteten ihm damit die schwerste Niederlage seines Lebens. Alles Bitten, alles Betteln des Architekten aus Los Angeles nutzte nichts. Noch acht Jahre später schrieb Hitchcock: "Ich gestehe, daß ich den Fall Schindler nicht verstehe. Er besitzt sicherlich eine ungeheure Vitalität. Aber diese Vitalität scheint im allgemeinen nur brutale Ergebnisse zu zeitigen. Seine anhaltende Spiegelung der einigermaßen hektischen psychologischen Atmosphäre der Region erzeugt immer noch das Aussehen von Szenenaufbauten für einen ,film of the future' à la Orson Welles."
Diffamierungen wie diese bestärkten nur Schindlers Selbstwahrnehmung als verkanntes Genie und trieben ihn zu immer lauterem Eigenlob. Was er in seinem Wohnhaus in der Kings Road erprobt habe: "ebenerdiger, offener Grundriß, Wohnterrassen, lichtdurchlässige Wände, hochliegende Sheddächer mit breiten, schattenspendenden Überständen", das sei längst allgemein akzeptiert und habe das zeitgenössische kalifornische Bauen geprägt, schrieb er 1952 im Rückblick auf sein Werk. Stärker noch als solcherlei anmaßende Egozentrik trug die Ignoranz der Leithammel des Funktionalismus zu Schindlers postum stetig steigendem Renommee bei. Als die Orthodoxie aus Glas und Stahl zerbrach, als der Glanz des Internationalen Stils matt wurde, als das sprichwörtliche "less is more" vom ironischen "less is a bore" abgelöst wurde, da begann der Außenseiter Schindler in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Wer immer auf der Suche war nach einer Moderne jenseits der zu Tode repetierten Miesschen Glaskisten, der begann Architekten wie Schindler zu studieren. Dessen so geschmeidiges wie bizarres OEuvre wurde von Postmodernen wie Charles Moore und Hans Hollein gefeiert, es schien die Theorien von Robert Venturis viel später erschienenem Buch "Komplexität und Widerspruch" vorwegzunehmen, und manche Bauten Schindlers, die Adolph Tischler Residence in Los Angeles aus dem Jahre 1949 mit ihren gewellten Fiberglasplatten und dem frei geformten Kaminblech etwa, lassen sich zwanglos als Wegbereiter für die schrägen Entwürfe des frühen Frank O. Gehry deuten.
Die späte Ehrung des nie ganz vergessenen, aber nie wirklich populären R. M. Schindler findet derzeit ihren Höhepunkt in einer üppigen Ausstellung im Museum of Contemporary Art in Los Angeles, die den Zuwanderer aus Europa zum Heroen einer undogmatischen und damit vielleicht sehr kalifornischen Moderne zu stilisieren sucht. Der Katalog dieser bislang umfangreichsten Schindler-Schau, die von Los Angeles weiter nach Washington und Wien wandern wird, ist bereits jetzt in deutscher Ausgabe erschienen und bietet in prächtigen Abbildungen sowie mehreren, teils schludrig übersetzten Texten von durchaus unterschiedlicher Qualität einen Überblick über Schindlers Schaffen.
Schindler wurde 1887 im Habsburgerreich geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule Wien und an der Akademie der bildenden Künste, unter anderem bei Otto Wagner, verfaßte 1913 ein hochtrabendes Architektur-Manifest und ging 1914 auf Anraten seines Idols, des amerikabesessenen Adolf Loos, in die Vereinigten Staaten. Drei Jahre lang arbeitete er in Chicago in einem Architekturbüro, entwarf nebenher eigene, akademisch-eklektische Projekte, von denen eines sogar realisiert wurde, ehe er 1917 eine Anstellung im Atelier von Frank Lloyd Wright ergatterte, der ihn tief prägte. Fast bis zu seinem Lebensende verraten Schindlers wunderschön kolorierte Präsentationszeichnungen und sein stilisiertes Logo den Einfluß des amerikanischen Meisterarchitekten.
In Wrights Auftrag ging Schindler 1920 auch nach Kalifornien, zunächst nur vorübergehend, um dort die Bauleitung für ein kompliziertes Projekt zu übernehmen. Bald jedoch verfiel er den Reizen der Westküste. Das zauberische Licht, die ungeheure Weite der Landschaft, die Nähe zum Meer und die völlige Traditionslosigkeit des Landes beeindruckten den Einwanderer aus Europa. Er löste sich aus Wrights Umfeld, gründete sein eigenes Büro und begann in seinen Bauten nach einer Architektur zu suchen, die seiner neuen Heimat angemessen schien. Fast fünfhundert Gebäude entwarf Schindler, mehr als hundertfünfzig davon, meist Einfamilienhäuser, wurden tatsächlich realisiert. Allesamt sind sie aus den Besonderheiten ihres Bauplatzes entwickelt, lange bevor solcherlei "Kontextualisierung" zur Phrase verkam. Sie schweben wie auf Zehenspitzen über felsigen Abhängen oder schmiegen sich in die Wüsten von Palm Springs, sie feiern die Aussicht über die Hügel von Hollywood oder sind ganz auf den Blick hinaus auf den Pazifik berechnet. Schindler schuf Blockhütten in den Bergen, Haciendas im spanischen Stil ebenso wie verglaste Kuben aus dem Geist der weißen Moderne.
Die einzige Konstante in seiner Arbeit sei deren "beständige Unbeständigkeit", schreibt der Mitherausgeber des vorliegenden Bandes, Michael Darling, treffend in seinem Essay über Schindlers "Empfänglichkeit" für Einflüsse aller Art. Stets berücksichtigte der Architekt Klima, Kultur und Topographie des Standortes, hörte auf die Wünsche seiner Bauherren, statt ihnen rigide Lebensmodelle aufzuzwingen. Unablässig experimentierte er mit Materialien und kostengünstigen Bautechniken, unermüdlich entwickelte er Vorschläge für Serienbauten und Typenhäuser. In vierzig Jahren entstand so ein ebenso unübersichtliches wie reiches Werk, das die Mär von der gleichsam monolithischen Moderne weiter entzaubern hilft. Und das unendlich viele Anregungen für eine zeitgenössische Architektur bereithält. Diesen Reichtum breiter zu erschließen als bisher geschehen, leisten Buch und Ausstellung willkommene Dienste.
"R. M. Schindler". Bauten und Projekte. Herausgegeben von Elizabeth A. T. Smith und Michael Darling. Aus dem Amerikanischen von Christiane Court und Annette Wiethüchter. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2001. 284 S., 265 Abb., geb., 133,- DM.
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